Ein herzliches Grüß Gott zur Taktiktafel vor dem Spiel unserer Löwen gegen die Hanseaten aus dem hohen Norden. Zwei Punkte stehen für Lübeck nach den ersten beiden Spieltagen auf dem Konto. Womit muss man beim kommenden Gegner der Löwen rechnen?

TSV 1860 – VfB Lübeck, dieses Duell gab es in der 3. Liga bisher erst zweimal. Die Lübecker werden vermutlich im 4-2-3-1 gegen den TSV 1860 München antreten. Lukas Pfeifer, der jüngste Trainer in Liga 3, setzt dabei grundsätzlich auf eine stabile kompakte Defensive, die den Gegner kommen lässt. Bei Ballgewinn ist der Plan, durch zügiges Umschalten und vertikales Spiel schnell ins letzte Drittel des Gegners vorzustoßen.

Die Pressinglinie der Lübecker ist dabei – solange die Mannschaft nicht auf die Verliererstraße gerät – meist auf tiefem mittleren bzw. auf sehr tiefem Niveau gesetzt, während sich die Defensivlinie stabil an der vorderen Grenze des letzten Drittels aufstellt.

Bevor wir tiefer in die Spielweise des VfB Lübeck eintauchen, wie immer zunächst die Statistiken der Gäste.

Statistische Werte des VfB Lübeck

  • Ballbesitz: 44%
  • Passgenauigkeit: 78%
  • Defensive Zweikampfquote: 56%
  • Flankengenauigkeit: 45%
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion): 11,07

Wie spielt der VfB Lübeck?

Bei Ballbesitz

In dem Moment, in dem Lübeck im Spiel den Ball erobert, versucht der VfB grundsätzlich schnell in die Spitze zu spielen und dort über den Zielspieler die Kugel zunächst festzumachen und dann die nachrückende Mittelfeldreihe zur Vorbereitung des Torabschlusses zu bedienen. Dabei verschiebt Lübeck aus dem Mittelfeld die Mittelfeldaußenspieler ballnah auf die Außenposition im Sturm und ballfern in die Halbräume neben dem Zielspieler.

Auch beim Aufbau aus der eigenen Abwehr heraus, ist der lange Ball nach vorn auf den Zielspieler oder in die offensive Mittelfeldreihe das Mittel, dessen man sich am häufigsten bedient. Ein Drittel aller Vorwärtspässe der Lübecker sind bisher lange Bälle gewesen.

Beim Eindringen ins letzte Drittel oder den Strafraum sind die Lübecker nicht sonderlich variantenreich, aber durchaus effektiv. Das Spiel gegen Mannheim am vergangenen Wochenende zeigte deutlich, dass der Sturm der Hanseaten nicht unterschätzt werden darf. Abgesehen vom irregulären Treffer zum 2:2-Ausgleich des VfB hätte Lübeck zwei Elfmeter bekommen müssen. Daraus lässt sich ablesen, dass der VfB in der Spitze durchaus Gefahr entwickeln kann, wenn man die Mannschaft auf die leichte Schulter nimmt.

Gegen den Ball

Der VfB Lübeck denkt nach einem Ballverlust nicht daran, im Kollektiv ein Gegenpressing zu entwickeln. Lediglich der Spieler, der den Ball verloren hat, oder ein sich in der Nähe des Balles aufhaltender Mannschaftskamerad, gehen auf den verlorenen Ball. Die restlichen Spieler ziehen sich diszipliniert mit guter Raumaufteilung zurück und machen das Mittelfeldfeld für den Gegner eng und schwer zu durchdringen. Lübeck wählt hier einen sehr mannorientierten Defensivansatz, der ungeduldige Gegner zermürben kann.

Im letzten Drittel steht Lübeck mit zwei eng gestaffelten Linien vor bzw. in der eigenen Box und versucht, das Spiel des Gegners auf den Flügel zu zwingen, um von dort geschlagene Flanken abzuwehren und sich im Kampf um den zweiten Ball danach eine Chance zum schnellen Umschalten zu erarbeiten.

Auch in der eigenen Box haben die Lübecker Spieler keine Scheu, den direkten Zweikampf zu suchen und diesen mit fairen Mitteln zu lösen.

Wie kann man Lübeck knacken?

Um den VfB Lübeck adäquat zu bespielen und die maximale Punktausbeute einzufahren, muss sich der TSV 1860 München wie in den letzten beiden Spielen auf sich selbst und die eigenen Tugenden konzentrieren. Das heißt, das vertikale Spiel des VfB in die Pressingfallen forcieren und die Hatz nach dem zweiten Ball durch die Hanseaten möglichst unterbinden.

Nach Ballgewinn sollten die Löwen wieder auf schnelles Umschaltspiel setzen und mit sicheren Passstafetten und Laufbereitschaft den Gegner auf Trab halten.

Wenn schnell und präzise nach vorn gespielt wird, bekommt Lübeck Probleme bei der Zuordnung.

Gegen den Ball wird es für die Löwen wichtig sein, jederzeit konzentriert und vor allem bei den flachen Flanken, mit denen die Lübecker Außenspieler gerne arbeiten, gedanklich da zu sein. Den VfB im Zentrum vor der Box zu stellen, sollte unserer Defensivabteilung hingegen nicht allzu schwer fallen, wenn der VfB den Weg über die Acht oder die Zehn in den Strafraum sucht.

Stärken und Schwächen des Systems 4-2-3-1

Die Stärken

Gegen den Ball ist das 4-2-3-1 in der Zentrale und Richtung eigener Box sehr kompakt. Es gibt den Gegnern kaum Raum, um dort vernünftiges Passkombinationsspiel aufzuziehen. Auch gegen zwei oder drei Stürmer ist man durch die beiden defensiven Mittelfeldspieler gut abgesichert.

Nach Balleroberung kann das Spiel über die beiden Sechser relativ variabel gestaltet werden. Sowohl über die Flügel als auch über das Zentrum sind schnelle Angriffe möglich, wenn man die Lücken im Raum schnell erfasst und alle Offensivspieler ihre Laufwege situationsbedingt richtig anlegen. Oft schaltet sich einer der beiden Sechser auch aktiv und nicht nur als Ballverteiler in das Offensivspiel mit ein. Dadurch wird die Offensive als Ganzes schwerer auszurechnen.

Die Schwächen

Gegen den Ball ist ein Gegner, der gern über die Flügel angreift, schwer zu kontrollieren, da die Wege, um einen Spieler zu doppeln, relativ weit sind und die Doppelung vom Angreifer oft schon erkannt wird, wenn sich der doppelnde Gegner aus seiner taktischen Grundposition löst. Das führt bei guter Spielübersicht und genauem Passspiel zu viel Raum für die angreifende Mannschaft.

Die Mittelfeldspieler auf den Außenpositionen müssen außerdem ein extrem hohes Laufpensum bewältigen wenn sie die gegnerischen Flügel unter Kontrolle halten wollen. Im Spiel nach Vorn ist vor allem das Fehlen eines zweiten Stürmers ein großes Manko, da sich durch dessen Fehlen für den Spieler in der Sturmzentrale nur wenig Raum zur Entfaltung seiner Fähigkeiten bietet. Deshalb sind torgefährliche Mittelfeldspieler die mit aufrücken zwingend erforderlich um im 4-2-3-1 erfolgreich zu sein.

Die Schlüsselspieler

Abwehr

Nummer eins im Tor ist Philipp Klewin (#1). Der 1,92 m große Keeper kam im Sommer vom FC Erzgebirge Aue und kann auf die Erfahrung aus 192 Drittligaspielen und elf Einsätzen in Liga 2 bauen. Klewin ist ein reflexstarker Keeper, der allerdings trotz seiner hünenhaften Gestalt gewisse Probleme bei der Strafraumbeherrschung aufweist, vor allem dann, wenn viel Verkehr in der Box herrscht. Beim Verlassen der Linie im Eins gegen Eins erweist sich Klewin allerdings als guter Rückhalt. Er kassiert rein statistisch gesehen mehr Tore als er sollte.

Kapitän, Abwehrchef, Turm in der Schlacht – das ist Tommy Grupe (#17). Mit gutem Stellungsspiel und angemessener Härte gegen die Kontrahenten ist der 32-Jährige der Spieler im Lübecker Spiel, der dem Defensivverbund die nötige Stabilität verleiht. Mit der Erfahrung aus 129 Drittligaspielen führt er seinen Mannschaftsteil selbstbewusst mit Übersicht und Routine. In der Spieleröffnung verlässt er sich jedoch lieber auf andere. Nur etwa 40% seiner Pässe spielt er nach vorn.

Mittelfeld

Hanno Behrens (#18) wird zur Zeit mit unbestimmtem Rückkehrdatum noch als verletzt gelistet, daher sind die Schlüsselspieler im Mittelfeld mit Ulrich Taffertshofer (#20) und Mirko Boland (#31) auf der Sechs zu finden. Während Taffertshofer eher der Mann fürs Grobe ist, hat Boland die Aufgabe, bei Positionsangriffen der Lübecker im Rahmen der Möglichkeiten das Spiel zu machen. Seine Präzision bei den langen Bällen, mit denen Lübeck gerne agiert, ist im Ligavergleich relativ hoch.

Sturm

Cyrill Akono (#14), mittlerweile zu alt für den BVB II, von wo er im Sommer nach Lübeck wechselte, ist der Trumpf der Hanseaten im Sturm. Sehr dribbelstark, aber trotz seiner Größe von 1,92 m mit schwächen im Luftzweikampf ausgestattet, ist das Attribut, das bei Akono am deutlichsten heraussticht, seine Schussgenauigkeit. Nahezu jeder zweite Schuss, den er abfeuert, geht so auf den Kasten, dass der gegnerische Torhüter Arbeit bekommt. Seine Torquote in Pflichtspielen entspricht exakt seinem xG Wert. Für einen Stürmer hat er obendrein eine gute Passgenauigkeit vorzuweisen. Ein kleiner Nachteil ist eine gewisse Eigensinnigkeit, die er an den Tag legt. Trotz seiner guten Werte im Passspiel, hat er nur wenige Schussvorlagen vorzuweisen. In jedem dritten Spiel legt er statistisch gesehen einen Schuss für einen Mitspieler auf. Das ist zu wenig für einen Spieler mit solch guten Passwerten, wie er sie besitzt.

Fazit

Understatement ist nach dem erfolgreichen Saisonstart der Löwen nicht angebracht. Ich erwarte eine leidenschaftliche, kämpferische Elf des TSV 1860 München, die dem VfB Lübeck im heimischen Sechzgerstadion die Grenzen aufzeigt.

Allerdings dürfen sich unsere Spieler nicht von ihren eigenen bisherigen Leistungen blenden lassen. Der VfB Lübeck wird alles reinhauen, was er hat, um dem TSV 1860 München Paroli zu bieten. Deshalb sind Konzentration, Laufbereitschaft, Einsatzwille und eine kämpferische Einstellung die Grundvoraussetzung, um die drei Punkte einzufahren. Jeder einzelne Spieler des TSV muss sich voll ins Spiel reinhauen, dann werden die Löwen diese Aufgabe meistern.

Ob Maurizio Jacobacci uns wieder mit einer systematischen oder taktischen Variation überraschen wird, werden wir sehen. Ich würde der Startelf vom Samstag im gleichen System mit einer etwas offensiveren Herangehensweise im Anlaufverhalten wieder das Vertrauen aussprechen.

So könnte Lübeck beginnen

Datenquelle: Wyscout

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MonacoZH

Finde die Taktikvorschau wirklich der Hammer. Richtig Informativ. Vielen Dank dafür.