Habt Ihr den gestrigen Hl. Abend gut rumgebracht? Und? Schon wieder auf Fußball-Entzug? So ein Match am 1. Weihnachtsfeiertag wäre doch gar nicht so falsch, oder? Heute vor 80 Jahren stand sogar ein Meisterschaftsspiel auf dem Programm und der TSV 1860 gewann bei Wacker München mit 3:2.
Fußball in Kriegszeiten
In der Sportbereichsklasse München-Oberbayern wurde am 1. Weihnachtsfeiertag des Jahres 1944 der 10. Spieltag absolviert. Schon Wahnsinn, dass in Kriegszeiten dem Fußball bereits so eine zentrale Rolle zur Unterhaltung der Menschen zukam.
So auch heute vor 80 Jahren, als Wacker München am Sportplatz Neuhofer Berg den TSV 1860 empfing. Die Löwen, zwei Jahre zuvor Sieger des gesamtdeutschen Pokalwettbewerbs, kamen als Favorit – und wurden dieser Rolle auch gerecht.
Am Ende der Saison landeten die Löwen auf Platz 2, allerdings deutlich distanziert vom FC Bayern, der ungeschlagen und mit nur einem Verlustpunkt die Liga dominierte.
TSV 1860 siegt bei Wacker München
Die Blausterne leisteten jedoch heftige Gegenwehr und schnupperten an der großen Überraschung. Nach einer guten halben Stunde ging Wacker gar in Führung, doch Glas glich noch vor der Pause für Sechzig aus.
Nach dem Seitenwechsel kam erneut Wacker zunächst besser ins Spiel und erzielte das 2:1. Doch auch diesmal fand 1860 eine passende Antwort. Eckerl traf zum erneuten Ausgleich und sieben Minuten vor dem Ende sorgte Pledl per Elfmeter sogar noch für den Auswärtssieg der Löwen.
Die Aufstellung der Löwen
Leider ist heute nicht mehr nachvollziehbar, welche Elf Trainer Dr. Max Schäfer am 25.12.1944 aufbot. Lediglich der Einsatz der Spieler Ertl, Pledl, Eckerl, Nikolov (im Titelbild rechts) und Glas gilt als gesichert.
Tore:
1:0 Bäcker (31.), 1:1 Glas (??.), 2:1 Gruner (??.), 2:2 Eckerl (??.), 2:3 Pledl (83., Elfmeter)
Die Daten sind einmal mehr dem Löwen Kompendium von Thorsten Ruinys entnommen.
PS: noch, habe ich unterschlagen, VR Nicolai Walch, ein wirklicher Vertreter unseres Vereins, hat heute Geburtstag.
Herzlichen Glückwunsch
Schon mehr oder weniger Wahnsinn, dass so kurz vor Kriegsende noch Fußball gespielt wurde. Und was mich auch wundert, dass die Fußballer nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Weiß da jemand mehr dazu?
Ansonsten wünsche ich der fleißigen Sechzger.de-Redaktion und allen Stammlesern hier eine frohe Weihnachtszeit!
Da würde mich auch einiges interessieren. Wir waren ja zu der Zeit ein ziemlich brauner Haufen, Juden wurden rausgeschmissen noch bevor das Pflicht wurde etc. Könnte mir vorstellen, dass etliche Spieler vom Kriegsdienst befreit wurden, so als stramme Nazis. Vielleicht gibt es bei der Abteilung Vereinsgeschichte mehr dazu. Meines Wissens haben die zu diesem Thema sogar ein Buch aufgelegt. Vielleicht weiß jemand in der Redaktion, oder unter der Leserschaft genaueres?
Schöne Feiertage noch in die Runde.
Im Wesentlichen bestanden die Mannschaften zu diesem Zeitpunkt aus Kriegsheimkehrern oder Soldaten auf Heimaturlaub. An ordentlichem Ligabetrieb war zu dieser Zeit gar nicht mehr zu denken. Die Spiele dienten eher als Ablenkung vom Kriegsalltag.
Vom Kriegsdienst wurde wegen Fußball zu der Zeit niemand mehr befreit. Da hat sich auch der Reichstrainer die Zähne ausgebissen. Und wegen des Andienens an die Nazis muss man sagen, dass 1860 ja nun nicht der einzige Verein war, bei dem das so lief, sondern einer von vielen, wenn auch zu Beginn einer der eifrigsten und vorauseilendsten. Insofern bestanden da auch keine großen Vorteile, wenn, dann konnte man Beziehungen nutzen um von den Spielern, die gerade in Deutschland waren auf Urlaub oder weil sie berufs- oder studiumsbedingt uk. gestellt waren, die Besseren zu bekommen.
Aber wie gesagt, wegen Fußball allein wurde niemand vom Krieg befreit. Das ging maximal bis zum Ostfeldzug 1941, aber da auch nur vereinzelt und wenn, dann auf Ansuchen des DFB bzw.des Reichstrainers und mit einigen Klimmzügen.
Ende 1944 war NS-Deutschland gerade im Begriff, zusammenzubrechen. Da war die Organisation von Fußballspielen ganz weit hinten auf der Prioritätenliste. Nur, weil es eine gewisse Normalität suggerierte und damit den Durchhaltewillen förderte, ließ man es überhaupt zu.
Viele gute Gedanken dabei, wobei ich mir jetzt nicht vorstellen kann, dass ein NS- oder SS-Mitglied es sich zu der Zeit erlauben konnte, einfach dem Krieg fernzubleiben. Da mich das jetzt auch richtig interessiert, werde ich mal in den nächsten Tagen einen dicken Schmöker zur Geschichte unserer Löwen heranziehen. Vielleicht steht da ja noch etwas Erhellendes drin.
Die “Löwen” unterm Hakenkreuz: Der TSV von 1860 München im Nationalsozialismus
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