Im ersten Teil meines Groundhopping-Berichts Ecuador berichtete ich von der Copa-Libertadores-Partie zwischen LDU Quito und Flamengo Rio de Janeiro – gleichbedeutend mit meiner fußballerischen Entjungferung während meines Backpacking-Trips durch Südamerika. Viel Zeit zum Innehalten blieb mir nicht, denn bereits am Tag darauf wartete der nächste vermeintliche Kracher: Wieder Quito, wieder Copa Libertadores, wieder ein namhafter Gegner. Warum dazu Soldatenhilfe nötig war, wie sich Fußball hinter Glas anfühlt und was passiert, wenn Boca- und River-Fans gemeinsam ins Stadion gehen, lest ihr im zweiten Teil meines Aventura en Ecuador.

Glückliche Copa Libertadores Auslosung: Independiente del Valle – River Plate

Als die Gruppenphase der Copa Libertadores ausgelost wurde, war ich mehr als zufrieden mit der Losfee: Nach dem Aufeinandertreffen von LDU und Flamengo stand als nächstes Independiente del Valle gegen River Plate auf dem Plan – ein weiteres Spitzenspiel in Ecuadors Hauptstadtregion.

Zwar schlägt mein Herz in Buenos Aires für den Arbeiterklub Boca Juniors, aber bei aller Rivalität: Die mitreisenden River-Fans genießen zurecht den Ruf, leidenschaftlich und lautstark zu sein – und ein Copa-Libertadores-Auftritt mit ihrer Beteiligung ist definitiv ein Erlebnis, das ich mir nicht entgehen lassen wollte.

Meine Erwartungen wurden durch eine Begegnung in meinem Hostel-Dorm weiter angefacht, als ich am Vormittag mit einem argentinischen Paar ins Gespräch kam. Beide wollten ebenfalls zum Spiel, allerdings in kurioser Konstellation: Sie – glühende River-Hincha, er – überzeugter Boca-Fanático. Sie im Auswärtsblock, er in der Heimkurve. Die beiden waren überaus motiviert und so verging der Nachmittag bei einer Mischung aus Fachsimpelei, Sticheleien und gemeinsamer Vorfreude auf das bevorstehende Duell, Argentiniens Nationalgetränk Fernet-Cola trug sein Übriges dazu bei.

Anreise ins Estadio Banco Guayaquil – Stau, Stress und Soldatenhilfe

Das Stadion von Independiente del Valle, das Estadio Banco Guayaquil, liegt nicht in Quito selbst, sondern in Sangolquí, rund 25 Kilometer südöstlich vom Stadtzentrum. Es gehört zur Metropolregion, ist aber weit genug entfernt, um in den Feierabendverkehr zu geraten – wie ich schmerzlich feststellen musste. Mein Uber kämpfte sich im Schneckentempo durch die verstopften Straßen. Als ich das Stadion schließlich erreichte, blieben noch etwa 30 Minuten bis zum Anpfiff – zu spät, um mich an einem der Grillstände zu stärken, und leider auch zu spät für die Akkreditierung: Das zuständige Personal war bereits verschwunden, der Einlass wurde mir zunächst verweigert. Während ich in meinem feinstem Spanisch versuchte dem sturen Security-Mitarbeiter die Misere zu erläutern, kam mir unerwarteter Beistand zu Hilfe: Ein freundlicher Soldat hatte offenbar Mitleid mit mir.

unverhoffte Begegnung: Redakteur meets ecuadorianischen Militär

Wir unterhielten uns prächtig und infolgedessen argumentierte er leidenschaftlich für meinen Einlass. Diese unverhoffte (und aus heimischen Gefilden ungeahnte) Unterstützung seitens der Staatsmacht versüßte mir die Wartezeit, bis sich ein zuständiger Ordner fand und kurzerhand den Weg zur Pressetribüne öffnete.

Moderne Arena, abgeschirmte Sicht – Fußball hinter Glas

Hastig eilte ich zu meinem Platz, da das Spiel schon seit einigen Minuten lief. Etwas überraschend: Die Pressetribüne befindet sich hinter einer dicken Glasscheibe, was dem Ganzen eher den Charakter einer VIP-Lounge verleiht.

Der Blick aufs Feld ist zwar ausgezeichnet, aber die Geräuschkulisse kommt nur gedämpft an – was gerade bei einem Libertadores-Abend ein wenig schade ist.

Positiv hervorzuheben ist die Verpflegung des leiblichen Wohls in und um das Stadion. Besonders die Grillstände in den Straßen davor lassen (zumindest jedem Nicht-Vegetarier) das Wasser im Mund zusammen laufen, und auch im Stadion gibts solide ecuadorianische Hausmannskost.

…die kulinarische Schattenseite soll hier aber nicht verschwiegen bleiben

 

Kompakt, laut, leidenschaftlich: Atmosphäre beim Copa-Libertadores-Spiel zwischen Independiente del Valle und River Plate

Das Estadio Banco Guayaquil ist ein modernes (manche würden behaupten steriles), kompakt gebautes Stadion mit rund 12.000 Plätzen, dessen enge Bauweise eine unmittelbare Nähe zum Spielfeld schafft. Die überdachten Tribünen sorgen dafür, dass selbst eine mittlere Auslastung akustisch wirkungsvoll sein kann – was sich an diesem Abend deutlich zeigte.

Eingang zum Stadion

Das Stadion war zwar nicht vollständig ausverkauft, aber gut gefüllt. Angeheizt durch die frühen Führungstreffer zeigte sich die Heimkurve rund um die Locura del Valle in Bestform: rhythmische Dauergesänge, riesige Trommeln und 90 Minuten lang Bewegung im Block.

Die Fans von River Plate waren auf der Gegentribüne untergebracht und machten vor allem nach den Anschlusstreffern akustisch auf sich aufmerksam. Trotz der traditionell reisefreudigen Anhängerschaft der Millonarios war die Anzahl der mitgereisten Fans überschaubar. Neben der großen Distanz und der Ansetzung unter der Woche dürfte auch eine finanzielle Entscheidung des Klubs eine Rolle gespielt haben: Laut meiner gut informierten Hostel-Bekanntschaft stellte der Verein dieses Mal keinen Zuschuss für organisierte Fanreisen bereit.

Spielbericht: Independiente del Valle – River Plate

Traumstart für Independiente: Spinelli schockt River

Kaum hatte sich das Spiel eingependelt, da ging’s auch schon richtig los. Claudio Spinelli, der bullige Stürmer von Independiente del Valle, war der Mann der ersten Halbzeit. In der 24. Minute verwertete er einen scharfen Ball von Renato Ibarra im Strafraum und brachte die Gastgeber mit 1:0 in Führung.

Sechs Minuten später setzte Spinelli noch einen drauf: Nach einem Konter über die linke Seite vollendete er in der 30. Minute cool zum 2:0 – Doppelschlag! Eskalation auf den Rängen und River Plate schien kurzzeitig überfordert.

River Plate meldet sich zurück – und wie!

Nach dem Seitenwechsel präsentierte sich River Plate deutlich verbessert. In der 68. Minute verkürzte Giuliano Galoppo auf 2:1, bevor Sebastián Driussi in der 74. Minute den Ausgleich erzielte. Die Argentinier nutzten die Schwächen in der Defensive von Independiente del Valle konsequent aus und sicherten sich einen wichtigen Punkt in der Gruppenphase.

Fazit: Gerechtes Remis nach intensivem Spiel

Beide Teams zeigten phasenweise starke Leistungen und boten den Zuschauern ein unterhaltsames Spiel. Während Independiente del Valle in der ersten Halbzeit dominierte, bewies River Plate Moral und kämpfte sich zurück. Das 2:2-Unentschieden spiegelt den Spielverlauf wider und hält die Gruppe B der Copa Libertadores weiterhin spannend.

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Kraiburger

Ich würd ganz gerne drei Anmerkungen bringen:

1, Wenn man nicht eingeloggt ist, kann man scheinbar die Bilder nicht vergrößern. Ist das Absicht?

2, Beim Thema “River Plate” würde ich gerne ein wenig Werbung machen, und zwar für Löwenfan Flo. Der ein oder andere kennt Flo vielleicht aus seiner Zeit bei den Giasinga Buam als Vorsänger. Er ist mittlerweile nach Buenos Aires ausgewandert und berichtet auf insta und youtube unter Woistflo (Wo ist Flo? – Alles außer All inclusive – Reisevlog (@woist_flo) • Instagram-Fotos und -Videos) und “Alles außer inclusive” ganz viel interessante Sachen aus der argentinischen Hauptstadt, vor allem aber vom Fußball. Absolute Klickempfehlung!

3, Natürlich ganz, ganz vielen Dank für diesen tollen Bericht. Mach weiter so und ich freu mich noch einige Sachen zu lesen. Den Länderpunkt Ecuador hast du mir übrigens voraus!