Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel TSV 1860 München – VfB Oldenburg. Der Aufsteiger hat seit Saisonstart zwei Pflichtspiele gegen den SV Meppen absolviert. In der Liga trennte sich der von Dario Fossi trainierte Verein mit einem 1:1 Unentschieden von den Emsländern, im darauf folgenden Landespokalspiel wurde auswärts (!) ein 5:0 Kantersieg eingefahren.

TSV 1860 – VfB Oldenburg, dieses Spiel gab es noch nie als Pflichtspiel. Wie sehen also einer Premiere entgegen. Dario Fossi, Trainer der Elf aus dem hohen Norden, hat das 5-3-2, das bei eigenem Ballbesitz zu einem 3-4-1-2 verschoben wird, als System der Wahl für den VfB auserkoren. Beide Spiele gegen Meppen wurden in dieser Formation begonnen. Vergangene Saison war das 4-3-3 (offensiv) in nahezu allen Spielen angesagt.

Mit zehn Neuzugängen hat der VfB sich in der Sommerpause verstärkt. Darunter namhafte Drittligaprofis wie Manfred Starke (kam aus Zwickau) oder Oliver Steurer (davor in Duisburg), die beide auch schon Zweitligaluft geschnuppert haben.

Kommen wir, bevor wir uns näher mit dem Spiel der Oldenburger befassen, zu den bisherigen statistischen Werten. Diese sind nach erst einem Ligaspiel allerdings nicht wirklich aussagekräftig. Aus dem Landespokal liegen leider keine Zahlen vor.

Statistische Werte des VfB Oldenburg

  • Ballbesitz: 61%
  • Passgenauigkeit: 86%
  • Defensive Zweikampfquote: 66%
  • Flankengenauigkeit: 39%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 7,4

Wie spielt der VfB Oldenburg?

Bei eigenem Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz sind die Oldenburger ein Team, das nicht viel Zeit verliert, wenn es nach vorne geht. Der sogenannte progressive Pass (Pass für großen Raumgewinn) dominiert das Spiel nach vorne und diese Pässe kommen mit ungeheurer Genauigkeit beim Mitspieler an. 93 von 108 progressiven Pässen wurden erfolgreich gespielt. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist dabei die sehr hohe Passgenauigkeit des Torhüters der Oldenburger. Nur ein Ball, den der Oldenburger Keeper weit nach vorne spielte, kam nicht beim eigenen Mitspieler an.

Wir müssen uns also auf schnelles vertikales Spiel mit hoher Präzision einstellen, wenn Oldenburg in Ballbesitz ist.

Die beiden offensiv ausgerichteten Außenverteidiger verschieben nach Ballgewinn im Positionsspiel auf die Außenpositionen im Mittelfeld. Aufgebaut wird dann, wenn nicht der lange Ball kommt, über die Dreierkette.

Aus dem Mittelfeld schiebt der zentrale Offensivspieler mittig hinter die beiden Stürmer. Der ballnahe Angreifer geht auf die Halbposition in der vordersten Linie, während der ballferne etwas weiter außen auf seinem Flügel versucht, das Spiel breit zu machen. Durch diese Verschiebung ziehen die Oldenburger die Innenverteidigung des Gegners auseinander. Damit wird vor allem für den nachrückenden Zehner, der als Schattenstürmer agiert, Raum geschaffen.

Gegen den Ball

Gegen den Ball presst Oldenburg mit drei bis vier Spielern zunächst hoch und aggressiv. Schafft es der Gegner, die Pressingline zu überspielen, ziehen sich die Oldenburger schnell zurück und stehen mit einer 5-4-1 Formation tief in der eigenen Hälfte.

Dass die Defensivspieler des VfB auch in Puncto Härte keine Kinder von Traurigkeit sind, konnte man im Spiel gegen Meppen ebenfalls gut beobachten. Acht Fouls der Oldenburger hatten nur eine einzige gelbe Karte zur Folge. Oldenburg spielt den taktischen Kniff der defensiven Härte also auch noch intelligent aus. Es gibt viele Zweikämpfe, in denen Ball und Gegner Ziel der Defensivaktion sind.

Stärken und Schwächen des 5-3-2

Stärken

Das System ermöglicht bei Ballbesitz eine gute Staffelung in der Breite und Tiefe, dadurch kann eine für Passkombinationen gute Raumaufteilung entstehen.

Zwei Stürmer in der Spitze bringen starke Präsenz im Zentrum des gegnerischen Abwehrdrittels. Durch ein kompaktes Mittelfeldzentrum lässt man dem Gegner gegen den Ball wenig Raum.

Wenn der offensive Mittelfeldspieler im letzten Drittel noch mit in die Sturmreihe vorschiebt, entsteht ein schwer zu verteidigendes Übergewicht auf der kompletten Breite des Platzes.

Schwächen

Es ergeben sich bei Ballverlust teilweise weite Abstände, die der Gegner bei schnellem Spiel gut ausnutzen kann.

Die für die Flügelspieler langen Laufwege können in einem dynamischen Spiel mit viel Ballbesitzwechsel zu verfrühtem Kraftverlust der Außenspieler und damit zum Erlahmen des Drucks, der über die Flügel aufgebaut werden soll, führen.

Die Flügel sind nur einfach besetzt; deshalb können entweder Defensive oder Offensive dort schwächeln.

Gegen Systeme, in denen mit zwei oder mehr Stürmern agiert wird, kann es bei Kontern des Gegners oder zügigen Positionsangriffen leicht zu einer Unterzahl in der Hintermannschaft kommen.

Das starke Vorschieben des offensiven Mittelfeldspielers ermöglicht bei Umschaltmomenten noch mehr Raum für den Gegner.

Schlüsselspieler

Torhüter

Pelle Boevnik (#28) ist nicht nur ein hervorragender Torhüter, sondern wie alle niederländischen Profis auch ein exzellenter Fußballer. Seine genau gespielten und perfekt getimten Pässe nutzt der VfB Oldenburg als taktisches Mittel in der Offensive sehr gut. Boevnik spielte gegen Meppen nur einen einzigen Fehlpass. Das war ein langer Ball von knapp außerhalb des eigenen Strafraums bis in den gegnerischen Sechzehner. Alle anderen Pässe – ob kurz oder lang – kamen gegen die Emsländer beim Adressaten an. Auch die gute Strafraumbeherrschung, seine Reflexe, sowie das Timing des 1,90 großen Torhüters bei Standards sind erwähnenswert. Leichte Schwächen hat Boevnik im Eins gegen Eins.

Abwehr

Oliver Steurer (#32), der oben bereits erwähnte Abwehrchef, dürfte allen ein Begriff sein. Der extrem zweikampfstarke Innenverteidiger verliert kaum ein defensives Kopfballduell und ist obendrein auch in der Spieleröffnung ein wichtiges Element. Nahezu jeder von hinten aufgebaute Positionsangriff läuft über Steurer. Sein größtes Manko ist die fehlende Geschwindigkeit. In Laufduellen zieht er gerne mal den Kürzeren.

Mittelfeld

Ob Neuzugang Manfred Starke (#6), der gegen Meppen in der Liga erst in Überzahl eingewechselt wurde, dann jedoch den Ausgleichstreffer markierte, nun fit genug ist, um von Beginn an aufzulaufen, weiß ich nicht, gehe aber davon aus. Im Landespokal spielte er 69 Minuten und bereitete einen Treffer vor. Über die Qualitäten des Nationalspielers aus Namibia brauchen wir, denke ich, keine großen Worte verlieren. Er ist ein ausgebuffter Profi, der am Ball alles kann, ein gutes Auge für sich öffnende Räume hat und obendrein mit überaus präzisen Pässen und Torgefahr glänzt. Ein typischer moderner Zehner auf hohem Drittliganiveau.

Sollte Starke nicht von Beginn an spielen können, steht mit Rafael Brand (#7) ein gelernter Rechtsaußen parat, um auf dieser Position in die Bresche zu springen. Je nach Spielverlauf dürfen wir uns aber sicher sein, dass Starke früher oder später zum Einsatz kommen wird.

Sturm

Sowohl der 33-jährige Mannschaftskapitän Max Wegner (#9) als auch der 22-jährige Jungprofi Kebba Badjie (#24), der im Sommer von der Weser an die Hunte wechselte, sind nicht zu unterschätzende Stürmer. Während Wegner ein typischer Mittelstürmer mit Torriecher ist, spielt Linksfuß Badjie seine Technik aus und versucht sich eher als Vorbereiter. Sobald das Zusammenspiel dieser beiden automatisiert ist, kann hier eine Torfabrik entstehen, deren Entwicklung sehr interessant sein dürfte. In Ansätzen hat man das vor zwei Wochen durchaus schon sehen können.

Fazit

Mit dem von allen Verantwortlichen propagierten Aufstieg als Ziel, kann es für den TSV 1860 München im Spiel gegen den Aufsteiger VfB Oldenburg nur heißen: “Ein Sieg ist Pflicht.” Dass solche Pflichtsiege nicht auf der Straße liegen oder vom Himmel fallen, dürfte nach dem holprigen Beginn der Hinrunde der vergangenen Saison allen Beteiligten und Verantwortlichen bekannt sein.

Erinnern wir uns: Zuerst ein knapper Sieg gegen einen Absteiger (Würzburg), danach Sand im Getriebe gegen viele Mannschaften – vor allem in Heimspielen.

Den knappen Sieg gegen den Absteiger hätten wir in Dresden schon mal eingefahren. Nun dürfen wir gespannt sein, wie es weitergeht.

Dieses Jahr muss der Saisonstart auf alle Fälle besser werden. Nicht mit voller Konzentration zu Ende gespielte Partien darf man sich als selbsternannter Mitfavorit um den Aufstieg nicht erlauben.

Auf dem Papier sind die Löwen auf jeder Position besser besetzt. Mit Kampf und Willen kann aber der Underdog VfB Oldenburg sicherlich ein Ärgernis für den TSV 1860 werden. Tritt Oldenburg gegen den Ball so auf wie gegen Meppen, müssen die Spieler des TSV 1860 München die Zähne zusammenbeißen und dagegenhalten. Wenn das funktioniert, klappt es auch mit dem Sieg.

Die starke Offensive unserer Löwen wird den VfB sicherlich vor größere Aufgaben stellen als Meppen es vermochte.

Ich bin äußerst zuversichtlich, dass am Samstag nach Abpfiff drei Punkte mehr auf dem Konto des TSV 1860 stehen als vor dem Spieltag.

So könnte der VFB Oldenburg beginnen

Datenquelle: Wyscout

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Chemieloewe

Also, so zuversichtlich bin ich noch nicht wie Bernd. Dazu kenne ich die Stärken u. Schwächen vom VfB Oldenburg nich zu wenig, weiß aber, dass unsere Taktik, die Köllner wählt, auch schnell mal uneffektiv ist u. nicht passen kann. Dazu habe ich aus meiner Sicht unsere Defensive häufig als noch zu leicht schwächelnd, anfällig, durcheinander u. ungeordnet empfunden. Für mich noch eine große Baustelle u. ein Risikofaktor, Spiele zu verlieren, wenn wir nicht 3…4 Tore schießen. Denn unsere Gegner bekommen in unserer Defensive zu viele gute Torgelegenheiten, die schnell zu Gegentoren führen können. Deshalb bin ich vorsichtig mit meinen Erwartungen, obwohl auch ich mir berechtigte Hoffnungen auf einen Sieg morgen mache.

Im Übrigen wieder ein klasse Taktiktafel-Beitrag von Bernd Winninger!👍👏Das hat schon was!

Last edited 1 Jahr zuvor by Chemieloewe
Vorstopper

Wird wohl eine zähe Angelegenheit, aber wenn wir in der 80 Minute das 1:0 machen, bin ich zufrieden.

Chemieloewe

👍…dann aber kein/e Gegentor/e mehr fangen, das 1:0 ins Ziel bringen u. vielleicht noch 1…2 weitere Tore schießen. Dann wäre 1 Gegentor auch noch zu verkraften.😉
Aber früher 1…2…3…Tore zu erzielen, wäre mir schon viel lieber, als eine nervenaufreibende Herzschlag-Zitterpartie bis zum Schluss, vorausgesetzt, Oldenburg drückt uns nicht 2…3…4…Dinger rein.

Last edited 1 Jahr zuvor by Chemieloewe