Herzlich Willkommen zur Taktiktafel-Analyse nach dem Sieg des TSV 1860 München beim MSV Duisburg. Es war eine gute Leistung der Sechzger mit systematischen und taktischen Kniffen, die man so möglicherweise nicht erwartet hatte.
MSV Duisburg gegen den TSV 1860 hieß es am Samstag. Am Ende stand mit 0:3 ein deutlicher Sieg für die Mannschaft aus Giesing. Und dieser Sieg war absolut verdient und mit Einsatzfreude und großer Kampfeslust erarbeitet. Auch wenn man sagen muss, dass die Löwen mit einigen Schiedsrichterentscheidungen etwas Glück hatten, so war dieser Sieg am Ende verdient.
Systeme
Maurizio Jacobacci schickte seine Elf im von mir erwarteten 4-4-2 flach, allerdings auf einer Position anders besetzt und deshalb nicht 100% kongruent mit meiner Prognose, in die Partie. Vrenezi agierte als hängende Spitze.
Auch der Duisburger Trainer Torsten Ziegner hatten mit Girth und Esswein eine Doppelspitze aufgeboten. Duisburg stand allerdings im 4-4-2 mit der Doppelsechs auf dem Platz und verschob offensiv sehr deutlich.
Gegen den Ball
Jacobaccis Team verschob gegen den Ball die Grundformation nicht. Die Pressing-Linie wurde von den Sechzgern situationsbedingt teilweise sehr hoch angelegt. Beim Aufbau über den Duisburger Torwart griffen die beiden Spitzen Vrenezi und Zwarts früh an und versuchten den MSV entweder zum langen Ball oder zum Spiel über die Flügel zu zwingen. Wurde von Duisburg aus dem Spiel heraus aufgebaut, so zogen sich die Löwen früh zurück stellten die beiden Viererketten auf mittleres Niveau der jeweiligen Räume.
Duisburg versuchte mit einer hohen Pressing-Linie früh des Spiel der Sechzger zu stören. Diese ließen sich im Aufbau allerdings nicht aus dem Konzept bringen und kamen meist sicher und präzise mit progressiven Pässen ins Mittelfeld, wo der Ball dann häufig aus dem Zentrum heraus auf die Flügel lief.
Bei Ballbesitz
Bei Ballbesitz spielten die Sechzger mit der sogenannten dynamischen Dreierkette. Dabei rücken beiden Außenverteidiger auf die Höhe der Sechserposition auf den Flügeln und der Sechser Tarnat kippte zwischen die beiden Innenverteidiger ab, um von dort den Angriff zu eröffnen. Diese Verschiebung gab den Mittelfeldaußen die Freiheit, weiter vorn auf den Flügeln oder in den Halbräumen zu agieren. Der ballferne Außen rückte auf seiner Seite auf die offensive Mittelfeld-Halbposition, während der ballnahe Außenspieler auf dem Flügel blieb.
Duisburg mit einem ähnlichen Ansatz, man bediente sich ebenfalls der dynamischen Dreierkette. Hier war es meist Jander, der zwischen die Innenverteidiger abkippte. Die offensiven Verschiebungen der Duisburger waren jedoch etwas anders. Bei Duisburg rückte der ballnahe Stürmer auf den Flügel und der ballferne Mittelfeldaußenspieler auf die Halbposition im Sturmzentrum. Es wurde also aus dem 4-4-2 im letzten Drittel ein asymmetrisches 3-4-3.
Bevor wir nun zur weiteren Analyse kommen hier die statistischen Werte der Partie MSV Duisburg – TSV 1860 München.
Die statistischen Werte des Spiels
- Ballbesitz TSV 1860 48% – MSV 52%
- Passgenauigkeit TSV 1860 80% – MSV 82%
- defensive Zweikampfquote TSV 1860 51% – MSV 56%
- Schüsse/aufs Tor TSV 1860 13/9 – MSV 15/5
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 10,85 – MSV 7,53
Analyse der statistischen Werte
Ballbesitz
Die Ballbesitzverteilung in der kompletten Partie war nahezu ausgeglichen. Wobei man hier die zwei Halbzeiten getrennt voneinander betrachten muss. So hatte der TSV 1860 München in der ersten Halbzeit, vor allem nach dem Führungstor durch Starke, klare Ballbesitzvorteile gegenüber den Zebras, die ihrerseits in der zweiten Spielhälfte als sie unter Zugzwang kamen, selbst ein Tor schießen zu müssen häufiger am Ball waren als unsere Sechzger.
Mit etwas höherem Spieltempo (dieses misst man statistisch mit der Anzahl der gespielten Pässe pro Minute Ballbesitz) allerdings auch eindeutig weniger Ideen im Spiel und vielen Querpässen im Vergleich der beiden Teams. So hatte Duisburg eine optische Überlegenheit im zweiten Durchgang, die wegen der fehlenden Ideen allerdings selten offensiv so effektiv waren, dass sich koordinierte Angriffe, welche die Abwehr der Löwen zu groben Fehlern gezwungen hätten, entwickelt konnten.
Passgenauigkeit
Hier liegt der MSV Duisburg um zwei Prozentpunkte vor dem TSV 1860 München. Beim Ballbesitz hatte ich es schon angedeutet, der MSV spielte viele Querpässe. Querpässe, die oft auch Sicherheitspässe sind, bringen keinen Raumgewinn, geben der gegnerischen Mannschaft oft Zeit sich noch besser zu gegen den Ball zu formieren. Auch wenn sie zügig und mit Dynamik gespielt werden müssen trägt diese Form des Spiels selten Früchte in Form von gut ausgespielten Angriffen.
Schauen wir auf die komplette Passstatistik beider Team und vergleichen die drei Kategorien Vorwärts-, Quer-, und Rückpässe einzeln, so haben die Löwen da die Nase vorn wo es wichtig ist: Bei den Vorwärtspässen.
Vergleichen wir dann die Zahlen der anderen beiden Kategorien, so fällt auf, dass Duisburg mit über 50% mehr Querpässen im Spiel als der TSV 1860 einfach nicht die Mittel fand um sich Wege in die Offensivzonen so zwingend zu erspielen wie es nötig gewesen wäre, um den Druck auf die Löwen dauerhaft aufrechtzuerhalten. Da hilft dann auch das höhere Spieltempo nicht weiter.
Überhaupt muss man zu diesem Begriff noch ein weiteres Wort sagen, denn das Spieltempo, also die Passfrequenz, kann zwei Ursachen haben. Einerseits ist es die Möglichkeit, dass die Mannschaft die mit hoher Passfrequenz spielt technisch stark und überlegen ist und mit dem Gegner Such-das-Balli spielt, andererseits kann es natürlich auch sein, dass die Defensive, durch gute Raumaufteilung und somit gutes Stellungsspiel mit Druck auf den ballführenden Spieler den Gegner dazu zwingt, schnell zu spielen und somit Fehler versucht zu provozieren. Letzteres war am Samstag der Fall.
Defensive Zweikampfquote
Mit 51% gewonnener Defensivzweikämpfe für unseren TSV 1860 im Spiel gegen den MSV Duisburg sieht dieser Wert auf den ersten Blick schlecht aus. Im Normalfall sollte hier ein Wert um die 60% erreicht werden. Allerdings gibt es natürlich wie bei jeder Regel auch hier Ausnahmen. Man darf, wie ich an dieser Stelle schon des Öfteren geschrieben habe, durchaus einen defensiven Zweikampf verlieren, wenn im Gegenzug der Ball aufgrund von gutem Stellungsspiel eines Mitspielers oder technischer Mängel des Angreifers der Ball am Ende doch bei der eigenen Mannschaft landet.
Hier ist nun ein Blick auf zwei weitere statistische Werte von Nöten. Das ist einerseits die Anzahl der Bälle die vom Gegner ins Tor oder Seitenaus gespielt wurden und andererseits eben die abgefangenen Bälle nach Tacklings. Hier hat der TSV 1860 München gegenüber dem MSV Duisburg deutlich die Nase vorn und am Ende wenn man dies alles zusammenaddiert eine gleich hohe Ausbeute an gewonnen Duellen am Boden. Nehmen wir dann zusätzlich noch die Luftduelle mit in die Rechnung, von denen die Sechzger satte 34% mehr gewinnen konnten als die Meidericher ergibt sich ein deutliches Bild defensiver Überlegenheit der Löwen gegenüber den Zebras.
Schüsse/aufs Tor
Hier ist die Statistik eindeutig. Von dreizehn Schüssen gingen neun Schüsse der Sechzger auf den Kasten von Vincent Müller. Drei wurden von Duisburger Abwehrspielern geblockt, nur einen Schuss setzten die Sechzger neben den Kasten (Zwarts in der 8. Minute). Diese Ausbeute ist grandios und konnte in Spielen in denen die Löwen ähnlich häufig auf des Gegners Kasten schossen in keiner der letzten Saisons erreicht werden. Lediglich in Spielen in denen die Löwen eigentlich chancenlos waren und nur selten im Angriff auftauchten wurde seit dem Wiederaufstieg eine ähnliche oder bessere Quote erreicht. Als Beispiel nehmen wir das Auswärtsspiel in Osnabrück vergangene Saison als Vier von sechs Schüssen der Sechzger präzise genug waren, um dem Keeper Arbeit zu verschaffen.
Was nehmen wir aus der Auswertung dieser Statistik mit? Erst einmal noch gar nichts. Solange sich bei der Schusspräzision kein Muster abzeichnet ist dieser Wert zunächst ein singuläres Ereignis. Im Heimspiel gegen den Waldhof lag sie noch bei 20%, von daher bleiben wir ruhig und freuen uns, dass es in Duisburg so gut geklappt hat.
PPDA
Die Werte für beide Mannschaften sind da, wo man sie im Kontext erwarten würde. Die Heimmannschaft war deutlich aggressiver im Anlaufverhalten als der Gast. Allerdings wie immer an dieser Stelle der Hinweis: Eine gesetzte Aktion bedeutet nicht, dass diese am Ende auch erfolgreich gewesen wäre. Die Sechzger wussten deutlich besser mit dem Anlaufverhalten der Duisburger umzugehen als umgekehrt. Möglicherweise hatte das auch damit zu tun, dass Duisburg durch die Zweier-Pressing-Formation der Sechzger gegen den Ball nicht wussten, wie sie darauf reagieren sollten und somit oft Bälle in Zonen spielten, die schnell doppelt besetzt werden konnten und den Angreifer dann zu überhasteten und dadurch ungenauem Spiel zwangen.
Die Tore
Hier könnt ihr Euch die Tore und weitere Highlights noch einmal ansehen.
Das entscheidende Tor beim Endstand von 3:0 ist logischerweise das erste, denn wenn der Gegner keines schießt, würde auch eines zum Sieg reichen.
Auf der rechten Seite gewinnt Vrenezi im Gegen-Pressing gegen den Versuch des Umschaltens der Duisburger die Kugel. Er wird zwar sofort wieder von dieser getrennt, das allerdings hatte einen Einwurf für unsere Löwen zur Folge. Aus der Verdichtung der Situation im Gegen-Pressing-Moment heraus löst sich Starke unbemerkt von allen Gegenspielern. Er trabt auf die andere Seite des Spielfelds in die linke Halbposition in der Box der Zebras.
Während Starke dies tut wirft Kaan Kurt den Ball Zwarts vor die Füße. Zwarts bedient sofort den freien Vrenezi auf der rechten Außenbahn. Vrenezi lässt sich bei soviel Platz wie er in dieser Situation vorfindet nicht zweimal bitten. Er flankt präzise ins Zentrum vors Tor wo Guttau, der zwar zum Kopfball hochspringt, diesen knapp verpasst, aber Starke der sich wie oben erwähnt im Hintergrund in den Strafraum geschlichen hatte mutterseelenallein an die Kugel kommt und zum 0:1 vollstreckt.
Auch die anderen Tore beide erzielt, durch Joël Zwarts, waren äußerst sehenswert.
Das fiel auf
Immer mehr fällt einem die Spielintelligenz unserer Neuzugänge ins Auge. Beim oben erwähnten Treffer zum 0:1 beispielsweise: Dort ist wenn man so will, auch Guttau obwohl er nicht an den Ball kommt, aber klar Aufmerksamkeit auf sich zieht, beteiligt. Somit sind vier von fünf in dieser Aktion aktiven Spielern, im Vorjahr noch bei anderen Vereinen gewesen.
Zwarts intelligente Weiterleitung des Einwurfs. Vrenezis Übersicht bei der Flanke. Starkes Schlitzohrigkeit. Guttaus gute Bewegung vom Flügel ins Zentrum. Das alles ist bei dieser Situation erwähnenswert.
Die Defensivleistung, speziell die Luftüberlegenheit der Sechzger war deutlich zu sehen, auch wenn die Zweikampfstatistik hier zunächst anders vermuten lässt. Auch die defensive Zweikampfstärke auf den Außenpositionen, muss man lobend erwähnen. Hatte ich vergangene Woche Greilinger allein ein Kompliment gemacht, so bekommen das in dieser Woche alle vier Flügelspieler. Sowohl in Abwehr als auch im Mittelfeld wurde kein Zentimeter Boden Kampflos am Flügel aufgegeben. Top meine Herren.
Zu guter Letzt darf man natürlich auch dem Spieler des Spiels, für mich war das Joel Zwarts, hier nicht vergessen. Er war an allen drei Tore beteiligt und hat zwei davon selbst erzielt. Da führt an Zwarts kein Weg vorbei, sucht man den Spieler des Tages.
Fazit zum Spiel MSV Duisburg – TSV 1860 München in der Taktiktafel
Mit dem Fazit möchte ich mich gar nicht lange aufhalten. Ich hoffe die Mannschaft kann die Leistung zum Start der englischen Woche konservieren. Sowohl gegen Lübeck als auch im kommenden Auswärtsspiel gegen Sandhausen gilt es ähnlich selbstbewusst aufzutreten.
Ich freue mich über die sechs Punkte und noch mehr über null kassierte Tore. Weiter so, Löwen!
Datenquelle: Wyscout
Danke Bernd für die wieder einmal erstklassige Analyse! 👍
Fast wär mir die Analyse dieses Mal durch die Lappen gegangen. Glücklicherweise hab ich sie noch auf FB gefunden.