Seit Wochen fliegen in fast allen Stadien der Republik Tennisbälle auf den Rasen, es gibt Spiel-Unterbrechungen noch und nöcher. Die Konferenz-Übertragungen auf Sky enden, obwohl mehrere Spiele noch nicht beendet sind. Der Grund dafür sind die Proteste der Fans, die einen Investoren-Einstieg ablehnen, der durch eine umstrittene und geheime Abstimmung auf DFL-Seite möglich gemacht werden sollte. Acht Prozent an einer Vermarktungsgesellschaft sollten an einen externen Bieter vergeben werden, möglichst zum Preis von etwa 1 Milliarde Euro. Blackstone hat sich bereits zurückgezogen, als letzter möglicher Bieter scheint CVC im Rennen zu sein, die Zeichen deuten nun aber auf eine Neuabstimmung. Was die DFL-Proteste mit den Löwen zu tun haben? Dazu später mehr…

Fan-Proteste werden immer kreativer

Am vergangenen Wochenende machten die Fans mit immer kreativeren Aktionen ihrem Unmut Luft: Bislang flogen oft nur Tennisbälle oder Schoko-Taler auf das Spielfeld. Nun sind es ferngesteuerte Autos mit integrierten Rauchtöpfen wie beim Spiel zwischen Hansa Rostock und dem Hamburger SV. Beim Duell zwischen dem SC Freiburg und Eintracht Frankfurt kreisten gar Miniatur-Flugzeuge über dem Spielfeld. Die Fans des 1. FC Nürnberg stürmten beim Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern hingegen den Innenraum und verließen diesen nach Gesprächen mit den Offiziellen aber auch wieder sehr geordnet. Damit zeigen die Fans klare Kante, die Kernaussage der Proteste: Der Fußball gehört den Fans!

Unattraktive Spielzeiten zu Lasten der eigentlichen Fans

Dass die DFL nicht nach Wunsch der Fans sondern schlichtweg aus Profit-Interesse agiert, sollte inzwischen allen klar sein. Die Spielzeiten wurden aufgebläht, sodass der Couch-Zuschauer möglichst viele Partien im (Bezahl-) Fernsehen verfolgen kann. Die Folgen für den eigentlichen Fan, der sein Team Woche für Woche live im Stadion verfolgt, werden dabei außen vor gelassen. Dieses Vorgehen kann auch 1:1 auf die 3. Liga abgebildet werden. So wurden beispielsweise beide Duelle zwischen dem VfB Lübeck und dem TSV 1860 München an einem Dienstagabend um 18:60 Uhr angepfiffen bei der wohl längsten Anreise innerhalb der Liga.

Wer braucht Spiele am Sonntagabend?

Am Sonntag mussten die Löwen zuletzt zur Unzeit um 19:30 Uhr gegen Halle ran. Das kann nicht im Interesse der Fans sein, außer wir wollen uns englischen Verhältnissen annähern, wo sich der Normalbürger ein Ticket nicht mehr leisten kann und Fan-Gruppierungen nicht erwünscht sind – ganz zu schweigen von Gäste-Gruppen.
Dies gilt es zu verhindern, denn: Der Fußball gehört den Fans!

Was bezweckt der Vermarkter damit?

Unterscheiden muss man dabei zwei Arten von Fans: Die Zuschauer, die ihr Team Woche für Woche lautstark in ganz Deutschland unterstützen und hunderte, wenn nicht tausende Euro an Kosten in Kauf nehmen, um ihrem Team zu folgen. Diese Fans sind es, die Fußball zum Erlebnis machen und die den Unterschied ausmachen. Beispielsweise zwischen dem Grünwalder Stadion und der Arena auf dem Müllberg im Münchner Norden. Schließlich gehört die Atmosphäre im Stadion mit zum Gesamtpaket, das die Pay-TV-Sender dem Couch-Konsumenten verkaufen. Und wer schafft diese Atmosphäre? Richtig: die Fans. Mir stellt es immer wieder die Nackenhaare auf, wenn ich TV-Kommentatoren sagen höre: “Jetzt reicht es aber wieder mit den Protesten, wir wollen schließlich Fußball sehen…”. Humbug! Ohne Fans kein Fußball und ohne Atmosphäre keine TV-Gelder. Sägt nicht an dem Ast, auf dem ihr sitzt liebe Kommentatoren!

Wer ist der wahre Fußball-Fan?

In der unter Wildmoser erbauten Schüssel im Norden tummelt sich vermehrt die Art Zuschauer, die man als “Kunden” bezeichnen kann. Einmal im Jahr im Stadion für ein kurzes Insta-Video, schnell noch ein Trikot vom neuen Star, der eine Saison später ohnehin für eine spanische, italienische oder gar saudi-arabische Mannschaft aufläuft. Andere Spiele werden daheim vor dem TV verfolgt, wenn man denn Lust und Zeit dazu hat. Sonst tut es auch die Sport-App auf dem Handy. Das ist wohl diese “schweigende Mehrheit” wie sie gerne auf einem Löwen-Blog bezeichnet wird, aber das ist nicht die Gruppe, die den Fußball besonders macht. Denn das sind die Fans die jede Woche bei Wind und Wetter in der Kurve stehen! Der Fußball gehört den Fans!

Was die DFL-Proteste mit den Löwen zu tun haben

Was der Einstieg eines Investors an Folgen nach sich zieht, das zeigt der TSV 1860 München. Näher auf die Probleme und Differenzen einzugehen, erübrigt sich an dieser Stelle. Inzwischen haben sich zwei Lager gebildet, die man wohl kaum noch vereinen kann: Die Fans in der Kurve, die auf der Seite des e.V. stehen und die Anhänger, die sich auf der Seite des Investors aus dem Nahen Osten versammelt haben. Das Für und Wider kann man sich hier ersparen, die Spaltung der Anhänger ist aber offensichtlich. Was ist mir als Anhänger wichtig: Will ich mein Team im Stadion unterstützen oder alle paar Wochen im schicken Trikot auf der heimischen Couch zuschauen? Ich bin der Meinung, dass erstere Gruppe Vorrang hat, denn: Der Fußball gehört den Fans! Und die Fans machen die Spiele erst zu dem was sie sind: Ein atmosphärisches Erlebnis!

Investoren-Clubs mit Zuschauer-Problemen

Blickt man wieder in die Bundesliga, so fällt auf, dass in mehreren (hochmodernen) Arenen diese Fans weitgehend fehlen. In Hoffenheim, in Wolfsburg oder in Leipzig bleiben immer wieder viele Sitzschalen leer. Warum? Ganz einfach, wenn man in Leipzig durch die Stadt läuft wird man vergeblich nach einem Trikot des Clubs unter Regie eines österreichischen Brauseherstellers suchen. Für die Leipziger gibt es nur zwei Clubs: Chemie und Lok. Die Duelle in der vierten (!) Liga sind immer wieder ausverkauft und stimmungstechnisch wohl weit vorne bei dem, was der Deutsche Fußball zu bieten hat.

Kein Interesse am Brause-Team

Zu Rasenballsport Leipzig geht der Event-Zuschauer – ähnlich wie in München. Wobei man bei allen Differenzen mit dem ungeliebten Konkurrenten aus der Seitenstraße nicht verschweigen darf, dass auch die Roten eine durchaus ansehnliche Schar an “echten” Fans haben. Diese reisen aber zum Teil nur noch zu Auswärtsspielen, das Event im heimischen Rund mit Bayern3-Rundum-Beschallung tut man sich schlichtweg nicht mehr an. Denn der “echte” Fußball gehört den Fans!

Fans fühlen sich vom Investor verraten

Solch zukunftsweisende Abstimmungen, wie die über den Einstieg eines Investors nicht-öffentlich und geheim vorzunehmen ist eine Farce. Welchen Zweck verfolgt man damit? Den Zweck der Geheimhaltung und selbst das klappt nicht. So stimmte Hannovers Investor Kind wohl entgegen den Wünschen seines Clubs für einen Investoren-Einstieg. Die Fans nehmen es mit Humor. Ein Plakat der Hannoveraner sorgte kürzlich für Schmunzeln: “Diese Spielunterbrechung wird ihnen präsentiert von Kind Störgeräte!” stand darauf zu lesen. Wenn sich die Fans vom Investor im eigenen Club verraten fühlen: Falls dies jemandem bekannt vorkommt – ja genau wie bei den Löwen… Wer war es denn der die Abstimmung über die wichtige 50+1-Regel mit einem Befangenheitsantrag blockierte? Richtig, der Investor. Aber auch er musste erkennen: Der Fußball gehört den Fans!

Stimmungsmache auf beiden Seiten

Natürlich ist es legitim, dass man sich im Löwen-Umfeld einen gepflegten Umgang aller Anhänger des Clubs untereinander wünscht. Davon träumen viele, aber die Lager sind leider inzwischen zu gespalten. Dass es oft sogar an den Grundtugenden des vernünftigen Miteinanders und dem Unterlassen von Beleidigungen mangelt, ist ein trauriger Nebeneffekt. Wohl leider Normalität in der heutigen schnelllebigen und oftmals in ihrer virtuellen Realität lebenden Gesellschaft.

Wer ist der Vater des Erfolgs?

So erfolgreich die Löwen momentan kicken, so intensiv wird gestritten, wem man dies zu verdanken hat. So oft die eine Seite betont, dass die Neubesetzungen des Trainer- und der beiden Geschäftsführer-Posten Ruhe in den Verein gebracht hat, so oft betont die andere, wie toll sich doch nun die Neuzugänge der Transfer-Periode unter Jacobacci/Pfeifer jetzt entwickeln. Auch hier hat beides seine Berechtigung: Es wurden damals durchaus gute Spieler verpflichtet, die nun unter einem Trainer Giannikis erstmals ihr Potenzial abrufen, was unter Jacobacci nur äußerst selten gelang. Was das bringt: Nichts, außer weiterer Spaltung! Aber ändern werden wir es nicht können, dafür sind die Gräben bereits zu tief. Dennoch wäre es wünschenswert, dass wenigstens alle Löwen ihr Team unterstützen und ebenso die Proteste der deutschlandweiten Fan-Szene fast aller Clubs, die fordern: Der Fußball gehört den Fans!

Ohne Sponsoren geht es auch nicht

Ohne Sponsoren geht es nicht, das ist klar, aber was passiert wenn Investoren zu viel Einfluss bekommen, sieht man an vielen Ecken und Enden. Und wer hat bitte Lust auf einen Super-Cup in Saudi-Arabien, Spiele am Sonntagvormittag um 9 Uhr – für die Fans in Asien. Oder vielleicht eine Pokalrunde in den USA? Richtig: niemand – zumindest niemand, der sich den Titel “Fan” verdient hat und seine Mannschaft live im Stadion sehen will!

Appell an die Fans: Unterstützt die Proteste

Darum liebe Löwen-Fans – egal welcher Seite und welcher Gesinnung – lasst die internen Themen mal für ein paar Wochen außen vor und unterstützt die Fanproteste gegen die DFL, sonst könnte es bald zu spät sein! Und ganz nebenbei: Die Ruhe an der Grünwalder Straße würde auch allen gut tun, freuen wir uns doch einfach mal an den Erfolgen der Mannschaft, wie das 1:0 gegen Halle am Sonntag, und kämpfen wir an der Seite vieler anderer gegen den Einstieg eines Investors in und durch die DFL. Denn:
Der Fußball gehört den Fans und das muss unbedingt auch so bleiben!

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Kraiburger

Aus, aus, das Spiel ist aus!

Die Fans sind Weltmeister!

Präsidium der DFL führt Partnerprozess nicht weiter | DFL Deutsche Fußball Liga

Kraiburger

Die Sendung “hart aber fair” am Montag zu diesem Thema war ausgesprochen gut!

Persönlich habe ich noch niemanden getroffen, der gesagt hat dass er uneinheschränkt für diesen Deal ist.

Persönlich finde ich aber die aktuelle Situation deshalb sehr gut, weil es endlich mal zeigt dass Fanproteste etwas bewirken.

Die DFL steht unter enormem Druck und es wird noch sehr interessant.

1860forever

sehr gut geschrieben

Magic

“Natürlich ist es legitim, dass man sich im Löwen-Umfeld einen gepflegten Umgang aller Anhänger des Clubs untereinander wünscht. Davon träumen viele, aber die Lager sind leider inzwischen zu gespalten.” … dies sollte man aber nicht so hinnehmen, sondern es sollte sich jeder an die eigene Nase fassen und andere Meinungen akzeptieren … schließlich sind wir alle Löwen. Ich bin seit 50 Jahren Fan, aber so schlimm wie aktuell war es noch nie. Hier sollten auch beide Blogs an ihre Leser appellieren.

Alexander Schlegel

Da ich in etwa auch so lange schon die Löwen verfolge, meine Einschätzung: An so eine Spaltung kann ich mich noch gar nicht erinnern. Es gab unter Wildmoser schon große Kontroversen, aber das drang nie so an die Oberfläche wie der Konflikt heute.

Aber es ist einfach nicht wahr, dass hier beide Blogs mit denselben Bandagen kämpfen. Lies doch bitte Artikel und Kommentare bei DB24 in Ruhe durch und vergleiche das noch mal objektiv mit hier. Da ist ein himmelweiter Unterschied. Hier taucht sicherlich mal der eine oder andere sarkastischer Kommentar auf, aber dass hier üble Beleidigungen ausgestoßen werden, ist die ganz große Ausnahme und bei DB24 nahezu trauriger Alltag. Hier geht man auf die andere Meinung ein, drüben wird man im Normalfall nur blöd angemacht.

Das kann man nicht vergleichen.

Kraiburger

Reg dich nicht auf.

Es ist die alte Hufeisentheorie: “Wir haben zwei ausgewogene Lager. Wenn also ein Lager Scheiße von sich gibt, müssen wir dem anderen Lager unterstellen das selbe zu tun, sonst könnten wir ja nicht behaupten dass die Lager ausgewogen wären!”

Alexander Schlegel

Ich rege mich da gar nicht auf, das ist ja die Lesart, die auch immer wieder von den Journalisten so aufbereitet wird, zuletzt im BR wieder. Ich kann natürlich keine konkreten Zahlen auftischen, aber die Ismaik-Blase ist viel, viel kleiner, als in sie in der Öffentlichkeit gehandelt werden. Wenn dem nicht so wären, hätten sie ja schon längst ihre Leute in die Gremien des e.V. hineinwählen lassen. Aber da passiert ja seit Jahren gar nichts, was nur eben jenen Schluss zulässt, dass das ein ziemlich kleiner, aber umso lauterer Kreis ist, mit einigen Häuptlingen und vielen Nachplapperern innerhalb der DB24-Blase.

Alexander Schlegel

Glaubst Du ernsthaft, Thomas, dass die Ismaik-Jünger diesen intellektuellen Spagat hinbekommen, gegen den DFL-Investor zu protestieren und dem vor der eigenen Haustür weiter zu huldigen? Das halte ich für nahezu ausgeschlossen.

Alexander Schlegel

Natürlich, da will ich Dir auch gar nicht widersprechen. Jede “gerettete Seele” ist wichtig. Nur müsste ja jeder Ismaik-Anhänger sofort ins Grübeln geraten, warum der eine gut und der andere schlecht sein soll. Aber das ist wahrscheinlich auch Dein Kalkül dahinter, nehme ich mal an … 😉

Kraiburger

Was auch nicht übersehen werden darf ist, dass die kolpotierte 1 Millarde Euro aus den Töpfen der Saudi-Araber nur über die 36 DFL-Mitglieder ausgeschüttet werden soll. Jeder, der klar bei Verstand ist sollte erkennen, dass die bestehende Schere zur dritten Liga dadurch noch größer wird.

Das allein ist schon ein vollkommen eigennütziger Grund, weshalb wir bei Sechzig dagegen sein sollten.

Insgesamt bleibe ich aber bei der These, dass der Grund für das derzeitig aggressive Auftraten unseres Investors mitunter in dieser Investorendiskussion zu suchen ist: Jeglicher potentieller Geldgeber weltweit blickt doch mit großem Interesse auf die Einflussmöglichkeiten, die man hierzulande nehmen kann. Da steht Ismaik schon auch unter Druck um diesen Einfluss nach außen hin darzustellen.

Alexander Schlegel

Sehr gelungener Artikel! 👍

Groeber

Volltreffer!

Baum

Genau so. Wunderbar geschrieben! 👏

Einsnuller

Sehr guter Artikel. Da steht alles drin, was man wissen sollte.