Schmerzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse der gestrigen Niederlage unseres TSV 1860 München gegen Dynamo Dresden.

TSV 1860 München gegen Dynamo Dresden lautete die Begegnung am Montagabend unter Flutlicht im wie immer ausverkauften Sechzgerstadion, der Endstand war ein 1:2. Keine Gegenwehr titelte mein Kollege Thomas Enn in den Giesinger Gedanken und am Ende muss man eingestehen, dass es das genau auf den Punkt bringt. Warum werde ich euch erläutern.

Es hätte so schön werden können, wenn die vom soeben entlassenen Löwendompteur Köllner wie (fast) immer im 4-1-4-1 auf den Platz geschickten Löwen die Leistung aus der Anfangsphase bis zum Schlusspfiff durchgehalten hätten. Die Löwen spielten gegen die systemgleich antretenden Sachsen zunächst guten Fußball und verloren nach etwa zwanzig Minuten komplett den Faden. Ein kurzes Aufbäumen nach der Halbzeitpause reichte nicht, um aufopferungsvoll kämpfenden Dresdnern adäquate Gegenwehr zu leisten und die sich, je länger die Partie dauerte, immer deutlicher abzeichnende Niederlage zu verhindern.

Die im Zentrum stark besetzten Gäste spielten taktisch genau wie von mir erwartet. Präzises Kombinationsspiel über die Zentrale und die Halbpositionen war die Maxime der Mannschaft von Trainer Markus Anfang, um zum Erfolg zu kommen. Ab Mitte der ersten Halbzeit fand der TSV 1860 München kaum mehr Mittel, um Dynamo Dresden vor dem eigenen letzten Drittel in Schach zu halten.

Sehen wir uns im Folgenden an, woran man das festmachen kann und warum es am Ende des Tages nicht gereicht hat gegen an diesem Tag durchaus schlagbare Dynamos zu bestehen.

Zunächst aber wie immer die wichtigsten statistischen Werte des Spiels.

Die wichtigsten statistischen Werte

  • Ballbesitz TSV 1860 49% – SGD 51%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 74% – SGD 66%
  • Defensive Zweikampfquote TSV 1860 40% – SGD 61%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 19/4 – SGD 9/4
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 6,36 – SGD 5,47

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz

Fast ausgeglichene Spielanteile für beide Teams mit lediglich zwei Prozent mehr für die Gäste. Das war so zu erwarten und spiegelt auch das wieder, was auf dem Platz zu sehen war. Allerdings muss man hier die Partie in verschiedene Druckphasen der beiden Mannschaften zerlegen, damit deutlich wird, dass es ganz so ausgeglichen, wie es auf den ersten Blick erscheint, nicht war. Zu Beginn der Partie hatten die Löwen deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner. Von dieser zunächst deutlichen Überlegenheit zehrt diese Statistik für die Sechzger über den restlichen Spielverlauf hinweg.

Die Chancenverteilung aus der Anfangsphase der Partie zeigt das auch deutlich auf. Bis zur 20.Minute hatte die Mannschaft des TSV 1860 München Dynamo Dresden zu keinem einzigen Schuss kommen lassen, selbst aber bereits dreimal auf den Kasten des Gegners gefeuert und 13 zu Ende gespielte Positionsangriffe auf dem Konto.

Das daraus resultierende Tor für die Löwen war im Endeffekt allerdings lediglich verfrühte Ergebniskosmetik. Für den Rest der 90+6 Minuten stehen nur weitere 17 durchgebrachte Angriffe auf der Habenseite zu Buche. Waren es also zu Beginn der Partie 0,65 bis ins letzte Drittel des Gegners durchgespielte Positionsangriffe, schafften die Löwen das in den verbleibenden 70 Minuten plus Nachspielzeit nur noch 0,22 Mal pro Minute. Das ist eine Verschlechterung um mehr als zwei Drittel des Ausgangswerts.

Den Ball haben und auch etwas Adäquates damit anfangen können sind eben zwei verschiedene Paar Schuhe. Das überlegene Schussverhältnis, auf das ich weiter unten eingehen werde, könnte dazu verleiten am Ende doch eine Überlegenheit bei den Sechzgern zu vermuten. Aber auch das werde ich ins Reich der Fabel verweisen. Kommen wir allerdings zunächst zur Passgenauigkeit.

Passgenauigkeit

Auch diese Statistik sieht den TSV 1860 nach nackten Zahlen mit 74% vorne. Das könnte einen positiv stimmen. Dass allerdings im Schnitt nur knapp mehr als zwei Pässe in Folge beim eigenen Mann ankamen, lässt sich auf den ersten Blick an dieser Zahl nicht erkennen.

Dieser Wert von knapp mehr als zwei angekommenen Pässen im Schnitt liegt deutlich unter dem Saisonschnitt der Sechzger in dieser Kategorie.

Dresden war zwar nur knapp besser, was die durchschnittliche Passanzahl pro Ballbesitzphase betrifft und um einiges schlechter, was die eigene Passgenauigkeit anbelangt, hat es aber über weite Strecken des Spiels durch die eindeutig höhere Aggressivität und die deutlich höhere Erfolgsquote bei Defensivduellen viel häufiger geschafft nach Ballverlust direkt wieder in Ballbesitz zu kommen als unsere Löwen.

Blickt man auf die Zahlen abgefangener Bälle und zurück erkämpfter sogenannter zweiter Bälle in der Hälfte des Gegners, stehen die Sachsen hier um einen Wert von jeweils sage und schreibe 25% vor unseren Löwen. Die Passgenauigkeit war für Dresden also, wenn man sie in Relation zu erfolgreichen Aktionen im Kampf um zweite Bälle setzt, absolut vernachlässigbar.

Hier zahlte sich die höhere Aggressivität aus.

Defensive Zweikampfquote

Unterirdisch ist die Vokabel der Wahl, wenn man auf die Zweikampfbilanz gegen den Ball der Sechzger blickt. Und nicht nur die Quote ist erschreckend, auch die absolute Zahl von lediglich 27 gewonnenen Defensivduellen am Boden ist etwas, worüber der ein oder andere vielleicht lieber den Mantel des Schweigens legen würde.

Vor allem im eigenen Sechzehner legte der TSV 1860 München eine Bilanz an den Tag, für die man sich schämen muss. Bei 17 Ballkontakten der Gäste in der Box der Löwen führten die Sechzger gerade einmal drei Defensivduelle im eigenen Strafraum, von denen lediglich eines gewonnen werden konnte. Zwei dieser 17 Ballkontakte der Dresdner in der Box der Löwen waren gewonnene Kopfballduelle. Das heißt: bei 12 von 17 Ballkontakten der Gäste im Strafraum führten die Sechzger keinen Zweikampf gegen den Ball.

Wieder einmal waren die Abstände zu den Gegenspielern zu groß.

Schüsse/aufs Tor

Wieder eine Statistik, die theoretisch für unsere Löwen spricht. 19 Schüsse konnten die Sechzger abfeuern. Was diese Statistik allerdings nicht aufzeigt, ist, dass Dresden 12 dieser 19 Schüsse blocken konnte. Das ist etwas, was man als Gegenwehr bezeichnen kann.

Dresden schoss neun Mal. Vier dieser neun Schüsse gingen auf den Kasten von Marco Hiller, zwei bekanntermaßen hinein. Von diesen neun Schüssen blockte die Abwehr des TSV 1860 München keinen einzigen.

Fazit des Ganzen: Keine Gegenwehr, wie es vom Kollegen Enn treffend formuliert wurde.

PPDA

Der Wert für die Pressingintensität zeigt, dass die Löwen durchaus gewillt waren hoch anzulaufen. Allerdings wird hier nur die Anzahl der gesetzten zugelassenen Pässe pro Aktion gezählt und nicht, ob die Aktion sofort oder im Nachgang durch das Setzen erfolgreicher Pressingfallen zum gewünschten Erfolg geführt hat.

Der Wert der PPDA an sich, die defensive Zweikampfbilanz und die Anzahl der abgefangenen Pässe sprechen auch hier deutlich für die Gäste aus Sachsen.

Das fiel auf

Wie in vielen Spielen zuvor zeigten die Sechzger in der Anfangsphase, was sie eigentlich drauf haben. Bis zur 20.Minute hatte der TSV 1860 alles im Griff. Sämtliche Zahlen für diesen Zeitraum belegen das.

Danach ergab sich die Mannschaft aus Giesing abgesehen von einer kurzen Phase nach Wiederanpfiff ihrem Schicksal. Der TSV 1860 hatte gegen Dynamo Dresden lediglich Alibiaktionen im Angriff und ließ die Gäste bis zum Ausgleich quasi nach Belieben agieren. Erst als es zu spät war, war ein weiteres Aufbäumen zu sehen.

Ab der 56. Minute konnten die Löwen lediglich zwei von 12 Schüssen so gestalten, dass der Ball durch die kämpferisch deutlich besser eingestellte Abwehr Dresdens hindurch kam. Nur ein Schuss in der Phase zwischen Ausgleich und Schlusspfiff verschaffte dem Torhüter der Sachsen Arbeit.

Die Tore

Hier könnt ihr euch die Tore und weitere Highlights noch einmal ansehen.

Eine Beschreibung möglicherweise nicht sofort ins Auge fallender Fehler bei den Gegentoren ist diesmal nicht notwendig. Man sieht bei beiden Gegentoren genau, wer was wann verbockt und warum diese nicht verhindert werden konnten. Die Stichworte Abstände zu Gegenspielern und fehlende Aggressivität gegen den Ball sollten reichen.

Fazit zur Niederlage des TSV 1860 gegen Dynamo Dresden

Die Antwort auf diese Leistung hat der TSV 1860 München am Dienstag selbst gegeben. Trainerentlassung. Die Ära Michael Köllner beim TSV 1860 München ist damit zu Ende.

Wir werden schon im nächsten Spiel sehen, ob das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer oder die fehlende Qualität der Arbeit des Trainers ursächlich für die Krise des TSV 1860 München war.

Zeigen die Löwen gegen Oldenburg und in den Spielen der folgenden Wochen über einen längeren Zeitraum als 20 Minuten pro Spiel, dass sie fähig sind zu dominieren, oder brechen sie weiterhin nach der Anfangsphase ein?

Je nachdem welches der beiden Szenarien eintritt, kann man dann Rückschlüsse auf die Ursache ziehen.

Datenquelle: Wyscout

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Darock

Danke für die Analyse, wie immer sehr interessant das alles aufgearbeitet zu bekommen. Was mir gestern deutlich aufgefallen ist, ist die Chancen nach Eckbällen, wir hatten gefühlt 10 Eckbälle in der zweiten hälfte, Gefahr ging hiervon jedoch kaum aus. Was Gorenzel heute auch angesprochen hat, war das man nicht das Gefühl hatte, dass die Mannschaft davon überzeugt ist, dass Spiel zu Gewinnen, die Körpersprache ist meines Erachtens weit weg von einem Team, welches oben mitspielen möchte.

Last edited 1 Jahr zuvor by Darock
United Sixties

Das schwache Degensivverhalten im Mittelfeld und auch in der zu oft gelobten Innenverteidigung sind ursächlich für den Negativtrend gepaart mit schwächster Chancenverwertung ( insbesondere per Kopf wie bei Verlaat, Morgalla und Bär) .
wird sehr spannend zu sehen was da Goremzel umstellen wird und mental bewirken kann. Denn er hat ja erkannt:“ Psychisch liegt bei einigen Profis das Problem !“

Kassenwart

Kretschmer für Hiller – wenn Leistung und nicht Namen zählen.

Tallig für Kobi. Der hatte lange genug seine Chance.

Lannert kommt eh für Deichmann.

Siggi

“Lannert kommt eh für Deichmann.”
Wegen der 5. Gelben (zwecks Komplettierung der Info)

United Sixties

Tallig u. Kretzschmar wohl kaum. Gorenzel lässt ggf. so spielen:
1 Hiller
2 Lannert 4 Morgalla 5 Verlaat 3 Steinhart
6 Wein o. Wörl (statt Rieder) 8 Holzhauser
7 Lex 10 Vrenezi 11 Greilinger (statt Boyamba)
9 Bär