Herzlich willkommen zur TAKTIKTAFEL-Nachbetrachtung zum Spiel FC Viktoria Köln gegen den TSV 1860 München.

Um es gleich vorauszuschicken: ich bin ebenfalls enttäuscht, dass es am Samstag nicht zumindest zu einem Punkt gereicht hat, so wie die meisten von euch wahrscheinlich auch.

Fangen wir also mit der Aufarbeitung der Niederlage vom Samstag an. Sechzig kam wie üblich mit einem flexiblen 4-1-4-1 auf den Platz, wo Tallig den gesperrten Dressel in der Rolle des Box-to-Box Mittelfeldspielers ersetzen sollte. Kölns Dotchev schickte das ebenfalls erwartete 4-2-3-1 ins Rennen. Albert Bunjaku, der diese Saison bereits dreimal einen Treffer erzielte, war überraschenderweise nicht einmal auf der Bank zu finden. Wenn man solche Spieler als Drittligist auf der Tribüne lassen kann, hat man durchaus ein Luxusproblem im Sturm. Mit Risse, Thiele und Wunderlich war auf jeden Fall genügend offensive Feuerkraft vorhanden.

Die erste Halbzeit

Gegen das bekannt präzise Passspiel der kölschen Viktoria setzte man auf Seiten der Löwen vor allem auf ballorientiert geführte Zweikämpfe. Fast 70% aller defensiven Zweikämpfe konnten die Sechzger für sich entscheiden. In der eigenen Spielfeldhälfte verlor man während der kompletten ersten Halbzeit nur sechs Duelle auf dem Boden und zwei in der Luft. Nichtsdestotrotz konnte die Viktoria ihre Angriffe besser ausspielen als der TSV 1860. Die Kölner liefen, ihrem guten Stellungsspiel geschuldet, immer wieder in die Passwege der Löwen. Trotz häufiger Ballbesitzwechsel konnten daher nur wenige Positionsangriffe der Sechzger zu Ende gespielt werden. Sie endeten aber dennoch oft genug gefährlich vor des Gegners Kasten, um theoretisch den Sack früh genug zuzumachen. Wenn man sich die Qualität der Chancen des TSV 1860 München in der ersten Halbzeit vor dem Ausgleichstreffer für Köln (39. Minute) ansieht, darf man sich zwei Fragen stellen:

  1. Wieso fehlt es so sehr an der Präzision im Sturm?
  2. Warum wird dermaßen eigensinnig gehandelt?

In der 6.Minute hatte Lex eine Chance, die er kläglich vergab indem er den Ball viel zu soft von der Strafraumkante auf das Tor chipt (Resultat Eckball). Die bessere Option wäre der rechts mutterseelenallein einlaufende Willsch gewesen. Dieser hätte freie Bahn gehabt und dass er das Tor treffen kann, hat er diese Saison auch schon bewiesen. Aus dem daraus resultierenden Eckball entstand eine Chance für Mölders. Völlig frei im Fünfer kam er zum Schuss. Dieser “Versuch” ging etwa sieben Meter am Tor vorbei. Noch ein weiteres Mal ist es Mölders, der wieder völlig frei in der kleinen Box nach Zuspiel von Lex in Minute 35 einen laschen Schuss neben das Gehäuse von Mielitz setzte. Der einzige Treffer, der den Löwen trotz dieser Fülle an Chancen gelang, war ein Gewaltschuss von Neudecker. Er endete als Traumtor aus über dreißig Metern im rechten Winkel des kölschen Gehäuses.

Das Gegentor

Bei einem zunächst ziemlich behäbigen Angriff der Kölner, der theoretisch bei energischerem Pressen spätestens im Mittelkreis beendet gewesen wäre, spielte Klefisch einen langen Pass aus dem Mittelkreis nach vorne. Koronkiewicz bekam den Ball auf Höhe der Strafraumbegrenzung, verarbeitete ihn und netzte ein. Salger war von dieser Situation offensichtlich so überrascht, dass er nicht mehr entscheidend eingreifen konnte, um den Rechtsverteidiger der Kölner am Torschuss zu hindern.

Die Zahlen der ersten Halbzeit

  • Ballbesitz 44%:56%
  • Schüsse: Sechzig sechs (davon einer aufs Tor), Köln sieben (davon vier aufs Tor)
  • defensive Zweikämpfe gewonnen: Sechzig 69,4%; Köln 66,7%
  • Kopfballduelle 63%:27%
  • Abgefangene Pässe 13:30
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) 18,4 bei Sechzig (drittschlechtester Saisonwert während einer 1.Halbzeit), 10,36 bei Köln

Die zweite Halbzeit

Die zweite Halbzeit war, was ausgespielte Angriffe der Löwen betrifft, etwas besser als die vorangegangene Spielhälfte und auch die Spielanteile waren ausgeglichener. Im Großen und Ganzen spielte sich die zweite Halbzeit zwischen den beiden Boxen ab. Vorteile konnten die Löwen sowohl bei den offensiven als auch defensiven Zweikämpfen verbuchen. Im Stellungsspiel waren die Löwen nun besser als noch im ersten Durchgang. Neunzehn Mal gelang es die Bälle der Kölner abzufangen.
Zwingend war jedoch nur die Viktoria. Ab der 50.Minute schloss die Mannschaft vom Höhenberg etwa im fünf Minuten Rhythmus ihre Angriffe mit einem Schuss ab. In der 88.Minute fiel der späte, aber verdiente Führungstreffer für die Domstädter durch Risse.
Als der TSV zum Schluss der Partie dann offener spielte, baten sich dem Gastgeber weitere Gelegenheiten zu Torabschlüssen, die alle aus gut heraus gespielten Aktionen entstanden. Keiner der Versuche der Viktoria war ein Zufallsprodukt.

Der Führungstreffer für Köln

Ein Angriff, bei dem die Löwen auf der rechten Abwehrseite zwischen der Box und der Mittellinie stark verdichten, um den Kölnern keinen Raum für das starke Passspiel zu lassen, wird auf die linke Abwehrseite des TSV verlagert. Dort zieht dann Koronkiewicz mit der Kugel in den Strafraum und bedient gegen die Laufrichung aller Löwenverteidiger den aus Löwensicht rechts im Strafraum lauernden Risse. Dieser fackelt nicht lange und schließt flach und wuchtig ins kurze Eck ab. Die Leihgabe vom 1.FC Köln in dieser Situation so unbeaufsichtigt zu lassen hat den TSV 1860 den Punkt gekostet.

Die Zahlen zur zweiten Halbzeit

  • Ballbesitz 49%:51%
  • Schüsse 6:9 (nur ein Schuss der Löwen ging aufs Tor, drei beim Gegner)
  • Defensive Zweikämpfe gewonnen 61% TSV; 48% Köln
  • Kopfballduelle 51%:49%
  • PPDA 1860 8,3 (drittbester Saisonwert in einer zweiten Halbzeit), Viktoria 6,29 (bester Saisonwert einer gegnerischen Mannschaft in einer zweiten Halbzeit)

Fazit

Das Spiel wurde durch Leichtsinnsfehler bei den Gegentoren aus der Hand gegeben. Der TSV 1860 muss eigentlich auch ohne das Traumtor von Neudecker bereits in der 1.Halbzeit drei Tore erzielen. Da die Chancen allerdings kläglich vergeben wurden, muss man die Heimreise mit einer Niederlage antreten. Das ist zutiefst ärgerlich.

Ich kann den Frust aller über diese Niederlage verstehen. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist die Art und Weise, wie man sich bei allem Ärger dermaßen unqualifiziert im Netz äußern kann. Es war bei weitem kein gutes Spiel der Löwen, vor allem nicht in der roten Zone des Gegners. Nichtsdestotrotz würde ich mich um ein wenig mehr Reflexion bei der Kritik bemühen. Ich finde es schade, dass in den Kommentarspalten Dinge kritisiert werden, die nachweislich nicht schlecht waren. Dafür bleibt die Kritik bei den offensichtlichen Problemen im Gegensatz dazu aus.

Man hat gegen eine starke Mannschaft, die vom Großteil der Trainer der 3.Liga vor der Saison auf Platz eins bis drei gesehen wurde (!) und die auf allen Positionen Qualität besitzt, eine gute Anzahl hochkarätiger Chancen herausgespielt. Dass die nicht verwandelt wurden ist weder die Schuld des Trainers noch mit der fehlenden Breite im Kader zu begründen. Daran sind einzig und allein die erfahrenen Spieler Mölders und Lex Schuld. Lex steht mit den Vorlagen zu Mölders’ Chancen in meinen Augen noch weniger deutlich in der Kritik als unsere Nummer neun. Ich bin mir aber sicher, dass Sascha Mölders das selbst weiß und er sich selbst noch viel mehr ärgert als alle Sofatrainer auf Facebook und in den Kommentarspalten der Printmedien sowie diverser Blogs zusammen.

Datenquelle: http://www.wyscout.com/

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Harald Clarner

Nicht das ich die Einschätzungen von Bernd Winninger in Frage stellen möchte, aber mich würde interessieren, ob der Kollege Winninger einen Trainerschein besitzt?

Stefan Kranzberg

Wieder mal eine sehr dezidierte Analyse des Kollegen Winninger. Sehr schön!