Im Hinblick auf die bevorstehende Wahl des neuen Verwaltungsrats im TSV München von 1860 e.V. auf der Mitgliederversammlung am 16. Juni im Zenith) haben wir alle 24 Kandidierenden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen. Um den wahlberechtigten Mitgliedern (und natürlich auch allen anderen interessierten Löwenfans) die Positionen der zur Wahl stendenen Personen vorzustellen. Erfreulicherweise sind 20 Fragebögen ausgefüllt zurück gesendet worden.
Wir veröffentlichen diese unkommentiert in alphabetischer Reihenfolge. Hier kommt der Fragebogen von Robert von Bennigsen.
Ich bewerbe mich als Verwaltungsrat, weil…
von Bennigsen: …ich die vor Jahren begonnene Stabilisierung und Weiterentwicklung des e.V. als noch nicht abgeschlossen betrachte und weiter mitwirken will, seine Strukturen weiter zu verbessern, das bestehende Sportangebot für mehr Münchner und Bürger der angrenzenden Region zu verbreitern und attraktiver zu machen. Dies können Verwaltungsräte, die ein Herz für den Breitensport-Verein haben, in dem Menschen aller Hautfarben, Geschlechter und auch mit Beeinträchtigungen Angebote finden, gemeinsam Spaß haben, eine Gemeinschaft formen und eine weitere Heimat finden. Der Profisport hat dabei die überragende Rolle, den Verein zusätzlich bekannt zu machen und zu unterstützen. Meine Erfahrungen als Verwaltungsrat will ich dazu gerne weiter einbringen.
Welche Dinge hat der Verwaltungsrat in den letzten drei Jahren gut gemacht?
von Bennigsen: Der bisherige Verwaltungsrat hat dazu bereits maßgeblich beigetragen. Er hat die Gemeinnützigkeit gesichert sowie die finanzielle Unabhängigkeit des e.V. von der KGaA erreicht und so die Gefahr gebannt, in einen Strudel einer Insolvenz der KGaA hineingezogen zu werden. Er hat zusammen mit dem Präsidium und den Abteilungsleitern und allen Mitarbeitern des e.V. die Grundlagen für Rekordmitgliederzahlen geschafft und das Angebot um attraktive Sportarten erweitert.
Außerdem hat es der Verwaltungsrat geschafft, endlich sachlich, ruhig und konsequent, verschwiegen und in größtem Einvernehmen zu arbeiten. Er hat die Informationen seiner Vertreter in den Gremien der KGaA über die dortigen Vorgänge vertraulich behandelt, nicht an die Öffentlichkeit getragen und die Entscheidungen – soweit dafür zuständig – in großer Geschlossenheit getroffen. Dies gilt auch für seine Kontroll- und Beratungsfunktion für die aus dem e.V. dort in Gremien tätigen Personen.
Welche Dinge hätte der Verwaltungsrat besser machen können?
von Bennigsen: Wenn noch die Entscheidung, 2011 einen Mitgesellschafter aufzunehmen, wegen der drohenden Insolvenz auch für den e.V. richtig und alternativlos war, so war es ein Fehler, in der Folgezeit dem Mitgesellschafter nicht noch entschlossener entgegengetreten zu sein, um die heutige wirtschaftliche Lage der KGaA und die Zerrissenheit unseres Umfelds zu verhindern. Die Vorgehensweise des Mitgesellschafters u.a. in der Saison 2016/17 und sein Auftreten und das seiner Vertreter, die auch sonst in ihrer Form nicht zu unserem Löwenumfeld passen, darauf haben wir leider keinen Einfluss.
Was die Interessen des e.V. betrifft, haben wir unsere Aufsichts- und Kontrollfunktionen stets umsichtig ausgeübt. Ich persönlich hätte mir dabei mehr Transparenz für die Vereinsöffentlichkeit gewünscht. Durch den Kooperationsvertrag war dies aber nicht so einfach möglich.
Mit welchen Aktivitäten/Projekten haben Sie sich in der Vergangenheit beim TSV 1860 München e.V. bereits eingebracht?
von Bennigsen: Vor und nach Beginn meiner Aufsichts-/Verwaltungsratstätigkeiten habe ich an der Begebung der Fananleihe mitgewirkt und habe für das e.V.-Präsidium die Konzeption einer Großspenden-Kampagne entwickelt sowie in deren Auftrag ein Projekt vorbereitet, das in Bayern Schul- und Vereinskooperationen zum Ziel hatte. Die Vorlagen für die beiden letzteren können jederzeit umgesetzt werden.
Ich habe die Inklusionssportabteilung initiiert und zu realisieren geholfen. Außerdem habe ich mitgeholfen, einen ständig erneuerten umfassenden Manager-Versicherungsschutz für die im Verein tätigen Präsidenten, Verwaltungsräte und weitere Verantwortlichen zu schaffen, damit sie in ihrer Funktion wenig Sorgen haben müssen, wegen angeblich schuldhafter Pflichtverletzungen auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden.
Schließlich habe ich mit dem Präsidenten einen Plan erarbeitet, mit dessen Hilfe die Profifußballer mit neuen bayerischen Investoren realistisch das Ziel der wirtschaftlichen Gesundung und des Aufstiegs erreichen können. Dabei wäre es ein Weg, der auch unserem gegenwärtigen Mitgesellschafter einen gesichtswahrenden Rückzug ermöglichen würde. Teile dieses Plans werden nun vom Bündnis Zukunft als deren Idee verkauft, was mich ärgert.
Der Profifußball ist das Aushängeschild von 1860 und traditionell das meistdiskutierte Thema in der Öffentlichkeit. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für die KGaA in der nahen Zukunft?
von Bennigsen: Nach der Satzung des e.V. und den entsprechenden Corporate Governance Regelungen obliegen die operativen Aufgaben in der KGaA den Geschäftsführern und deren Aufsichtsgremien. Als Verwaltungsräte sind wir nur zu Kontroll- und Aufsichtstätigkeiten berechtigt.
Aber natürlich ist es grundsätzlich in unserem Interesse, dass die KGaA wirtschaftlich wie ein kluger Kaufmann handelt. Ich persönlich habe eine Aversion gegen Großmannssucht und bin dagegen, dass man Geld ausgibt, dass man sich leihen muss und voraussichtlich nicht zurückzahlen kann. Oder dass man, wenn dann doch der wirtschaftliche Erfolg einsetzt, jahrzehntelang Rechte aus Genussscheinen bedienen muss, ohne dass der e.V. etwas davon hat.
Hasan Ismaik ist mit seiner Firma HAM zu 60% an der KGaA beteiligt. Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit ihm gestaltet sich seit seinem Einstieg schwierig. Was ist Ihr Konzept für eine verbesserte Kommunikation/Zusammenarbeit mit Ismaik bzw. HAM?
von Bennigsen: Als Verwaltungsrat sind uns hier operativ die Hände gebunden. Das ist Sache der Geschäftsführung und des Präsidiums.
Persönlich habe ich auch kein Verbesserungs-Konzept. Schaue ich auf die diversen Versuche der Jahre seit 2012 zurück, dann habe ich keine Hoffnung und persönlich keinen Willen dazu mehr. Es herrscht einfach ein viel zu krasser Unterschied in den Ansichten, was zu unserem Verein passt. Maybach-Limousinen auf dem Trainingsgelände, die Wahl der bei uns vertretungsweise tätigen Personen, Englisch als Geschäftssprache auf der Geschäftsstelle und protzige Zigarren-Auftritte sind nichts für uns als Löwen, weder heute noch früher. Bescheidenheit und die zurückgenommene, vertrauliche Kooperation der Gesellschafter untereinander, die ich mir wünsche, sind meines Erachtens in dieser Konstellation nicht zu erreichen.
Die KGaA ist nach wie vor bilanziell überschuldet. Mit welchen Maßnahmen würden Sie die Entschuldung unter Einhaltung der Regularien von DFB/DFL vorantreiben?
von Bennigsen: Der seit 2017 eingeschlagene Weg ist richtig und sollte konsequent fortgeführt werden. Nur das ausgeben, was man eingenommen hat, ohne sich weiter zu verschulden. Andere Vereine, die in die zweite Liga aufgestiegen sind, haben das erfolgreich vorgeführt. Darauf werde ich, falls ich wiedergewählt werde, auch – soweit das in der Macht des Verwaltungsrats steht – besonders achten.
Die Situation um einen Ausbau des Grünwalder Stadions bzw. einen Neubau stockt seit einiger Zeit. Welche Stadionlösung schwebt Ihnen vor?
von Bennigsen: Ich liebe das Grünwalder Stadion, ein Stadion inmitten eines belebten Stadtteils, umgeben von Plätzen der Fans, von Kneipen und Treffpunkten, mit dem neuen Vereinsheim Bamboleo in der Nähe. Die Möglichkeiten, dieses altehrwürdige Stadion zu erweitern, sind noch lange nicht ausgeschöpft. Und was es für das Image des Vereins und der KGaA, für den Zusammenhalt der Fanszene und für die Stimmung bedeutet, zeigen die unzähligen innerstädtischen Stadien in Europa.
Im Übrigen: Wenn sich die operativ Verantwortlichen doch dazu entscheiden, ein neues Stadion zu planen und zu realisieren, ist es mein klarer Wunsch, dass der e.V. an den Einnahmen aus dem Stadionbetrieb beteiligt wird. Für diese Forderung werde ich nachhaltig eintreten!
Welche Abteilungen liegen Ihnen außer dem Fußball noch besonders am Herzen und warum?
von Bennigsen: Ich bin als Initiator der Inklusionsabteilung froh über das große Engagement von Heinz Schmidt, dem Abteilungsleiter, der mit seinen Kindern sportlich große Erfolge erzielt, vor allem aber ein zweites Zuhause für seine Kinder und Jugendlichen mit Einschränkungen aller Art erzeugt, die bewundernswert ist. Ich verfolge die Aktivitäten mit großem Interesse. Da ich in meiner Kindheit und Jugend in den Chiemgauer Bergen viel Bergwanderungen gemacht habe, liegt mir auch die Bergsportabteilung um Willi Rieber und den „Baumeister“ Ludger Kunert besonders am Herzen. Die Geschichtsabteilung, deren Gründungsmitglied ich auch bin, zählt zu meinen besonderen Interessen, auch wenn ich dort derzeit wenig beitragen kann. Und schließlich natürlich die Fußballabteilung, in der ich seit 1991 Mitglied bin.
Was wollen Sie unseren Lesern noch mitteilen?
von Bennigsen: Ich bin bekanntlich ein erklärter Gegner der gegenwärtigen Gesellschafterstruktur bei der KGaA und wünsche mir bei unserem Mitgesellschafter endlich Vernunft und Einsicht, dass sein Weg ein Irrweg ist und er sich auf die Rolle eines stillen Gesellschafters zurückzieht. Wir wollen und werden nur in einer anderen Konstellation und mit anderen bodenständigen, Münchner und bayerischen Gesellschaftern, und nur mit einem soliden, nachhaltigen, allmählichen Vorgehen Erfolg haben. Das kommt ihm dann auch zugute.
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Konkrete Vorstellungen, Kenntnis mehrerer Abteilungen und Kompromissbereitschaft, wenn die Mehrheit der Mitglieder beim Stadion einen anderen Wunsch hätte als man selbst: solche Eigenschaften braucht man in einem Aufsichtsgremium! Könnte sich die “siehe oben”-Fraktion vom Bündnis mal eine Scheibe abschneiden
Bei aller Ideologie bin ich trotzdem überrascht wie offen von Bennigsen gegenüber demokratisch geschaffenen Tatsachen wie einem neuen Stadion wäre, auch wenn ihm das mit Sicherheit gegen den Strich geht.
Dieses Verständnis von Vereinsleben und demokratischer Kultur fehlt so manchem Anteilseigner in der KGaA.