Der Kassenwart lässt Euch regelmäßig teilhaben an seinen Gedanken zur Lage bei den Löwen und in der 3. Liga. Diesmal geht es um das Thema, das – neben der sportlichen Situation auf der Zielgerade der Saison – wohl die ganze Liga beschäftigt: Wie geht es nun eigentlich konkret weiter bei Türkgücü?
Wie verändert sich die Tabelle der 3. Liga?
Womöglich erfahren wir es noch diese Woche: Kann und darf Türkgücü den Spielbetrieb in der 3. Liga weiter aufrecht erhalten oder nicht? In letzterem Fall kommt ja die ohne Türkgücü-Tabelle zur Anwendung, d.h. sämtliche Spielergebnisse der Perlacher werden als Freundschaftsspiel angesehen und finden keine Anwendung in der Tabelle der 3. Liga. Das Tabellenbild verschiebt sich dann entsprechend. Kein anderes Thema vereint seit dem Insolvenzantrag Ende Januar solch mediale Aufmerksamkeit auf sich wie die Frage, welches der letzte Spieltag von TG sein wird.
Rettet Saarbrücken-Präsident Ostermann Türkgücü vor dem aus?
Gestern Abend wurde in den Medien kolportiert, dass man in Saarbrücken über ein Sponsoring in Höhe von 500.000 Euro nachdenkt, um Türkgücü den Spielbetrieb bis zum 34. Spieltag zu ermöglichen. Dieser Zeitpunkt wäre ausreichend, damit der FCS keine Punkte aus den zwei siegreichen Spielen (3:1 und 5:1) gegen Türkgücü verliert – was dies für den Rest der Saison und die anderen 18 Clubs der 3. Liga bedeuten würde, interessiert den Millionär nicht.
Der Insolvenz-Verwalter als Schlüsselfigur
Und obwohl alles eine sportlich signifikante Auswirkung hat, gibt die Antwort auf die derzeit brennendste Frage der 3. Liga ein Jurist: Der Insolvenzverwalter Dr. Max Liebig von der Kanzlei Jaffe. Auch wenn es sich die halbe Liga und der DFB anders wünschen würden – dieser Mann muss sich ausschließlich nach der Insolvenzordnung richten und kann auf die Spielordnung der Liga nur sehr marginal Rücksicht nehmen.
Als interessierter Laie habe ich mich etwas in die Rechtslage eingelesen und gebe hier einmal meine Erkenntnisse wieder.
Die erste spannende Antwort gibt der Insolvenzverwalter die nächsten Tage auf die Frage, ob die überschuldete und illiquide Türkgücü Fussball KGaA über genug „Masse“ für das Insolvenzverfahren verfügt. Was bedeutet dies?
Die Insolvenzmasse
Die Insolvenzmasse ergibt sich aus sämtlichen Vermögensgegenständen des Schuldners, die ihm zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags gehören und die er während des Verfahrens noch erwirbt. Sprich alles, was einen Wert hat: Bankguthaben, Geldforderungen gegen den DFB („Fernsehgelder“), Wert von Spielerrechten usw. Gerade die Spielerrechte tendieren womöglich eher gegen Null, allein schon wegen des Sonderkündigungsrechts der Spieler bei einer Insolvenz.
Auch eine Insolvenz kostet Geld
Im Falle der Insolvenz fallen für die Abwicklung des Verfahrens viele Kosten an: Wesentlich sind die Gerichtskosten sowie die Kosten des vorläufigen und des endgültigen Insolvenzverwalters. Da Türkgücü Ende Januar nicht nur das Geld zur Bezahlung von z.B. Gehältern ausging (man also nicht solvent war) sondern nach der letzten öffentlich zugänglichen Bilanz (zum geplanten Börsengang) auch überschuldet war, könnte durchaus der sehr seltene Sonderfall „Ablehnung Insolvenz mangels Masse“ eintreten.
Keine Masse – Ende des Spiel- und Geschäftsbetriebs
Die Abweisung eines Eröffnungsantrags mangels Masse muss unverzüglich öffentlich bekannt gemacht werden (§ 26 Abs. 1 S. 3 InsO). Der Beschluss hat sowohl für den Schuldner als auch für die Gläubiger weitreichende Konsequenzen. Es führt zur Auflösung der KGaA (§ 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Dann könnte rechtlich wohl auch kein Spielbetrieb mehr betrieben werden – auch wenn die Spieler auf Gehalt verzichten wollten. Auch versicherungstechnisch (Berufsgenossenschaft) wäre das eine echte eine Herausforderung. Die Gesellschaft stellt daher sofort komplett den Geschäftsbetrieb ein. Das war es dann mit TG. Die Tabelle der 3. Liga wird bereinigt.
Oder doch ein Regel-Insolvenzverfahren?
Wir sollten jedoch nicht von Insolvenz mangels Masse sondern von einem Regel-Insolvenzverfahren ausgehen. Im Wesentlichen stellt sich dann die Frage, ob das Ziel, entweder die Liquidation, also die ordnungsgemäße Abwicklung und Beendigung der Fußball KGaA oder ein Insolvenzplanverfahren mit dem Ziel der Sanierung und Weiterführung der Fußball-Firma wird. In beiden Fällen könnte TG tatsächlich die Saison beenden. Könnte…
Die Liquidation dauert bei Firmen schon mal zwischen zwei und zehn Jahren. Bei der Liquidation bräuchte es jedoch Sponsoren, wie z.B. den oben genannten Herrn Ostermann aus dem Saarland, welche sämtliche Kosten des Spielbetriebs bis Saisonende vollständig trügen. Hier könnte auch ein möglicher, bereits diskutierter Gehaltsverzicht der Spieler helfen, den Umfang des notwendigen Sponsorings zu verringern. Allerdings kann besagter Herr Ostermann jetzt nicht einfach beim Insolvenzverwalter anfragen „…wieviel braucht es denn bis zum 34. Spieltag?”. Denn Dr. Liebig ist ausschließlich den Schuldnern verpfichtet und nicht dem DFB oder einem Dritten. Und selbst wenn dieses Sponsoring kommt, wäre es vertragsrechtlich sicherlich anspruchsvoll, dass dies im Falle einer Liquidation dann doch nicht für die Schuldner herangezogen wird. Dieser Sponsoringvertrag müsste mit sehr heißer Nadel gestrickt werden – Fehleranfälligkeit inklusive.
Im Insolvenzplanverfahren ist es einfacher. Als Voraussetzung für die Aufrechterhaltung von Spielbetrieb und KGaA reicht eine positive Fortbestandsprognose, also eine belastbare Annahme, dass TG die nächsten zwei Jahre sehr wahrscheinlich jederzeit fähig ist, seine Rechnungen zu begleichen. Auch dazu bedürfte es – selbst in der Regionalliga Bayern – eines potenten Sponsors. Hier sprechen wir dann womöglich von einem Sponsoring von rund zwei Millionen Euro. Das Insolvenzplanverfahren ist also eher unwahrscheinlich.
Entscheidung steht unmittelbar bevor
Nach Lage der frei zugänglichen Informationen wird daher der Insolvenzverwalter in Kürze wahrscheinlich eine Insolvenz mit Ziel der Liquidation der KGaA bekannt geben. Ob man dabei das sportliche Ziel erreicht, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, bleibt offen. Da eine Trennung von Spielbetrieb und Liquidation nicht wirklich durchführbar ist, wäre es sogar trotz Sponsor denkbar, dass zwischenzeitlich durch unerwartete Kosten dennoch die Lichter bei TG ausgehen. Das wäre natürlich der absolute worst-case. Ob man in der Heinrich-Wielandt-Straße jedoch überhaupt schon einen Sponsorvertrag für die Restsaison unter Dach und Fach hat, ist offen.
Gehaltsverzicht nicht ohne Tücken
Noch ein Hinweis zum Gehaltsverzicht durch die Aktiven: Das mit dem Gehaltsverzicht ist ein zweischneidiges Schwert für die Spieler. Denn wenn sie anschließend arbeitslos sind, reduziert dies auch ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld – unter Umständen erheblich. Ein Verzicht wird daher, wenn überhaupt, sicherlich nur ein Teilverzicht und maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze des Arbeitslosengeldes. Und das notwendige Sponsoring ist entsprechend hoch. Der vom Spieler Sorge angedachte (teilweise) Gehaltsverzicht ist dann wohl auch eher ein Tropfen auf einem heißen Stein in der Causa Türkgücü.
Die wahrscheinlichste Variante sehe ich daher in einer Insolvenz mit Liquidation – ohne Sponsor und damit in der Einstellung des Spielbetriebs.
So oder so: Es bleiben spannende Tage in Liga 3…
Es wird hier immer wilder, was der DFB vorschlägt: Jetzt ist der Kautionsfonds der 3.Liga im Gespräch, der einem Verein kurzfristige Liquiditätslücken überbrücken läßt Würde TG diesen in Anspruch nehmen, würde es faktisch weitere 9 Punkte Abzug bedeuten. Langsam muss man sich fragen, ob ein Verein auch mit negativem Punkteergebnis eine Saison beenden kann.
Allerdings wird auch diese Idee an Dr. Liebig scheitern. Der DFB würde es zwar akzeptieren, dass er das Geld nicht zurück bekommt und es eine Quasi-Spende darstellt. Dennoch ist es juristisch nur ein Darlehen und kein Sponsoring. Der Insolvenzverwalter müsste also ohne wirtschaftlichen Mehrwert für die bisherigen Schuldner einen bevorrechtigten Massekredit beim DFB aufnehmen, damit er Gehälter zahlen kann, welche keine zusätzlichen Einnahmen für die Schuldnergemeinschaft generieren. Faktisch würde sich der Insolvenzverwalter damit den bisherigen Schuldnern gegenüber der Gefahr der Veruntreuung aussetzen – das wird Dr. Liebig niemals tun.
Es bleibt ein hilfloses Geschachere beim DFB…
PS: TG würden dann einen Rekord für die Ewigkeit halten: Wir wären dann vor Strafe für die verspätete Trainereinstellung bereits bei 20 (!) Punkte Abzug!!! innerhalb einer Saison
frage: durfte ein Präsident eines Vereins in der selben Liga einen anderen Verein mit Geld überhaupt unterstützen und wenn ja warum?
natürlich dürfte er. Die Frage wäre eher: wogegen soll das verstoßen?
So,erwartungsgemäß kam gerade das Dementi von Saarbrücken. Man habe sich zwar mit dem Thema beschäftigt, sehe jedoch den DFB in der Pflicht.
Heißt für mich übersetzt: Klar haben wir das geprüft, aber man hat auch erkannt, dass das nicht so einfach ist…
Oder ich sag’s mit einem Lied: ” It’s the final Countdown….”
Sehr gute und schlüssige Recherche, die zumindest im Sachverhalt und den möglichen Szenarien einen viel besseren Einblick gibt. Danke dafür, Kassenwart.
@Redaktion sechzger.de Sechzger.de: – könntet Ihr bitte beim DFB eine konkrete Antwort einfordern, warum Strafmaß gegen TG wegen der viel zu späten Trainernominierung im Dezember nicht ausgesprochen wird. Es gibt keinen plausiblen Grund, nach drei Monaten kein Urteil auszusprechen. Laut DFB-Statuten ist hier eine hohe Geldstrafe am Wahrscheinlichsten neben einem weiteren Punktabzug. Dies hätte deutliche Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren.
Danke und schöne Grüße
Altdorfer
Die Anfrage wurde natürlich schon längst gestellt, eine Antwort haben wir bislang leider nicht erhalten.
Danke und einfach unglaublich diese zwielichtige Heimlichtuerei des DFB. Bleibt zu befürchten, dass die DFB-Funktionäre wieder irgendwelche korrupten Geschäfte mit TG und evtl. demSaarbrücker Vorstand treibt (z.B. WM-Vergabe)
entspannt bleiben – es ist quasi egal, was der DFB will. Dr. Liebig ist der entscheidende Mann, niemand anderes.
Noch eine inhaltliche Ergänzung:
So verrückt es auch klingt: Türkgücü wird Opfer des eigenen Erfolges gegen Magdeburg. Denn bisher war man in Lautern und Braunschweig sicherlich davon ausgegangen, in den Spielen (35. und. 38. Spieltag) gegen Perlach locker drei Punkte einzufahren. Nachdem das Perlacher Projekt gegen 1860 und gegen Magdeburg und damit gegen zwei von ganz oben gewonnen hatte, wäre es für Braunschweig und Lautern nun wohl sicherer, wenn die Saison doch nicht zu Ende spielt und möglichst genau am 34. Spieltag das letzte Spiel der Türken wäre. Dann hätte man sicher weitere 3 Punkte am grünem Tisch gewonnen. Man müsste also genau so viel Geld bereitstellen, dass es genau bis zu diesem 34.Spieltag reicht, nicht aber länger. Das ist unmöglich exakt zu berechnen und eben dann genau diese Summe als Sponsoring bereit zu stellen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Saarbrücken will aber, dass die Aufstiegskonkurrenten gegen TG spielen und dabei womöglich Punkte liegen lassen. Saarbrücken , Lautern und Braunschweig haben also ganz unterschiedliche Interessen und das macht abgestimmtes Sponsoring quasi unmöglich. Wer schon mal Verhandlungen mit mehreren Firmen gleichzeitig geführt hat, die in ein und dem selben Projekt zusammenarbeiten und unterschiedliche Interessen verfolgen, weiß von der Herkules Aufgabe. Unter Zeitdruck ist das quasi unmöglich.
Aber Saarbrücken wird alleine die 500.000 Euro auch nicht zahlen wollen wegen der o.g. Risiken und wenig bis keinen Punktevorteil gegenüber Lautern und Braunschweig (beide siegten auch gegen TG, also bisher keine Punktedifferenz gegenüber Saarbrücken im den Spielen).
Kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das koordiniert werden kann. Bei Insolvenz in Eigenregie vom Verein wäre es um Längen einfacher. Hier haben wir aber mit Dr.Liebig einen neutralen externen Manager an zentraler Stelle.
Daher Löwen, siegt in Mannheim! Die Bonuspunkte gibts anschließend.