„One year ago. Ein Jahr wie eine Ewigkeit…“ Mit dieser Textzeile beginnt ein Song von Falco aus dem Jahr 1986, der sich im Herbst dieses Jahres zwei Wochen lang auf Platz 1 der deutschen Single-Charts befand. Vor einem Jahr empfing der TSV 1860 den Chemnitzer FC. Der Titel des besagten Liedes – und darin liegt dann gleich ein in die Zukunft gerichteter Wunsch – lautet: Coming home.
Der 29. Februar – kein Tag wie jeder andere
Es ist vielleicht kein Zufall, dass der letzte Auftritt des TSV 1860 München vor eigenen Fans im Sechzgerstadion an einem Tag stattfand, den es nur alle vier Jahre gibt. Für die meisten Anhänger in weiß und blau war der 29. Februar 2020 ein denkwürdiger Tag. Der Tag, an dem sie – die Jena-Fahrer einmal ausgenommen – zum letzten Mal ihre geliebten Löwen live im Stadion unterstützen durften. Da es diesen Tag im Jahr 2021 naturgemäß nicht gibt, ist formal also heute der Jahrestag des letzten Auftritts von Sechzig vor Zuschauern auf Giesings Höhen.
Gewiss kein Zufall ist es, dass ausgerechnet dieses letzte Heimspiel für sehr lange Zeit, deren Ende aktuell auch noch gar nicht absehbar ist, eine Dramaturgie bereithielt, die ihresgleichen sucht. Schließlich ist es immer noch der verrückte und unberechenbare TSV 1860, dem wir anhängen.
Die Vorgeschichte
Versetzen wir uns ein Jahr zurück: Es ist ein vorfrühlingshafter Samstagnachmittag. Nach ein paar kälteren Tagen ist das Thermometer in München wieder auf angenehme 16 Grad gestiegen und 15.000 Fußballanhänger finden sich erwartungsfroh an der Grünwalder Straße ein. Der Gast, der Drittligaaufsteiger aus Sachsen liegt mit 31 Punkten knapp vor der Abstiegsregion, die Löwen mit fünf Punkten mehr auf dem 9. Tabellenplatz. Seit dem Einstieg von Trainer Michael Köllner ist das Team des TSV 1860 in zehn Spielen ungeschlagen geblieben, hat aber im heute zu Ende gehenden Februar noch nicht gewonnen, sondern viermal Unentschieden (zuletzt dreimal 1:1) gespielt. Heute soll es wieder mal mit einem Dreier klappen!
0:2, 3:2, 3:3 – und dann pure Extase!
Die Ernüchterung läßt jedoch nicht lange auf sich warten: Um 14:37 Uhr erzielt ein gewisser Erik Tallig bereits das 0:2 und die Löwen scheinen an diesem Nachmittag erstmals unter dem neuen Coach auf der Verliererstraße. Dann erzielt Stefan Lex kurz vor dem Pausenpfiff den Anschlusstreffer und bei den Fans keimt wieder Hoffnung, dass man dieses Spiel vielleicht doch noch zu den eigenen Gunsten entscheiden kann. Die zweite Halbzeit stürzt alle im Stadion Anwesenden in ein emotionales Wechselbad. Druckvoll kommt das Team in den weißen Trikots aus der Kabine und auch schnell zur Führung: Ein Doppelschlag in den Minuten 56 (Foulelfmeter Gebhart) und 58 (Sascha Mölders) bringt die Löwen in Front – für kurze sieben Minuten. Denn dann erzielt der ehemalige Löwen-Amateur Philipp Hosiner nach einem Alleingang eines seiner 19 Saisontore und läßt wieder den CFC samt mitgereistem Anhang in der Ostkurve jubeln.
25 Minuten lang sieht es nach dem fünften Unentschieden in Serie aus, dann kommt der Moment von Prince Owusu: Stefan Lex tritt bereits am Ende der angezeigten Nachspielzeit die letzte Ecke des Spiels von der rechten Seite. Die Nummer 21 der Löwen steigt am Fünfmeterraum am höchsten und köpft den Ball wuchtig in die linke Ecke. Was sich anschließend abspielt ist mit Worten kaum zu beschreiben.
Deswegen haben wir auch ein Video davon für Euch. Drei Minuten zum genießen:
Was würden wir dafür geben…?
Im Rückblick und mit der Distanz von einem Jahr wirkt die zweite Halbzeit und das furiose Finale dieses Spiels an jenem 29. Februar 2020 wie eine lange geplante Abschiedsparty, deren Bestimmung zu diesem Zeitpunkt nur noch keiner ahnte. Letzten Freitag stieg bereits das 22. Geister-Pflichtspiel der Löwen auf Giesings Höhen. Die Rückschau auf ein – aufgrund der wenig später alles dominierenden Pandemie – bedeutendes Spiel in der Löwenhistorie schließt mit einem weiteren Zitat aus dem eingangs schon zitierten Song des Popgiganten aus Österreich. Diesem geringfügig modidizierten Satz können sich sicher alle Leser uneingeschränkt anschließen: „I would give anything to see Sechzig again…“