Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Heimspiel unseres TSV 1860 München gegen den SC Verl. Die Powerfußballtruppe aus Ostwestfalen hat vor allem offensiv einiges auf dem Kasten. Sehen wir uns an, was die Löwen am Samstag erwartet.

SC Verl – TSV 1860: Wie wird es am Samstag gegen die spielstarken Ostwestfalen am Samstag im siebten Aufeinandertreffen der beiden Teams in Liga 3 aussehen?

In erster Linie kommt Alexander Endes Elf mit dem 4-3-1-2 (flache Raute) in einem System daher, das so in dieser Liga selten zum Einsatz kommt. Ich persönlich denke, dass die Art und Weise, wie Verl das anlegt, in erster Linie Spektakelfußball mit sich bringt, der allerdings durchaus brenzlige Situationen für die eigene Hintermannschaft hervorrufen kann.

Das 4-3-1-2 der Verler beruht auf einer Dreierkette im defensiven Mittelfeld und nur einem offensiven Mittelfeldspieler, der meist die Rolle des Schattenstürmers bekleidet und somit aus der Tiefe für Gefahr im Zentrum hinter der Doppelspitze sorgen soll.

Gegen den Ball presst Verl im Allgemeinen sehr hoch und aggressiv gegen den ballführenden Aufbauspieler. Gleichzeitig wird im Mittelfeld versucht, die als gefährlich geltenden Spieler des Gegners, ebenso wie die kurzen Passwege dorthin, im Raum zuzustellen.

Die Defensivlinie muss dabei sehr hoch agieren, denn sonst könnte man diese Art des Pressings auf allen Positionen nicht durchführen.

Schafft es der Gegner, sich spielerisch aus dieser Umklammerung freizuspielen, ist das Rückzugsverhalten der Verler diszipliniert und situativ zu nennen. Die Verschiebungen richten sich eher nach dem, was der Gegner versucht zu spielen, als nach einem taktischen Defensivplan, der auf Raumdeckung im defensiven Positionsspiel beruht. Das verlangt von allen Spielern der Verler permanente Konzentration, gute Antizipation der gegnerischen Spielzüge und vor allem viel Laufarbeit.

Bevor wir die Spielweise Verls genauer betrachten, wie immer die bisherigen statistischen Werte des Gegners in dieser Saison.

Statistische Werte des SC Verl

  • Ballbesitz: 59% (Platz 1)
  • Passgenauigkeit: 87% (Platz 1)
  • Defensive Zweikampfquote: 60%
  • Flankengenauigkeit: 43% (Platz 2)
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 7,52 (Platz 2)

Wie spielt der SC Verl?

Der Statistiktabelle ist schon zu entnehmen, dass Verl gerne den Ball hat, sie dabei auch äußerst ballsicher und auf allen Ebenen genau agieren. Zudem laufen die Spieler des SC Verl sehr aggressiv gegen den gegnerischen Ballbesitz an und haben nicht nur in den pressingrelevanten Zonen, sondern überall auf dem Platz eine sehr hohe Zweikampfintensität. Hier liegen sie auf dem dritten Rang hinter Bielefeld uns Dresden.

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz setzt Verl auf eine dynamische Dreierkette. Das bedeutet: Beide Außenverteidiger schieben ins Mittelfeld nach vorne und ein eher defensiv eingestellter Spieler aus der Dreierkette davor kippt ab. Verl wäre nicht Verl, wenn nicht auch hier eine besondere Variante zum Tragen käme. Im Normalfall, wenn ein Verein die Dynamische Dreierkette spielt, kippt der Tiefe Sechser zwischen die beiden Innenverteidiger ab und es entsteht ein 3-4-3. Bei Verl kippt meist der rechte Spieler der Kette im defensiven Mittelfeld (Corboz) ab und das auch nicht bis auf die gleiche Höhe wie die beiden verbliebenen Verteidiger der Viererkette, sondern leicht asymmetrisch davor.

Asymmetrie

Dadurch entsteht ein rechts asymmetrisches 3-4-3. Je nach Staffelung des Gegners im Mittelfeld kann es, bis Corboz sich entschließt den Angriff mit einem Pass zu eröffnen, einige Zeit dauern. Die Laufbereitschaft der Spieler im Zentrum des Spielfeldes bei Verl ist ungeheuer groß, ebenso wie die Geduld der Spieler des Sport Clubs im Aufbau. Hat sich ein Mannschaftskamerad dann endlich durch die Verschiebungen im Mittelfeld genügend Raum verschafft, kommt die präzise Attacke aus der Tiefe blitzschnell.

Durch das Überladen des Mittelfelds mit den beiden Außenverteidigern und dadurch, dass Corboz, sobald er die Kugel nach vorne gepasst hat, ebenfalls mit nach vorne prescht, findet sich, wenn der Gegner nicht hellwach und konzentriert im Raum die Spieler übergibt oder in der Manndeckung Fehler macht, immer eine Anspielstation für den SC.

In der Vergangenheit waren es vor allem die Außenstürmer, die das Spiel der Verler in des Gegners Spielfeldhälfte belebten, nun ist es die Mittelfeldzentrale. Hat Corboz einmal neben Batista Meier seine Offensivposition erreicht, versprühen die Verler vor allem dort viel Gefahr. Vierzehn Scorerpunkte der Verler beruhen allein auf Aktionen der drei zentralen Spieler Corboz, Batista Meier und Lokotsch.

Ist im Zentrum zu viel los, spielt der SC problemlos auch über die Flügel. Die Flankengenauigkeit von knapp über 43% spricht hier Bände.

Gegen den Ball

Hohes Pressing regiert den Verler Defensivansatz. Um das gut und erfolgreich auf den Platz zu bringen, ist es vonnöten, dass die Verler auch in der Defensivlinie weit nach vorne schieben. Mit einer Mischung aus Mann- und Raumdeckung probiert Verl, den Gegner zu langen Bällen zu zwingen, um möglichst den zweiten Ball nach so einem Versuch erkämpfen zu können und sofort wieder ins Umschaltspiel gehen zu können.

Spielt sich die gegnerische Mannschaft bis ins letzte Drittel des SCV hinein, verteidigt Verl mit zwei kompakten Ketten vor der eigenen Box: je nach Anzahl der gegnerischen Spieler im Mittelfeld und Restverteidigung im 4-4-1-1 oder 4-5-1.

Stärken und Schwächen des Systems 4-3-1-2 (Raute flach)

Stärken

Dieses System entfaltet durch die Dreierkette im defensiven Mittelfeld, in der alle drei Spieler offensiv unterschiedliche Rollen bekleiden, vor allem im Umschaltspiel und bei Konterangriffen eine große Wucht. Die variablen Möglichkeiten der Verschiebungen machen es auch für den Gegner schwer ausrechenbar.

Durch die auf den Außenbahnen, in diesem System meist als Schienenspieler fungierenden Außenverteidiger, schafft es eine Mannschaft in diesem System leicht, eine Überzahl in der Offensive herzustellen. Mannschaften, die hier mit dem falschen Defensivplan antreten, erleben nicht selten ihr blaues Wunder.

Gegen den Ball ist es in diesem System wegen der kurzen Abstände der Spieler in der Defensive leicht, ballnah zu verdichten und so die Räume für spielstarke Mannschaften zu beengen.

Schwächen

Das Spiel in diesem System lebt von der Laufleistung der Schienenspieler, um diesen nach einem erfolgreichen Angriff bis ins letzte Drittel des Gegners wieder die Möglichkeit zu geben, sich in den Defensivverbund einzureihen. Hierfür ist permanentes hohes Pressing, sowie schnelles Rückzugsverhalten, wenn die Pressinglinie überspielt wird, unabdingbar. Das und die überbordende Laufarbeit auf den defensiven Außenpositionen kann gegen Ende des Spiels konditionelle Probleme hervorrufen.

Durch die Überzahl, die in der Offensive geschaffen wird, ist eine Mannschaft, die dieses System spielt, gegen Umschalt- und Konterangriffe anfälliger als bei Systemen, die in der Restverteidigung kompakter bleiben.

Wie kann man Verl knacken?

Gegen den Ball

Ein Patentrezept für den TSV 1860 gegen die variable Spielweise des SC Verl – sowohl mit als auch gegen den Ball – gibt es wohl nicht. Was bei Ballbesitz der Verler wichtig sein wird, ist, dass die Sechzger den eigenen Defensivverbund so verschieben, dass Verl nie Ãœberzahl in den gefährlichen Zonen vor dem Tor bekommt. Verl kann auf engem Raum im Zentrum sehr genau und direkt agieren. Das gilt es zu verhindern. Ebenso muss der TSV 1860 das schnelle und direkte Umschaltspiel des SC Verl in Zaum halten bzw. erst gar nicht zulassen. Gegenpressing in allen Zonen nach Ballverlusten muss das oberste Credo für die Löwen sein. Es wird für die Sechzger gegen den Ball ein kräfteraubender Akt werden, Verl unter Kontrolle zu halten.

Ein großes Problem dabei kann sein, dass Verl zwar am stärksten ist, wenn sie im Zentrum agieren, jedoch darf man deren Flügelspiel nicht unterschätzen. Die hohe Flankengenauigkeit kommt nicht von ungefähr.

Bei Ballbesitz

Bei eigenem Ballbesitz aus dem Umschaltspiel heraus gilt es für den TSV 1860 München, vertikales präzises Spiel gegen den SC Verl anzuwenden und die oft dünne Restverteidigung der Verler auf dem falschen Fuß zu erwischen. Die ballverliebten Verler muss man in den Phasen, in denen sie die Kugel verlieren, schnell und präzise attackieren, um zum Torerfolg zu kommen.

Die variable Defensive der Verler im Positionsspiel zu knacken, wird nur durch gute Aktionen, in denen man es schafft, Ãœberzahl herzustellen, zu knacken sein.

Ein weiteres Mittel könnten Standardsituationen sein. Präzise gespielte Eckbälle und schlitzohrige Freistoßvarianten wie beim Tor in Ingolstadt können auch ein Mittel sein, um Verl (wie auch jeden anderen Gegner) auszustechen.

Schlüsselspieler

Tor

Ob Luca Unbehaun (#1) im Tor steht oder nicht, kann ich leider nicht sagen. Vergangene Woche musste er das Spielfeld verletzt verlassen, jedoch ist er momentan auf transfermarkt.de nicht als verletzt gelistet. In unserem Talk am vergangenen Sonntag wurden wir jedoch vom Vorstand des SC Verl informiert, dass der Zeitpunkt für Unbehauns Rückkehr ins Training von den Ärzten determiniert wird. Ich gehe daher mal davon aus, dass er spielen wird.

Der 22-jährige Torhüter kam im Sommer vom BVB II, wo er im Kasten der Borussen so gute Leistungen zeigte, dass er des Öfteren als Ersatztorwart für die erste Mannschaft nominiert wurde. Der 1,85 m große Keeper ist ein reflexstarker Torhüter mit unfassbar guter Strafraumbeherrschung. Im Timing bei eins gegen eins Situationen ist er wie viele junge Keeper nicht auf Topniveau, aber das ist seine einzige leichte Schwäche. Ich hab über ihn schon des mehrmals geschrieben, dass ich ihn für eines der größten Talente im Tor momentan halte. Diese Meinung vertrete ich weiterhin, früher oder später wird er in der 1. Liga aufschlagen und dort von sich reden machen.

Abwehr

In der Abwehr ist für mich ganz klar Daniel Mikic (#4) der Schlüsselspieler des SC Verl. Trainer Alexander Ende scheint das zumindest im letzten Spiel nicht so gesehen zu haben. Da saß der bisher zweikampfstärkste Defensivspieler der Verler nämlich auf der Bank und musste für Pernot, der zwar schon vergangene Saison bei Verl spielte, aber nach Ablauf seines letzten Vertrags erst wieder am 6. September zum SC gestoßen war, Platz machen. Mikic hat in der Dritten Liga einen Karrierewert von 79% gewonnener Zweikämpfe. In dieser Saison kommt er bisher nur auf 63%, ist aber trotzdem der zweikampfstärkste Defensivakteur der Verler. Sein größtes Manko ist eine gewisse Schwäche in Luftduellen. Durch die oben erwähnte Art, die Dynamische Dreierkette zu spielen, ist allerdings für die Spieleröffnung meist Corboz zuständig.

Mittelfeld

Maël Corboz (#27) der Kapitän ist das Herzstück des Verler Spiels, der intelligente Mittelfeldspieler, der, wenn Verl die Dynamische Dreierkette nutzt, derjenige ist, der asymmetrisch in die Abwehr abkippt. Er führt Regie was den Angriffsaufbau im Positionsspiel anbelangt. Aber nicht nur das: Corboz ist obendrein auch torgefährlich und ein guter Vorbereiter, wenn er den Weg nach vorne antritt, was meistens in dem Moment der Fall ist, nachdem er die Attacke eingeleitet hat und er erkennt, dass der Spielzug funktioniert. Zwei Tore und zwei Vorlagen hat der Franco-Amerikaner schon auf dem Konto. Er ist sehr passsicher und überaus kopfballstark, mit gutem Stellungsspiel, aber Defiziten im Zweikampf gegen den Ball auf allen Ebenen. Er sticht, wenn er sich auf den Weg nach vorne macht, aus dem Halbraum ins Zentrum. Dort agiert er dann entweder als Vorbereiter oder Vollstecker von Chancen.

Oliver Batista Meier (#17) gibt den Zehner beim SC Verl. Passsicher, mit hoher Schussgenauigkeit ausgestattet und dribbelstark ist der ehemalige Spieler unserer Nachbarn aus der Seitenstraße beim SC Verl als Schattenstürmer ein wichtiges Puzzleteil im stark besetzten Zentrum der Offensivabteilung. Drei Treffer und zwei Vorlagen stehen für ihn zu Buche.

Sturm

Lars Lokotsch (#13) war gegen Dortmund am vergangenen Wochenende nicht im Kader. Der Vier-Tore-Mann des SC Verl kommt also mit voll aufgeladener Batterie nach München. Der von Fortuna Köln im Sommer nach Ostwestfalen gewechselte Lokotsch findet sich nach einer Saison in der Regionalliga also nun wieder in der Dritten Liga. Vier Tore und eine Vorlage sind für einen Stürmer in sechs absolvierten Spielen eine gute Ausbeute, oder? 80% seiner Schüsse verschaffen dem gegnerischen Torhüter Arbeit. Lokotsch ist ein eher unauffälliger Stürmer, aber wenn er in der Box die Kugel hat, herrscht Gefahr. Ihn in Manndeckung zu nehmen, sobald der Gegner im letzten Drittel steht, wäre anzuraten, ist aber heutzutage mit den Defensivstrategien in der letzten Reihe nicht mehr umsetzbar.

Fazit

Es wird schwer für den TSV 1860 gegen den SC Verl und so sehr ich mir auch die drei Punkte wünsche, glaube ich, es wird ein Spiel auf Messers Schneide werden, bei dem am Schluss viele Tore gefallen sein werden, aber möglicherweise keine Mannschaft als Sieger den Platz verlassen wird.

Verl steht für Spektakel auf dem Platz. Diesem Ansatz muss man Härte, Laufbereitschaft Kampfeswillen und unbedingten Siegeswillen entgegensetzen sonst gerät man auf die Verliererstraße.

Ich hoffe auf die volle Punktausbeute, das wird aber am Samstag sehr schwer.

So könnte der SC Verl beginnen

Datenquelle: Wyscout

5 2 votes
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
3 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Aymen1860

Die optimale Einstimmung/Vorbereitung auf das Spiel die Taktiktafel. Hohe Passgenauigkeit, hohes Pressing und sehr torgefährlich. Scheint schwer zu werden.

Havellöwe

Der bereits vorhandene Respekt vor den Verlern wurde somit auf eine fundierte Grundlage gesetzt.

Groeber

Wie immer eine Meisterleistung, diese Taktiktafel. Da können alle anderen Blogs und Zeitungen von Meister Winninger noch ganz viel lernen.