Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen den Zweitligaabsteiger SV Sandhausen. Dabei kommt es zu einem Wiedersehen mit den ehemaligen Aufstiegshelden in die Bundesliga für den TSV 1860 München, Jens Keller und Matthias Imhof, die mittlerweile als Trainer und Sportdirektor für die Sandhäuser arbeiten.

TSV 1860 – SV Sandhausen, zum ersten Mal findet dieses Duell auf Giesings Höhen statt. Aber uns interessiert heute nicht die Austragungsstätte, sondern das, was man von Gegner im Spiel erwarten darf.

Jens Keller hat die ersten beiden Spiele nach der Winterpause in Dresden und gegen Aue gegen den Ball auf ein 4-4-2 gesetzt. Patrick Greil, der Winterneuzugang von Rapid Wien – nominell ein zentraler Mittelfeldspieler – lief als hängende Spitze neben Mittelstürmer Markus Pink, der ebenfalls im aktuellen Transferfenster zu den Kurpfälzern stieß, auf.

Momentan ist das Sandhäuser Lazarett mit sechs verletzten bzw. kranken Spielern gut belegt. Jens Keller hat aber einen derart breiten Kader zur Verfügung, dass er trotzdem eine sehr schlagkräftige Truppe nach Giesing mitnehmen kann.

In den beiden Spielen nach der Winterpause hat Sandhausen vor allem defensiv grandiose Leistungen gezeigt und offensiv eine brutale Effizienz bewiesen.

Systematik

Durch die guten und intelligenten Spieler, die Keller zur Verfügung stehen, ist ein anderes System für den Sonntag zwar durchaus denkbar, aber nach den Erfolgen gegen Dresden und Aue sollten wir davon ausgehen, dass die Formation 4-4-2 mit den beiden schnellen Spielern Greil und Pink im Sturm, die das auf Umschaltspiel ausgelegte Konzept der Gäste toll ergänzen, beibehalten wird.

Im Pressing sehr zurückhaltend, fast passiv agierend, aber die Räume und Passwege auf tiefer Linie gut zustellend, macht Jens Kellers Mannschaft gegen den Ball mit leicht nach vorn geschobener Defensivlinie das Mittelfeld für den Gegner sehr schwer bespielbar. Im Gegenpressing nach Ballverlusten hingegen geht Sandhausen sehr aktiv und aggressiv zu Werke.

Ziel der Sandhäuser ist es, hauptsächlich über Umschaltspiel und schnelle vertikale Angriffe zügig und durch die Schnelligkeit der Spieler begünstigt, in Überzahl ins gegnerische letzte Drittel zu lancieren.

Beim Aufbau im Positionsspiel kippt die hängende Spitze ins Mittelfeld ab. Dann wirkt das auf Umschaltspiel gepolte 4-4-2 wie ein 4-2-3-1; dazu später mehr.

Zunächst – wie immer – die bisherigen statistischen Werte des kommenden Gegners.

Statistische Werte des SV Sandhausen

  • Ballbesitz: 46%
  • Passgenauigkeit: 79%
  • Defensive Zweikampfquote: 60%
  • Flankengenauigkeit: 31%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 11,93 (zweitniedrigste Pressingintensität der Liga)

Wie spielt Sandhausen?

Offensiv

Im Positionsspiel beim Aufbau spielt Sandhausen meistens mit einem rechtsgependeltem Verteidiger, der, um mehr Aufbauvarianten zu erlauben, auf dem Flügel nach vorne schiebt. Zu diesem Zweck kippt auch die hängende Spitze ins offensive Mittelfeld ab. Es kann daher dann der Eindruck eines 4-2-3-1 entstehen.

Gelingt der Aufbau ins Mittelfeld hinein, schiebt auch der zweite Außenverteidiger mit ins Mittelfeld vor. Nicht unbedingt um offensiven Druck aufzubauen, sondern um in Gegenpressingsituationen nach möglichen Ballverlusten auf beiden Flügeln nah genug an einem möglichen Passempfänger im Mittelfeld zu stehen, um diesem dann die Ballannahme oder -verarbeitung zu erschweren.

Im weiteren Verlauf der Positionsangriffe wird so verschoben, dass im letzten Drittel des Gegners eine asymmetrische 2-4 Formation oder auch 2-1-3 Formation zu sehen ist. Die Asymmetrie ergibt sich in beiden Fällen durch den ballfern einrückenden Mittelfeldaußenspieler. Je nach Situation abhängig von der Position des Balles im letzten Drittel, finden wir den Spieler, der die Position der hängenden Spitze bekleidet, auf einer Linie mit seinem Sturmpartner oder versetzt dahinter.

Insgesamt sehen wir im Positionsspiel eine starke Rechtslastigkeit im Spiel der Kurpfälzer. Von dieser Seite kamen bisher fast doppelt so viele Hereingaben in die Box wie von links.

Durch die Art und Weise der Spielanlage, viel über Umschaltmomente zu kreieren und das Hauptaugenmerk auf vertikales, schnelles Spiel über die Halbräume und das Zentrum zu legen, sind generell Angriffe, die im letzten Drittel noch auf den Flügeln ablaufen, im Ligavergleich nur mäßig häufig bei Sandhausen zu sehen.

Defensiv

Gegen den Ball zieht Sandhausen, wenn der Gegner im Positionsspiel ist, die vordere Linie gern weit zurück und lässt den Gegner kommen. Durch die auf mittlerem Niveau agierende Defensivlinie wird der vom Gegner bespielbare Raum sehr eng. Dadurch kreieren die Sandhäuser dann die gewünschten Umschaltsituationen, indem sie dort, wo schnelle Kombinationen gefragt sind, aggressiv attackieren.

Dringt der Gegner ins letzte Drittel der Sandhäuser ein, verteidigen die Kurpfälzer mannorientiert und effektiv die Box. So zwingen sie ihre Gegner zu vielen Schüssen von außerhalb der Box oder aus ungünstigen Positionen nahe der Sechzehnmeterlinie im Strafraum.

Stärken und Schwächen des 4-4-2 flach

Stärken

Durch die doppelt besetzten Flügel sind die kurzen Laufwege für die Mittelfeldaußen kraftschonend, was gegen Ende einer Partie entscheidend sein kann. Aus der kompakten Defensivformation mit zwei Viererketten heraus zu verteidigen, bringt für den Gegner große Probleme, überhaupt in die Box zu kommen. Von daher ist es sehr gut zur Verteidigung gegen spielstarke Teams geeignet. Auch für Mittelfeldpressing eignet sich dieses System gegen den Ball gut.

Schwächen

Bei konsequentem und hohem Pressing gegen das Positionsspiel und Gegenpressing des Gegners in Umschaltsituationen kann es wegen der tiefen Staffelung vor der eigenen Box zu Schwierigkeiten kommen, sich aus dem letzten Drittel so zu befreien, dass die Positionsangriffe zielführend sind.

Wie kann man Sandhausen knacken?

Es hört sich vielleicht wie eine Binsenweisheit an, aber den SV Sandhausen schlägt der TSV 1860 München am besten mit dessen eigenen Waffen. Wenn Sandhausen selbst das Spiel machen muss und viel Ballbesitz hat, geht die Tendenz zu Punkteteilungen oder Niederlagen. Kann Sandhausen seine Umschaltphilosophie durchziehen, sind sie schwer zu besiegen.

Was bedeutet das für die Löwen? Es klingt utopisch, aber es wäre hier wirklich wichtig, früh in Führung zu gehen und dann den Gegner kommen zu lassen. Dadurch könnten dann ebenso Umschaltmomente generiert werden, die zu Chancen führen können, sofern es gelingt, hier präzise zu spielen und schnell ins gegnerische letzte Drittel vorzustoßen, ohne dass sich die Mannschaft des SV Sandhausen wieder positionieren kann.

Schlüsselspieler

So wie der SV Sandhausen qualitativ besetzt ist, findet man kaum einen Akteur, der in deren Mannschaftsgefüge nicht als Schlüsselspieler der 3. Liga gelten könnte – speziell nach den Winteradditionen. Die beiden offensiven Österreicher Greil und Pink setzen auf den Kader des SVS noch einmal das Sahnehäubchen.

Aber sehen wir uns an, wer herausragt:

Tor

Nikolai Rehnen (#1) ist in den Top 5 der 3. Liga was die Torhüter betrifft zu finden. Er hat unwahrscheinlich gute Reflexe, mit denen er unter anderem Dresden und Aue in den vergangenen beiden Spielen schier zur Verzweiflung brachte. Der Reporter verglich ihn am Mittwochabend mit einem Handballtorhüter, als es um seine Reflexe ging. Auch sonst ist er ohne große Schwächen und ein sicherer Rückhalt der Mannschaft.

Abwehr

Jens Keller kann es sich bei seiner Kaderqualität offenbar sogar leisten, den in der Hinrunde besten Innenverteidiger des SVS seit Ende der Winterpause auf der Bank zu lassen bzw. nur kurz einzusetzen. Sollte also Tim Knipping (#4) nicht spielen, ist in der Abwehr Max Geschwill (#14) als Schlüsselspieler zu finden. Gegen den Ball hat Geschwill keinerlei Schwächen. Zudem ist er für einen Innenverteidiger relativ schnell und im Stellungsspiel sehr stabil.

Mittelfeld

Dauerbrenner Alexander Mühling (#15), vor der Saison aus Kiel gekommen, hat alle Spiele der Sandhäuser von Beginn an bestritten. Er ist das verbindende Element zwischen Offensive und Defensive. Passsicher, lauf- und dribbelstark, ist der zentrale Mittelfeldspieler das Herzstück im Aufgebot der Kurpfälzer. Lediglich im Abschluss hat er leichte Schwächen.

Sturm

Neuzugang Markus Pink (#24) hat in den zwei Spielen bisher gezeigt, was für einen guten Griff Sandhausen damit gemacht hat, den Österreicher aus China nach Europa zurückzuholen. Gegen Dresden gelang ihm der Siegtreffer, gegen Aue holte er den entscheidenden Elfmeter heraus. Auf ihn müssen die Abwehrspieler der Sechzger ebenso wie auf den anderen Neuzugang, Patrick Greil (#24), der als hängende Spitze und nicht auf seiner eigentlichen Stammposition im Mittelfeld, aufläuft. Greil kippt zwar im Aufbau immer wieder ins Mittelfeld ab und wirkt daher oft eher wie ein Schattenstürmer oder ein klassischer Zehner, die Grenzen zwischen diesen Rollen in Systemen sind allerdings sehr fließend und von daher nicht wirklich relevant. Brandgefährlich sind beide und Sandhausen hat offensiv nun noch mehr Durchschlagskraft.

Fazit

Es gilt für den TSV 1860 München gegen den SV Sandhausen, so lange wie möglich dagegenzuhalten und wenn man früh ein Tor schießen sollte, die sich dann ergebenden Umschaltmomente effektiv auszunutzen.

Am Sonntag ist entscheidend, wie die Mannschaft auftritt und nicht, wie das Ergebnis am Ende aussieht.

Selbst bei einer Niederlage, die man nicht ausschließen darf, wird es wichtig sein, ob wir Lämmer auf der Schlachtbank oder Löwen, die bis zum bitteren Ende kämpfen, gesehen haben.

Wenn die Einstellung stimmt, ist alles gut, dann wird – auch bei einer Niederlage – kein echter Fan oder Journalist oder Experte die Mannschaft oder einzelne Spieler in die Pfanne hauen.

Wir können es nicht als gegeben ansehen, dass gegen diese Sandhäuser Mannschaft Punkte oder gar ein Sieg eingefahren werden kann, selbst wenn wir zuhause spielen. Was natürlich nicht heißt, dass ich nicht darauf hoffen würde, dass die Löwen hier ein kleines Wunder vollbringen. Lübeck hat vor der Winterpause gegen Sandhausen einen Sieg einfahren können, warum sollte es den Löwen nicht ebenfalls gelingen, wenn sie mit einer kämpferischen Einstellung und gesunder Härte den Gästen am Sonntag auf die Nerven gehen?

So könnte Sandhausen beginnen

Datenquelle: Wyscout

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