Die geplante Modernisierung vom Grünwalder Stadion ist – neben Corona – derzeit DAS zentrale Thema in der Vereinspolitik. Grund genug, dass wir uns gemeinsam mit den Freunden des Sechz’ger Stadions e.V. (FdS) zusammengesetzt haben, um die wichtigsten Fragen nach aktuellem Kenntnisstand zu beantworten.

Modernisierung vom Grünwalder Stadion – was wir wissen (und was nicht)

Grundlage für unsere Ausarbeitung ist die Machbarkeitsstudie des Architekturbüros „Albert Speer und Partner“ (kurz AS+P), welche von der Stadt München in Auftrag gegeben und am 30.Juni 2019 veröffentlicht wurde. Die Machbarkeitsstudie war Entscheidungsgrundlage für den Stadtratsbeschluss im Sommer, die Modernisierung voran zu treiben. Sie ist im Rathaus-Informations-Systems abrufbar.

Ergänzend zu den veröffentlichten Unterlagen wurden im Rahmen der Anwohnerveranstaltung in der Säbener Straße am 16.01.2020 (wir berichteten) weitere Informationen ausgehängt. Diese wurden aber durch AS+P nicht veröffentlicht und werden daher nicht zur Ausarbeitung herangezogen. Viele Wörter werden nach „bürokratendeutschem Geschrubbel“ klingen, doch auch das bitten wir zu entschuldigen. Die Erfahrung der letzten Jahre hat uns gezeigt, wie schnell missverständlich ausgedrückte Wörter auf die Goldwaage gelegt werden. Sollten Rückfragen bestehen, freuen wir uns sehr darauf.

Die Rahmenbedingungen für den Umbau Grünwalder Stadion

Die Rolle des TSV 1860 München

Mitte der 90er-Jahre entschied sich der TSV 1860 München aus dem Sechzgerstadion auszuziehen und (vorerst) im Olympiastadion sesshaft zu werden. Später folgte der Entschluss, gemeinsam mit dem Nachbarn FC Bayern eine Arena außerhalb der Stadt zu bauen. Dabei war bereits zu Beginn des Baus abzusehen, dass die hierfür entstehenden – wenn auch geteilten – Kosten der TSV 1860 München nicht stemmen kann. Bereits in der ersten Saison in der Arena stand man kurz vor der Insolvenz. 1860-Geschäftsführer Stefan Ziffzer verkaufte daraufhin den 50%-Anteil an der Arena für 11 Mio. EUR.

Doch die finanzielle Schieflage der 1860 KGaA verschlechterte sich in den Folgejahren – nicht zuletzt aufgrund der hohen Arena-Miete – weiter und so musste 2011 zur erneuten Abwendung der Insolvenz der arabische Investor Hasan Ismaik ins Boot geholt werden, der für die Tilgung der Schulden im Gegenzug 60% der KGaA-Anteile erhielt. Trotz oder wegen des Investors erfolgte 2017 der finanzielle Kollaps mit dem Zwangsabstieg in die vierte Liga, der eine Rückkehr ins – mittlerweile verkleinerte – Sechzgerstadion notwendig machte. Schulden belasten den TSV 1860 weiterhin, dennoch will man mittelfristig wieder höherklassig spielen. Für einen höherklassigen Spielbetrieb ist das Sechzgerstadion aber im jetzigen Zustand nicht zugelassen.

Die Stadt München

Seit 1937 ist das Grünwalder Stadion im Besitz der Stadt München. Diese vermietet seitdem das Stadion an diverse Vereine und versucht durch die daraus resultierenden Mieteinahmen die Kosten für Unterhalt und Betrieb halbwegs hereinzuholen. Nach dem Auszug des TSV 1860 München Mitte der 1990er-Jahre gab es Diskussionen seitens der Politik, das Stadion abzureißen und das Areal zu verkaufen, weil das Defizit aus dem Stadionbetrieb rund 300.000 EUR pro Jahr betrug. Da es keine Lösung für die Spielflächenproblematik der Nachwuchsmannschaften gab, welche zu dieser Zeit regelmäßig das Stadion mieteten, entschied sich der Stadtrat 2009 gegen den Abriss und für einen Umbau nach den Anforderungen des Spielbetriebs in der 3. Liga.

Mit dem Abstieg des TSV 1860 München im Jahr 2017 wurden neue Voraussetzungen für die Nutzung des Stadions geschaffen. Nun hat auch der Hauptmieter wieder Interesse daran, das Stadion wieder höherklassig zu nutzen. Mit der Machbarkeitsstudie 2019 wurde grundsätzlich nachgewiesen, dass das Stadion wieder seine frühere Funktion als bundesligataugliche Spielstätte erfüllen kann. Mit dem darauffolgenden Stadtratsbeschluss kam man dem Wunsch des Vereins nach und leitete eine Bauvoranfrage für die „Wiederertüchtigung“ ein.

Umbau oder Neubau?

Ob das Stadion nun um- oder neugebaut wird, ist eine der meist gestellten Fragen im Rahmen der Stadiondiskussion. Die Stadt als Betreiber hat hier schon per Gesetzeslage einige Begriffe richtig zu verwenden. Doch im Grunde ist es wie beim privaten Häuslebauer auch: Wenn ich mir ein Grundstück mit einem alten Haus kaufe, dann kann ich überlegen, was ich damit mache. Ohne Frage: Abreißen und neu bauen, um ein modernes Haus auf aktuellem Stand der Technik zu haben, ist für die meisten Grundstücksbesitzer die naheliegendste Idee. Doch bei jedem Neubau sind bestimmte Regularien und Genehmigungsverfahren zu beachten, vor allem müssen auch die Nachbarn befragt werden. Soll das Haus nur umgebaut werden, müssen bis zu einem gewissen Maß natürlich auch die Nachbarn befragt werden, die Hürden sind aber nicht so hoch wie einem Neubau.

Es bleibt nur der Umbau

Hier lag für die Stadt München der entscheidende Punkt: Die Anforderungen an ein erst- und zweitligataugliches Fußballstadion haben mit jenen aus den 90er-Jahren nicht mehr viel gemein. Und so sollte mit der Machbarkeitsstudie grundsätzlich festgestellt werden, ob die modernen Stadionanforderungen innerhalb der bestehenden Mauern – also quasi mit einem Umbau – auch zu erfüllen sind. Das Risiko, für einen Neubau keine Genehmigung zu bekommen und gegebenenfalls krachend vor Gericht zu scheitern, wollte die Stadt keinesfalls eingehen. Zumal dies dem TSV 1860 München viel Zeit gekostet hätte.

Für viele Personen konzentriert sich die Genehmigung als Bundesligastadion nur an der Kapazität. Dem ist aber nicht so. Vielmehr sind viele Punkte zu beachten, welche die DFL für Spielstätten der 1. und 2. Liga verpflichtend vorschreibt. Um nur ein paar der Anforderungen zu nennen:

  • Überdachung aller Zuschauerbereiche des Stadions
  • Fassungsvermögen von 15.000 Zuschauer, davon mindestens 3.000 Sitzplätze (1. Liga: 8.000)
  • 10% der Gesamtkapazität für Gästefans, davon mindestens 450 Sitzplätze (1. Liga: 800)
  • Flutlicht mit mindestens 1.200 lux (1.Liga: 1.400 lux)
  • mindestens 90 stadionnahe PKW-Parkplätze für Medienvertreter (1. Liga: 180)
  • Fläche für Übertragungstechnik mit 800 – 1.200 m² (1. Liga: 1.200 – 1.400m²)
  • Detaillierte Vorgaben bzgl. Kamerapositionen für TV-Übertragung und Videobeweis

Das ist nur ein kleiner Auszug, die vollständigen Anforderungen der DFL sind in diesem Anhang und in den Medienrichtlinien einsehbar. Hinzu kommen die Wünsche von Polizei (z.B. für Überwachungskameras), Feuerwehr und sonstigen Behörden, sowie die Auflagen aus der – mittlerweile verschärften – bayerischen Versammlungsstättenverordnung (Sicherheit) und aus der Bundesimmissionsschutzverordnung (Lärm). Zu guter Letzt befinden wir uns nicht mehr im Jahr des Stadionbaus 1911, sondern fast 110 Jahre später. Um das Stadion herum leben unzählige Anwohner, deren Anliegen nicht nur baurechtliche Relevanz haben, sondern die von der Politik immer auch als Wähler zu berücksichtigen sind.

Die Fragestellung

Man kann sich vorstellen, dass jede dieser Auflagen in gewisser Form Einfluss auf die Kapazität hat. Um es kurz zu machen:

Die Frage der Stadt München an den Architekten AS+P war: Ist es möglich, dass in diesem geilen, alten Kasten jemals wieder Bundesliga gespielt werden kann? Und wenn ja: Wieviel Plätze hat das Ding dann noch?

Die Antwort von AS+P lautet: Ja, aber… !

Wir gehen jetzt also gemeinsam die oben verlinkte Machbarkeitsstudie durch und sehen uns an, welche Ideen wo dahinterstehen.

Westkurve im Grünwalder Stadion

Die Stadt München hat sich dazu entschieden, den ab Seite 13 der Präsentation vorgestellten „Erweiterungsansatz 18.060 Zuschauer“ weiter zu verfolgen, der sowohl qualitative (z. B. Überdachung) als auch quantitative (Fassungsvermögen) Verbesserungen mit sich bringt.

Dieser Ansatz setzt voraus, dass die Westkurve in ihrer jetzigen Form bestehen bleibt und nur überdacht wird. Grundlage für diese Entscheidung war wohl, dass man wahrscheinlich selbst bei einem Neubau keine größere Kapazität auf der Westtribüne erreichen kann, da die Architekten 1959 schon das Maximale aus der Situation herausgeholt haben. Problematisch wird es beim Dach: Da ein Abfangen nach hinten wegen des Hangs nur sehr schwierig möglich ist, soll das Dach mit Stützen in der Westkurve aufgeständert werden. So entstehen einerseits Sichtbehinderungen im Fanblock, andererseits sind die Stützen dann auch bei Blockfahnen im Weg. Da wir uns aber immer noch im Vorplanungsstatus befinden, kann dieses Problem möglicherweise gelöst werden.

Der Ist-Zustand

Derzeit hat die Westkurve eine zugelassene Kapazität von 8.800 Stehplätzen. Nach den Modernisierungsmaßnahmen wären es nur noch 7.700. Der Grund hierfür ist die Verbreiterung der Haupttribüne über den Block F1 hinweg, welcher zukünftig als Stehplatzblock entfällt. In diesem Zuge entfällt auch ein Treppenaufgang in den Block.

Die Zahlen, die weit unter denen früherer Tage liegen (noch bis 2002 hatte die Westkurve ein Fassungsvermögen von 13.760 Plätzen) lässt sich durch die Verschärfung der Versammlungsstättenverordnung erklären: Pro 1.200 Besucher muss ein Fluchtweg von mindestens 2,40m Breite zur Verfügung stehen. Für die vorhandenen Treppenaufgänge im Sechzgerstadion wurde aus dieser Anforderung eine Zahl von maximal 1.100 Besuchern pro Treppe ermittelt. Tatsächlich haben wir derzeit 8 dieser Fluchtwegtreppen (und damit 8.800 Plätze) und nach dem Umbau nur noch 7 (und 7.700 Plätze).

Somit ist für das Fassungsvermögen der Westkurve nicht die Statik oder die Größe der Kurve maßgebend, sondern die Anzahl der Fluchtwege. Hierbei ausdrücklich NICHT mitgezählt sind die sogenannten „zweiten“ Fluchtwege Richtung Spielfeld, die nur bei einem Ausfall (z.B. Brandereignis) des „ersten“ Fluchtwegs über die Treppenaufgänge relevant werden.

Gegengerade

Wir sind jetzt auf Seite 20 der Machbarkeitsstudie und damit schon in der Stehhalle. Etwas oberhalb der jetzigen freien Stuhlreihe werden die bisherigen „normalen“ Sitzplätze in sogenannte „Hospitality-Sitzplätze“ (also VIP-Plätze) umgewandelt. Diese erhalten Zugänge zu einem rucksackähnlichen Gebäude, das sich hinter der Tribüne über den Fußweg an der Candidstraße erstreckt und das je eine Etage für Logen und für den Businessbereich (für das VIP-Fußvolk) bietet. Der Zugang zu diesen VIP-Bereichen erfolgt dann über die beiden bestehenden Treppentürme hinter der Stehhalle.

Verlegung des Spielfeldes

Das Spielfeld rückt näher an die Tribüne, da die derzeit durch den Zaun sichtbehinderten Reihen 1-5 entfallen. Anstelle dieser Sitzreihen wird dort in einer erhöhten Position Platz für die Rollstuhlfahrer geschaffen. Durch die erhöhte Position verbessert sich nicht nur die Sicht für die Rollis, sondern auch der Zaun kann dadurch entfallen. Ohnehin ist das Sechzgerstadion eines der wenigen Stadien in Deutschland, das vor der Gegengerade noch einen Zaun hat, da bisher weder ein Graben noch eine erhöhte Tribüne vorhanden sind. Dann muss laut Stadionverordnungen ein Zaun das Spielfeld von der Tribüne trennen.

Die Kapazität der Stehhalle reduziert sich von derzeit 4.503 Sitzplätzen und 15 Rollstuhlfahrerplätzen auf 3.309 Sitzplätze (inklusive rund 850 VIP-Seats und 30 Rollstuhlfahrerplätzen).

Gedanken, das Spielfeld tieferzulegen ohne die Stehhalle komplett neu zu bauen, müssen übrigens verworfen werden. Denn die bestehenden Sichtachsen würden ansonsten verhindern, dass man von den obersten Reihen der Stehhalle noch zur Seitenauslinie sehen kann.

Ostkurve

Die Ostkurve bekommt einen zweiten Stock mit Sitzplätzen, der komplett überdacht sein wird. Die sitzenden Gästefans werden somit zukünftig nicht mehr im Block A der Haupttribüne untergebracht, sondern über ihren Artgenossen im Unterrang. Als Zugang zur Ostkurve für Heim-Fans soll der derzeitige Gästeeingang genutzt werden, der zudem auch als Zugang zur neuen Haupttribüne vorgesehen ist. Für Gästefans wird etwas weiter nördlich ein neuer Zugang zur Osttribüne eingerichtet. Das ist ungefähr dort, wo heute die Feuerwehr platziert ist.

Die Gesamtkapazität der Ostkurve steigt durch diese Maßnahmen von 1.546 auf 2.974 Plätze, davon ca. 1.400 Sitzplätze.

Haupttribüne

Die Haupttribüne war 1911 die erste wirkliche Tribüne. Nach dem Neubau von 1922 auf die Ausmaße des bis heute stehenden Gebäudes hat sich das Fassungsvermögen von ca. 1.500 Plätzen immer irgendwie beibehalten. Trotz des Brandes in der Nacht vom 31.Januar 1971 oder dem Totalumbau 2012, als die äußerst beliebte Stadionwirtschaft ausziehen musste, änderte sich daran nichts.

Mit den Modernisierungsmaßnahmen wird die traditionelle Haupttribüne allerdings Geschichte sein.

So soll der Neubau gestaltet werden

Durchgehend vom Treppenhaus des VIP-Glashauses über dem Ostkurven-Block Q bis einschließlich des aktuellen Blocks F1 in der Westkurve wird die Haupttribüne komplett neu gebaut. Auf etwa 27 Reihen (derzeit 12) sollen zukünftig 4.153 Personen Platz finden (derzeit 1.250). Die Haupttribüne hat dann in etwa die Kapazität der jetzigen Gegengerade (4.503) und wird ebenfalls komplett überdacht sein. Der aktuelle VIP-Raum soll erhalten und künftig als Medien-Hospitality-Bereich genutzt werden.

Der Stadioneingang in der Volckmerstraße soll nach dem Umbau nur noch von Spielern, Offiziellen und Medienvertretern genutzt werden. Der Zugang zur Haupttribüne für Zuschauer erfolgt dann über den Eingang zur Westkurve sowie den aktuell als Gästeeingang zur Ostkurve genutzten Zugang an der Grünwalder Straße.

Die neue Haupttribüne, in der auch Medienplätze, Betreiberbüro und Spielertrakt untergebracht sein werden, ist dann wohl die „neue Stehhalle“.

Auswirkung auf die Kapazität

Wer die Zuschauerzahlen bei Spielen des TSV 1860 München seit dem Abstieg 2017 verfolgt hat, der weiß, dass das Stadion fast immer ausverkauft war; egal ob mit 12.500 oder 15.000 Leuten. Dies lag vor allem daran, dass der Verein die Blockfüllung variabel gestalten konnte: Wenn nämlich mal aus Großaspach nur 20 Fans anreisten, wurden diese in Block Q untergebracht und der eigentliche Gästeblock in der Ostkurve stand vollständig für Heim-Fans zur Verfügung. Waren nur einige hundert Gästefans im Stadion, verkaufte man für die nicht genutzten Plätze in der Ostkurve dann einfach mehr Tickets für die Westkurve. Dies liegt daran, dass die Summe der Kapazitäten aller Tribünen deutlich höher liegt als die Gesamt-Zuschauerzahl, die man aus rechtlichen Gründen ins Stadion lässt.

Nach dem Umbau soll nach derzeitigem Stand die Summe aller Block-Kapazitäten bei 18.136 Plätzen liegen und die zulässige maximale Zuschauerzahl bei 18.105. Es blieben also nur noch 31 Stehplätze, die man je nach Gästefanaufkommen variabel zwischen Ost- und Westkurve „verschieben“ könnte. Erschwerend hinzu kommt, dass Block Q durch die Verbreiterung der Haupttribüne als Gästebereich künftig nicht mehr zur Verfügung stehen wird.

Teil II folgt morgen, Freitag 27.03.2020 um 18:60 Uhr.

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