Herzlich Willkommen zur Taktiktafelanalyse des letzten Spiels der Saison 22/23. FSV Zwickau – TSV 1860 München war das Duell am letzten Spieltag der dritten Liga. Am Ende trennte man sich in einem trotz der Ausgangslage relativ intensiven Spiel schiedlich friedlich 2:2 und verabschiedete die Schwäne in die Regionalliga Nordost.

Maurizio Jacobacci schickte sein Team mit einem relativ offensiv geplantem 4-2-3-1 aufs Feld. Die Zwickauer trainiert von Ronny Thielemann begannen im 3-5-2 und stellten zur Pause auf 4-4-2 um.

Im 4-2-3-1 der Sechzger spielte Marcel Bär hinter Lakenmacher auf der Zehn. Er nahm dort jedoch nicht die Rolle des klassischen Spielmachers (Engache/Trequartista), sondern die eines Schattenstürmers ein. Das ist ein taktisches Stilmittel, bei dem das System aus dem Zentrum heraus in die Spitze verstärkt wird. Der Zehner ist also eher als hängende Spitze zu sehen und nicht wie für diese Position üblich als kreativer Ballverteiler.

Bevor wir tiefer in die Analyse einsteigen, gibt es wie immer die wichtigsten statistischen Werte der Partie.

Statistische Werte FSV Zwickau – TSV 1860 München

  • Ballbesitz TSV 1860 61% – FSV 39%
  • Passgenauigkeit TSV 1860 85% – FSV 85%
  • defensive Zweikampfquote TSV 1860 58% – FSV 61%
  • Schüsse/aufs Tor TSV 1860 16/5 – FSV 16/5
  • PPDA (zugelassene Pässe pro Defensivaktion) TSV 1860 9,34 – FSV 8,95

Analyse der statistischen Werte

Ballbesitz/Passgenauigkeit

Diese Werte hängen wie wir wissen meist stark zusammen. Bei den Kontrahenten vom Samstag zeigt sich dass, dieser Zusammenhang sehr unterschiedlich sein kann.

Beginnen wir beim TSV 1860. Hier sehen wir das typische Bild, das sich zeigt, wenn der Zusammenhang direkt proportional ist. Die Mannschaft weist also sowohl eine hohe Ballbesitzquote als auch eine hohe Passgenauigkeit auf. Beim TSV 1860 war der Rückpass in der Defensive auf einem für die Ballbesitzquote niedrigen Niveau, der Querpass innerhalb der Defensivabteilung jedoch sehr hoch. Insgesamt spielten die Löwen 154 sogenannte defensive Pässe. Das sind fast 30%.

Das gute defensive Stellungsspiel der Zwickauer zwang die für den Spielaufbau zuständigen Spieler des TSV 1860 oft, lange den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen bis sich die Möglichkeit zu einem konstruktiven Pass ins Mittelfeld bot. Damit steigen, wie der regelmäßige Leser dieser Rubrik weiß, sowohl die Ballbesitzquote als auch Passgenauigkeit in der Statistik. Um zu sehen was diese statistischen Werte für die offensive wert sind müssen wir die Pässe, die Offensive relevant sind und deren Genauigkeit zu Rate ziehen.

Hier fällt die Genauigkeit dann im Vergleich zum Gesamtergebnis deutlich ab. Rechnen wir die Vorwärtspässe die nach defensiven Rückpässen eine logische Konsequenz sind, und deren Genauigkeit aus der Gesamtgleichung heraus haben wir bei Pässen die für offensiven Raumgewinn, und damit für Druck auf den Gegner, sorgen, eine Passgenauigkeit von lediglich 70% beim TSV 1860 München.

Der FSV Zwickau hatte im Spiel im Vergleich zum TSV 1860 nach vorn eine um 6% höhere Passgenauigkeit vorzuweisen, da sich die Spieler der Schwäne weniger mit defensiven Sicherheitspässen beschäftigen mussten als die Spieler der Sechzger.

Defensive Zweikampfquote

Eine kleine Diskrepanz von lediglich 3% in der obigen Statistik hat am Ende eine Große Auswirkung auf das Spiel und die Zahlen in Abhängigkeit vom Gegner. In vielen Zweikämpfen kam der TSV 1860 München zu spät und so mussten die Mitspieler oft den Gegenspieler übernehmen und der Ball wurde erst im zweiten Versuch durch Ablaufen und nicht im Zweikampf erobert.

Die Zwickauer waren hier deutlich effektiver. Der FSV führte auch den Ballbesitzverhältnissen geschuldet 40% mehr defensive Zweikämpfe als der TSV 1860 und gewann am Ende 46% mehr. Wie passt das zu der nur kleinen Diskrepanz in der Statistik, fragt sich nun vielleicht der ein oder andere. Die Statistik, die vor dieser Analyse steht, bezieht sich rein auf die Quote der jeweiligen Vereine. Die Zahlen, die ich in diesem Absatz präsentiere sind diejenigen in Abhängigkeit des Gegner.

Schüsse/aufs Tor

Diese Statistik ist oft diejenige an der man die Leistung und die Einsatzbereitschaft der Mannschaften am Besten vergleichen kann.

Beide Teams schlossen gleich häufig ab und die Schüsse der beiden Teams gingen auch gleich häufig aufs gegnerische Tor. Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied. Während die Defensivspieler des FSV Zwickau fünf Schüsse des TSV 1860, die auch so aufs Tor gegangen wären, dass sie dem Torhüter Brinkies Arbeit verschafft hätten, blocken konnten, war dies bei den Sechzgern nur einmal der Fall.

Geblockte Schüsse gelten in der Statistik als nicht aufs Tor geschossen. Die Schussgenauigkeit von 31,25% bei beiden Teams müssen wir als durchaus differenziert sehen. Denn am Ende des Tages wäre diese, wenn der FSV Zwickau die Schüsse nicht Blocken hätte können für den TSV 1860 bei 62,5 gelegen und bei den Zwickauern ohne den geblockten Schuss bei 37,5.

Der Einsatzwille der Zwickauer Defensive an und in der eigenen Box ist also auch hier lobend zu erwähnen. Den Sechzgern sei es allerdings verziehen im Spiel um die goldene Ananas hier nicht mehr vollen Einsatz gezeigt zu haben.

PPDA

Der Index für das Pressingverhalten im Spiel ist fast auf gleichem Niveau. Der TSV 1860 München zeigte im Vergleich zum Saisondurchschnitt eine erwartbare Leitung in den Pressingrelevanten Zonen und ließ knapp einen Pass weniger pro Aktion gegen den Ball dort zu als im Saisonmittel.

Zwickau ließ einen Pass mehr pro Defensivaktion zu als der Saisondurchschnitt hätte vermuten lassen.

Beide Mannschaften setzten über die neunzig Minuten komplett gesehen nicht unbedingt stark auf aggressives Anlaufverhalten. Allerdings muss man sagen, dass sich das bei den beiden Teams jeweils nach den Treffern, die sie ins Hintertreffen brachten, solange änderte bis der Ausgleich wieder hergestellt war.

Die Tore

Die Tore und weitere Highlights sind hier noch einmal anzusehen.

Ich werde es mir heute sparen eines der Tore auf seine Ursachen zu untersuchen.

Stattdessen will ich hier anmerken, dass ein Schiedsrichter hinter den Toren auch in der dritten Liga angebracht wäre wenn es die Unparteiischen nicht schaffen, ja in dieser Situation gar nicht schaffen können einen Ball der ins Toraus gedribbelt wird als solchen zu erkennen und das Spiel unberechtigter Weise weiterlaufen lassen.

Am Ende ist es für mich nicht genau aufzulösen ob nun Greilinger ein Eigentor unterlaufen ist, oder ober ob der Zwickauer Eichinger den Ball ins Tor bugsierte.

Was das schönste Tor des Tages war, soll jeder für sich selbst entscheiden. Für mich waren alle Treffer außer dem Tor zur zwischenzeitlichen Führung des FSV sehr sehenswert und schön herausgespielt.

Das fiel auf

Milos Cocic schießt sein erstes Tor in der Liga. Das gibt ihm hoffentlich auftrieb und Motivation für die kommende Saisonvorbereitung beim TSV 1860.

Trotz deutlicher Überlegenheit, was das Spiel in die gegnerische Box und die Ballkontakte dort betrifft, für den TSV 1860 München hatte der FSV Zwickau die gleiche Anzahl von Schüssen und die gleiche Schussgenauigkeit vorzuweisen. Sechzig verzettelte sich ein wenig zu oft in der gegnerischen Box, die der FSV Zwickau allerdings gut einsatzfreudig und diszipliniert verteidigte.

Beide Teams waren im Verhältnis zum Ballbesitz auf einem ähnlichen niedrigen Niveau was den langen Ball zum Raumgewinn betrifft. Das spielerische Element überwog im Mittelfeld bei beiden Teams.

Während die Sechzger sich ihre Chancen hauptsächlich über den rechten Flügel erspielten, fielen beide Tore der Sechzger nach flanken von der linken Seite.

Zwickau war bei seienn abgeschlossenen Angriffen meist durchs Zentrum unterwegs, die Tore fielen allerdings bei Angriffen über die Flügel, bzw. die Halbpositionen.

Nehmen wir nur die Qualität der Chancen als Bemessungsgrundlage und gehen davon aus, dass eine Großchance verwandelt werden sollte, wäre der TSV 1860 München mit fünf Toren im Gepäck bei zwei Gegentreffern als verdienter Sieger nach München zurückgereist. Zwickau muss sich hier bei Torhüter Brinkies und der fehlenden Zielgenauigkeit bei einigen Spielern der Sechzger bedanken.

Fazit

Ein versöhnlicher Abschluss einer Saison mit Stimmungsvollem Publikum auf beiden Seiten.

Die Prophezeihung Michael Köllners, wir hätten im Mai was Großes zu feiern, bleibt unerfüllt. Zu feiern gibt es für die Mannschaft der KGaA tatsächlich gar nichts, außer vielleicht, dass diese, sich gegen Ende zäh wie Kaugummi vor sich hin ziehende, Saison endlich vorbei ist.

Kommende Saison wird der TSV 1860 München dann als die Mannschaft ins Rennen starten, deren länge der Ligazugehörigkeit nur noch vom Halleschen FC übertroffen wird. Ob sie diese dann endlich in die richtige Richtung verlassen können wird, hängt meiner Meinung nach weniger von verfügbaren Etat, als von der Leistung des Trainerstabes ab. Dass die Qualität des Fußballs und das was man mit einem auch eher günstigen Kader erreichen kann in der dritten Liga nicht unbedingt Proportional zusammenhängen hat man in den Saisons gesehen, als dem Kader des TSV von verschiedenen Seiten, warum auch immer, des Öfteren die Breite abgesprochen wurde und man zweimal in Folge den Aufstiegsplatz, bzw. Relegationsplatz nur knapp verfehlte.

Am Ende haben die Löwen in der Saison 22/23 mit einem deutlich teureren Kader (8,2 Mio. Wert am Ende der Saison) als in den Saisons zuvor (jeweils etwa 6,3 Mio. Wert am Ende der Saison), als man jeweils vierter wurde, das gleiche Ergebnis erzielt wie in der Saison 19/20 als der Marktwert aller Spieler bei bei 6,1 Mio. € am Ende der Saison lag.

Wie geht’s weiter?

Man kann über die Gründe des Ergebnisses Spekulieren und Schuldige suchen soviel man will. Das hilft keinem Weiter. Es müssen endlich Lösungen her, die den Geschäftsführern der KGaA mehr Entscheidungsfreiheit bezüglich der finanziellen Gestaltung lassen. Dass Hr. Pfeifer ab einer bestimmten Höhe einer Ausgabe immer die Zustimmung eines Gremiums in der KGaA, oder einer Einzelperson die als Kommanditist der KGaA nach geltendem Wirtschaftsrecht, eigentlich keine Entscheidungsgewalt in operativen Prozessen haben sollte, braucht lähmt die Sechzger in allen Belangen stärker als die restlichen Mannschaften im gesamten deutschen Profifußball.

Ich wünsche Euch eine schöne Sommerpause, schönen Urlaub und viel Sonne. Die nächste Taktiktafel gibt es dann vor dem ersten Spiel der kommenden Saison.

Bis dann Euer Bernd Winninger

Datenquelle: Wyscout

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Aschlegel

Lieber Bernd, ich wünsche Dir auch einen schönen Sommer und möchte mich für Deine immer profunden Analysen bedanken. Im Gegensatz zur diesjährigen Löwenmannschaft war auf Dich immer Verlass. Vergelt`s Gott dafür! 😊

Siggi

Zum letzten Mal in dieser Saison ein herzliches Dankeschön für die Spielanalyse!
Im letzten Abschnitt “Wie geht’s weiter?” heißt es: “Man kann über die Gründe des (Saison-) Ergebnisses spekulieren und Schuldige suchen soviel man will. Das hilft keinem weiter.”
Anscheinend doch, da ja dann der folgende Text genau beschreibt, was (mit) ein Grund dafür war. Auch das ist eine treffende Analyse. Danke Bernd!
Allen hier noch einen schönen Rest-Pringstmontag.