Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Auswärtsspiel unseres TSV 1860 München bei der SpVgg Bayreuth. 4-2-3-1, 4-1-4-1 und 4-4-2 mit Doppelsechs waren die Systeme, die Trainer Thomas Kleine, seit Sommer bei der Spielvereinigung im Amt, spielen ließ. Was müssen wir im Spiel am Samstag vom kommenden Gegner erwarten?

SpVgg Bayreuth – TSV 1860 im Hans Walter Wild Stadion in der Wagnerstadt. Manche stilisieren es zum Derby hoch, für mich ist es ein nostalgisches Traditionsduell. Zum Derby fehlt mir die Rivalität, die dieser Begriff beinhaltet – aber das nur am Rande. Was wartet in Bayreuth auf die Sechzger?

Die SpVgg setzt auf eine kompakte Defensive, die dem Gegner in der eigenen Spielfeldhälfte und speziell im Zentrum des eigenen letzten Drittels, wenig Räume lässt. Das Spiel gegen den Ball beginnt meist erst im Mittelfeld, oft auch erst knapp vor der Mittellinie. Der Stürmer im 4-1-4-1 oder 4-2-3-1 läuft alleine an, während die Gegner im Mittelfeld gedoppelt werden. Spielt der Gegner den Ball nach vorn oder geht einer der Defensivspieler mit dem Ball selbst vor, lösen sich die Doppelungen auf und es wird ballorientiert verteidigt sowie starkes Mittelfeldpressing aufgezogen. Vor der Box im eigenen letzten Drittel verschiebt sich das Mittelfeld situationsabhängig zu einer flachen Fünf oder einer 4-1 Formation.

Ich denke auch am Samstag werden wir es wieder mit einer 4-2-3-1 Formation zu tun bekommen. Wobei ein Wechsel bei Bayreuth auf eine Dreier- bzw. Fünferkette auch klug sein könnte, wenn man bedenkt, wie schwer sich der TSV 1860 München in solchen Fällen schon getan hat.

Bei eigenem Ballbesitz setzen die morgigen Gastgeber vor allem auf schnelles vertikales Spiel – also darauf, Umschaltmomente gut auszunutzen oder die Stürmer mit Bällen über die Kette tief zentral oder in den Halbräumen anzuspielen und so Eins-gegen-Eins-Situationen herbeizuführen.

Bevor ich auf die Spielweise der Oberfranken genauer eingehe, hier die wichtigsten statistischen Werte.

Die wichtigsten statistischen Werte der SpVgg Bayreuth

  • Ballbesitz: 44% (zweitschlechtester Wert der Liga)
  • Passgenauigkeit: 74% (drittschlechtester Wert der Liga)
  • Defensive Zweikampfquote: 61%
  • Flankengenauigkeit: 31%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 12,01 (schlechtester Wert der Liga)

Wie spielt Bayreuth?

Bayreuth versucht mit Mittelfeldpressing hoch in der eigenen Spielfeldhälfte in Ballbesitz zu kommen, um dann die Umschaltmomente auszunutzen. Das sind die für Bayreuth entscheidenden Momente in den Spielen, was die Offensive angeht. Die Staffelung der Spieler der Spielvereinigung bei Ballgewinn und dann individuell schnell die richtigen Schlüsse zu ziehen, um die richtige Entscheidung für die eigene Bewegung nach vorn zu treffen, ist das A und O für deren Offensivspiel. Die richtigen Korridore für die Laufwege zu finden und die Pässe dorthin präzise zu spielen, sind die wichtigsten Faktoren im Spiel nach vorn.

Bei Ballbesitz

Die für das Bayreuther Spiel wichtigen Umschaltmomente werden meist über die Flügel oder die Halbposition gespielt. Die doppelt besetzten Flügel und der aus dem Zentrum nachrückende Zehner können, wenn die Angriffe wie geplant ablaufen, für viel Unruhe – und wegen der Umschaltsituation aus der Position gezogene Zentrumsspieler – sorgen. Als Abnehmer für den finalen Pass hat Bayreuth dann drei Spieler in der Box, die vollstrecken könnten. Den Mittelstürmer, den nachrückenden Zehner und den ballfernen Mittelfeldaußenspieler.

Die schnellen Außenspieler der SpVgg Bayreuth sind dabei nicht zu unterschätzen. In Eins-gegen-Eins-Duellen können die Flügelspieler der Bayreuther viel. Die vier Außenspieler gewinnen zusammen im Schnitt mehr als 60% ihrer direkten offensiven Duelle. Keiner der vier hat dabei eine Quote von unter 54%.

Während Bayreuth in Umschalt- und Kontermomenten sehr schnell und gefährlich spielen kann, ist das Positionsspiel ein wenig das Sorgenkind von Trainer Kleine. Etwas träge und auch ungenau bewegen sich die Bayreuther hierbei. In seltenen Momenten, die durch Unkonzentriertheiten beim Gegner entstehen, kann Bayreuth aber auch im Positionsspiel glänzen. Vor allem dann, wenn einer der oben schon erwähnten technisch starken und schnellen Außenspieler etwas zu viel Zeit und Raum bekommt, um einen Pass zu verarbeiten, kann es gefährlich werden. Das sind die Momente, in denen die Oberfranken ihre Kontrahenten überraschen.

Gegen den Ball

Beton anrühren, den Bus parken, die Räume in der eigenen Hälfte eng machen – das ist das Credo der Bayreuther. Man lässt sich auf keine Experimente ein, möglicherweise zu offensiv zu verteidigen. Hinten sicher stehen, es dem Gegner so schwer wie möglich machen zum Abschluss zu kommen und bei Ballgewinn selbst schnell umzuschalten, ist der Plan der SpVgg gegen den Ball.

Bayreuth ist eine der Mannschaften, die in direkten Duellen gegen den Ball weniger häufig als Sieger hervorgeht als der Ligadurchschnitt. Allerdings ist die Staffelung gut genug, um in der Folge dann entweder den nächsten Zweikampf mit anderem Ausgang sofort führen zu können oder den Ball abzufangen um, wenn möglich, sofort in die andere Richtung den Gegenstoß zu führen.

Wie knackt der TSV 1860 die SpVgg Bayreuth?

Im Positionsspiel wird es eine Frage der Geduld, ob man sich gegen die hinten kompakt verteidigenden Bayreuther gute Abschlusssituationen herausspielt oder nicht. Ich denke, die größten Chancen werden sich durch eigene Umschaltmomente und Standardsituationen in Tornähe ergeben.

Von daher wird es für die Sechzger zunächst wichtig sein, das Spiel zu kontrollieren, um Druck aufzubauen und den Gegner unter Stress zu setzen.

Wenn man dann nach Bayreuther Ballgewinn in deren Umschaltmoment mit Gegenpressing dagegenhält sowie den Ball zurückerobern kann, kommt eine Dynamik ins Spiel, der die Bayreuther in den Spielen, die ich gesehen habe, oft nicht gewachsen waren.

Gegen den Ball wird es für die Löwen vor allem darauf ankommen, die offensiven Schlüsselspieler abzumelden und gegen die präzisen langen Pässe über die Ketten hinweg auf diese schnellen Spieler ein Mittel zu finden.

Stärken und Schwächen des 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln, relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen, wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich dadurch für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler, die mit aufrücken, zwingend erforderlich, um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Die Schlüsselspieler

Im Tor steht mit Sebastian Kolbe (#31) ein solider Keeper. Der reflexstarke Goalie ist allerdings kein unüberwindbares Hindernis. Das liegt aber eher an seinen Vorderleuten, die mehr Schüsse zulassen, als einem lieb sein kann. Trotz nur 1,87 m Größe beherrscht er seinen Sechzehner durchaus souverän. Leichte Schwächen seinerseits im Eins gegen Eins sind auch nicht das Problem, das dazu führte, dass Kolbe die “Schießbude” der Liga hüten muss.

Felix Weber (#24) in der Innenverteidigung sollte jedem Sechzger-Fan ein Begriff sein. Der ehemalige Kapitän des TSV 1860 München ist der Abwehrchef bei der Oldschdod. Auch im Positionsspiel, wenn von hinten heraus aufgebaut wird, ist er die Anspielstation, über die meist die Spieleröffnung läuft. Wenn es sein muss, langt Weber auch mal mit unerlaubten Mitteln zu. Sieben gelbe Karten in zwölf Spielen sind eine starke Ausbeute.

Benjamin Kirsch (#6), Teil der Doppelsechs als Box-to-Box-Spieler, ist der Dreh- und Angelpunkt im Spiel der Wagnerstädter. Über den Kapitän läuft im Zentrum fast alles. Gegen den Ball ist sein Nebenmann Alexander Groiß (#13), der tiefe Sechser, mit 70% gewonnenen Zweikämpfen und knapp dreizehn Balleroberungen im Schnitt pro Spiel allerdings deutlich besser im Rennen.

Alexander Nollenberger (#9) ist der Flügelflitzer auf der linken offensiven Außenbahn. Mit viel Zug zum Tor und viel technischem Geschick ist er momentan der Torjäger Nummer eins bei der SpVgg Bayreuth. Fünf Tore und eine Vorlage – damit ist er an 75% aller Bayreuther Tore beteiligt. Dribbelstark wie er sind auch alle anderen Außenspieler der SpVgg.

Fazit: holt der TSV 1860 in Bayreuth drei Punkte?

Die Ausgangslage ist klar: Der Tabellenzweite TSV 1860 München spielt beim Tabellenletzten, der SpVgg Bayreuth. Das heißt: für die Sechzger ist alles andere als ein Sieg keine Option.

Genauso muss man das Spiel angehen. Man muss ab der ersten Sekunde zeigen, welche Mannschaft die bessere ist. Die Sechzger müssen die Hausherren am Samstag von Anfang an überall auf dem Platz stressen und den Druck aufs gegnerische, letzte Drittel hochhalten.

Wenn die sich ergebenden Chancen dann genutzt werden, wird man mit drei Punkten zurück nach Giesing fahren. Ich bin der Meinung, dass Bayreuth nur dann eine Chance gegen den TSV 1860 hat, falls sie unterschätzt werden. Dafür, dass das nicht passiert, wird Michael Köllner Sorge tragen.

Wenn wir am Samstag hochkonzentrierte und hochmotivierte Sechzger sehen, die den vom Trainer ausgegebenen Matchplan konsequent umsetzen, gibt es keine Überraschungen.

So könnte die SpVgg Bayreuth beginnen

Quelle: Wyscout

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Vorstopper

Morgen ist mal wieder so ein Tag, an dem der Gegner sein Highlight für Jahre feiern kann. Ganze Saison fürn Arsch, aber gegen 60 gewonnen. Habe ich schon oft genug erlebt. Aber ich bin zuversichtlich, eigentlich ist unsere Mannschaft einfach besser, und ob 1:0 gewonnen oder 4:1 ist mir egal.
Auf nach Bayreuth, auf drei Punkte, auf die Löwen 🦁

Aschlegel

Ich kenne die Geschichten nur zur Genüge. Aber irgendwie fehlt mir da für morgen die Fantasie. Wir sind von den Einzelspielern denen so überlegen, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass wir da verlieren. Dieses Jahr nicht … 😉

HerrHolle

Alles gut, nur was ganz wichtiges vergessen.

Aufs Tor Schießen!

Immer eine super Taktik, egal welches System, egal welcher Gegner.

Aschlegel

Noch viel wichtiger als so ein Zeug zu posten: Du musst noch Betten ausschütteln. Frau Holle hat schon gerufen …

Darock

Morgen und gegen Saarbrücken entscheidet sich ob wir die Vorrunde erfolgreich abschließen werden, denke ich mir zumindest 😉

juergen

Das wird schon 🙂
Auf nach Bayreuth!

und diesmal hör ich mir die Wirtshausweisheiten mal an 😉