Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem letzten Spiel der Saison. Zuhause im Sechzgerstadion empfängt der TSV 1860 München die zweite Mannschaft des Vizemeisters Borussia Dortmund. Was müssen wir erwarten, wie spielt die Mannschaft von Enrico Maaßen, auf welche Spieler muss man besonders aufpassen?
TSV 1860 – Borussia Dortmund: Das klingt nach Bundesliga, nach großen Fußballfesten, nach Tradition und DFB Pokal. Morgen findet diese Partie in der 3. Liga statt und entscheidet darüber, ob die Sechzger nächstes Jahr im DFB Pokal spielen werden oder nicht. Der Wert des Kaders von Dortmund II beträgt 8,93 Mio. € – damit sind sie nicht mehr, wie noch in der Hinrunde, die wertvollste Mannschaft in der Liga. Freiburg II hat Dortmund überholt. Wobei: Das ist nicht ganz richtig, denn Dortmund II ist zurückgefallen. Der Kader der zweiten Mannschaft des Vizemeisters hat über zwei Millionen € an Marktwert verloren. Dennoch haben sie nach wie vor mit 331.000 € den höchsten durchschnittlichen Spielerwert.
Schauen wir, bevor wir uns zu lange mit dem Wert der Mannschaft beschäftigen, in welchem System Dortmund Fußball spielt. Systematisch passt sich die U23 dem Spiel der Erstligatruppe nicht an. Bei der zweiten Mannschaft wird im Gegensatz zur Ersten hinten mit Dreierkette agiert. Genauer gesagt im System 3-4-3 bzw. einer seiner Varianten. 3-4-2-1 oder 3-4-1-2. Zu Saisonbeginn hat der Coach Enrico Maaßen auch ein 3-1-4-2 ausprobiert, seit dem Unentschieden gegen Saarbrücken am 4. Spieltag kam das allerdings nicht mehr zum Einsatz.
Die statistischen Werte des BVB II
- Ballbesitz: 53%
- Passgenauigkeit: 80%
- Defensive Zweikampfquote: 60%
- Flankengenauigkeit: 37% (bester Wert der Liga)
- PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 8,23
Wie spielt Dortmund II?
Wie bei den meisten U Mannschaften von Bundesliga-Clubs, steht die Weiterentwicklung der Spieler in der zweiten Mannschaft im Vordergrund. Daher spielt der BVB mit dem 3-4-3 bzw. seinen Varianten ein System, das eher auf technische Finesse und Geschwindigkeit setzt als auf Kampf mit der Brechstange.
Wir müssen uns demnach auf technisch geprägtes Offensivspiel einstellen. Mit fünf Offensivakteuren vor zwei technisch begabten Sechsern und der Dreierkette, entfacht Dortmund nach vorne ein äußerst variables Feuerwerk an Offensivfußball. Das Dreigestirn in vorderster Front Tachie – Taz – Pherai kommt auf 44 Scorerpunkte (22 Vorlagen/ 22 Tore). Bei 48 bisher geschossenen Toren des BVB II durchaus ein Wert, der aufhorchen lässt. Tachie ist allerdings am Samstag nicht dabei; er wird wegen einer Gelb/Rot-Sperre fehlen.
Offensive
Der Spielaufbau aus der eigenen Defensive im Positionsspiel erfolgt zunächst ruhig und überlegt. Hat Dortmund dann die erste Pressingreihe des Gegners überspielt, wird meist das Tempo angezogen und über schnelle Passkombinationen nach vorn gespielt. Bevorzugt bringen die Dortmunder den Ball mit technischen Mitteln ins Zentrum vor das gegnerische Tor. Passkombinationen und Einzelaktionen, um einen Gegenspieler zu überlaufen, sind an der Tagesordnung.
Trotz der hohen Flankengenauigkeit bringt Dortmund den Ball lieber durch diagonales Spiel an und in den Strafraum, anstatt von außen Flanken zu schlagen. Mit zehn Flanken pro Spiel haben sie sich zwar seit dem Hinspiel gesteigert, trotzdem schlagen die U23-Borussen die wenigsten Flanken überhaupt in der Liga. Die Borussen finden aber auch ohne Flanken häufig den Weg in den gegnerischen Strafraum. Die zweite Mannschaft des BVB hat ligaweit die viertmeisten Ballkontakte im Strafraum des Gegners zu verbuchen.
Defensive
Gegen den Ball verschiebt sich das 3-4-3 meist zu einem 5-4-1, aber auch asymmetrische Verschiebungen, bei denen nur der ballnahe Mittelfeldaußenspieler zurück in die Kette fällt, hat man schon gesehen. Das ist meist dem System des Gegners geschuldet, dem man sich gegen den Ball durchaus versucht anzupassen.
Das Pressing der Dortmunder variiert, ist aber gegen spielstarke Teams eher auf Angriffssteuerung mit Ballgewinn im Mittelfeld und Umschaltspiel ausgerichtet als auf hohes Pressing und Ballgewinn in vorderen Drittel.
Die Stärken und Schwächen des Systems
Stärken
Das 3-4-3 bietet mit seiner exzellenten Tiefenstaffelung im Zusammenspiel mit taktischer Disziplin im Positionsspiel sehr variantenreiche Spielzüge im Aufbau. Gerade für spielstarke Teams ist dieses System daher eine wahnsinnig effektive Waffe. Angriffspressing und Gegenpressing können mit der Überzahl an Offensivspielern gut umgesetzt werden. Diese Überzahl verhilft der Mannschaft im 3-4-3 auch im letzten Drittel zu hoher Variabilität.
Schwächen
Die Dreierabwehrkette muss situativ immer wieder aus dem Mittelfeld heraus verstärkt werden, wenn der Gegner sich aus dem Pressing befreien kann. Das 3-4-3 stellt hohe Anforderungen an die individuelle Stärke der Spieler – sowohl mit als auch gegen den Ball. Wenn die Spieler ihre Rollen im taktischen Konzept nicht akribisch einhalten, kann das Spiel im 3-4-3 leicht zum Debakel werden. Außerdem ist es sehr konteranfällig.
Die Schlüsselspieler
Tor
Im Gegensatz zum Hinspiel ist der etatmäßige Stammkeeper Luca Unbehaun (#25), der im Herbst einige Wochen mit einer Handverletzung pausieren musste, wieder einsatzfähig. Ob er jedoch spielen wird, kann man nicht sagen. Vergangene Woche war Unbehaun bei der ersten Mannschaft auf der Bank und Stefan Drljaca (#40) musste erneut einspringen.
Unbehaun ist vermutlich eines der größten deutschen Talente im Tor. Gute Reflexe, sichere Strafraumbeherrschung, kaum selbstverschuldete Gegentreffer. Er wird seinen Weg gehen und früher oder später als Nummer 1 bei einer Mannschaft der 1. Bundesliga auftauchen. Kleine Leistungsschwankungen, die er noch hat, sind in einem Alter von 21 Jahren normal. Grundsätzlich ist er ein sicherer Rückhalt seiner Mannschaft und obendrein ist er ein guter Fußballer, der auch mit dem Ball umzugehen weiß.
Drljaca hat Schwächen bei hohen Bällen und Standards, ist aber abgesehen davon ein Keeper mit guten Reflexen. Die fehlende Erfahrung kann der 23jährige nicht in dem Maße kompensieren wie Unbehaun.
Wer schlussendlich im Kasten stehen wird, kann ich nicht vorhersagen.
Abwehr
Innenverteidiger Niklas Dams (#30) ist einer der Spieler, die älter sind als 23 Jahre. Mit seiner Erfahrung gibt er der Abwehrreihe Stabilität. Er ist bei Zweikämpfen gegen den Ball stark und kann diese meistens lösen, ohne die Grätsche auspacken zu müssen. Er organisiert die Defensivreihe und auch die Spieleröffnung im Positionsspiel obliegt meist ihm. Letzte Woche war er jedoch nicht im Kader. Warum das so war, entzieht sich meiner Kenntnis. Bei der Ersten wurde er nicht eingesetzt und war obendrein weder gesperrt noch verletzt. Ich gehe davon aus, dass er – falls er einsatzbereit ist – morgen spielen wird.
Mittelfeld
Franz Pfanne (#23), Kapitän und defensiver Mittelfeldspieler, wurde letzte Woche an Dams Stelle in der Innenverteidigung eingesetzt. Ich gehen davon aus, dass er am Samstag wieder seine Stammposition als Sechser einnehmen wird. Wie Dams ist auch er älter als 23 Jahre und seine Mitspieler profitieren stark von seiner Erfahrung. Er ist gegen den Ball sehr zweikampfstark und hat ein äußerst präzises Passspiel. Bei fast jedem Angriff im Positionsspiel hat er Ballkontakte. Er fällt meist die Entscheidung, über welche Zone der laufende Angriff vorgetragen wird.
Berkan Taz (#10) und Immanuel Pherai (#28) sind beide brandgefährlich und müssen unbedingt unter Kontrolle gehalten werden. Sie sind schnell, dribbelstark, passsicher und mit einer guten Schussgenauigkeit ausgestattet.
Pherai war wie Unbehaun vergangene Woche bei der 1. Mannschaft auf der Bank und bekam auch eine Minute Einsatzzeit. Ob er spielen wird, kann ich nicht sagen, da die Erste der Borussia mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hat. Ganze zehn Spieler fallen dort aus und müssen ersetzt werden.
Sturm
Mit Tachie fehlt der wichtigste Mann im Sturm Gelb/Rot-gesperrt. Mit Bradley Fink hat die Borussia allerdings durchaus einen Ersatz mit Torriecher in der Hinterhand, der in der Rückrunde regelmäßig im Einsatz war. Der U19-Nationalspieler der Schweiz hat bisher in der 2. Mannschaft zweimal getroffen, in der U19 des BVB hat er 13 Treffer in ebenso vielen Spielen erzielt.
Fazit
Unser Präsident Robert Reisinger hat einen Sieg am morgigen Samstag als Pflicht für die Mannschaft des TSV 1860 München im Spiel gegen Borussia Dortmund II ausgerufen. Ich denke, kein Fan der Sechzger wird das anders sehen. Den 4. Platz und damit die Qualifikation zur Teilnahme am DFB Pokal in der nächsten Saison muss die Mannschaft unbedingt verteidigen. Da man nicht davon ausgehen kann, dass Mannheim sich gegen Havelse eine Blöße gibt, oder dass Magdeburg ohne Wenn und Aber in Osnabrück gewinnt, gibt es, um den DFB Pokal-Platz zu verteidigen, keine Alternative zum Sieg.
Ein ausverkauftes Sechzgerstadion, in dem die Mannschaft des TSV 1860 München gegen die kleinen Borussen aus Dortmund frenetisch von den Fans – die, wenn es nach dem ausgerufenen Motto geht, alle im Trikot aufkreuzen – nach vorne gepeitscht wird, hilft Michael Köllners Team mit Sicherheit dabei, dieses Ziel umzusetzen.
Einsatzwille, Laufbereitschaft, Kampfgeist und Konzentration werden der Schlüssel zum Erfolg sein. Dass Michael Köllner wie immer den richtigen Matchplan haben wird, steht außer Frage. Wenn die Mannschaft ihn wie vorgesehen umsetzt, wird der TSV 1860 gegen Borussia Dortmund als Sieger vom Platz gehen – da bin ich mir sicher!
So könnte Borussia Dortmund II gegen den TSV 1860 beginnen
Datenquelle: Wyscout