Angeregt von unseren letzten Groundhopping-Berichten aus Thailand, Tunesien und Algerien hat unser Leser Deniz Küçükçankaya in die Tasten gegriffen und seine Erlebnisse vom Groundhopping in der Türkei für Euch zusammengefasst. Wer sich an Deniz ein Beispiel nehmen will, kann uns seinen Bericht von Fußballreisen in alle Welt gerne an redaktion@sechzger.de schicken. Unsere Leser und wir freuen uns auf Eure Eindrücke aus den Stadien dieser Welt.

Groundhopping Türkei – Gastbericht von Deniz Küçükçankaya

Wie kam es dazu?

Letztes Jahr, bei einem  „Vorbereitungs-Rüscherl“ auf ein Heimspiel der Löwen, geriet das Gespräch ein wenig aus den Fugen. Kreativität und unerklärliche Motivation für eine neue Erfahrung brachten so einiges ins Rollen.

Wir philosophierten ein wenig über die türkische Fussballkultur und welches Interesse diese bei uns wecken könnte. Ähnliches wie “Ach, wie gerne wäre ich doch mal bei einem Istanbuler Derby!” oder “Die Karten kosten ja nix, ich organisiere da mal was!” hieß es in unserer gemütlichen Runde.

Hoch motiviert trat ich direkt mit einem türkischen Familienmitglied meinerseits in Verbindung, um dieses kleine Fußballschmankerl – mit verbundener Kulturreise nach Istanbul – in die Tat umzusetzen.

Alles so einfach wie geplant? „Selbst in Fort Knox einzudringen ist leichter!“

Wer denkt, es wäre einfach, Tickets in der Türkei zu bekommen, der liegt falsch. In der Türkei wird zum Ticketkauf ein Betriebssystem namens “PASSO” verwendet, mit welchem der Inhaber Tickets für sämtliche Veranstaltungen erwerben kann. Um Zugang zu den jeweiligen Stadien zu erhalten benötigt man also eine sogenannte “PASSOLIG” Karte, welche am örtlichen Fußballstadion (das man im Vorfeld bei der Anmeldung wählt) abgeholt werden kann. Wie ich dann erfahren musste, allerdings nicht an Spiel,- sowie Sonn- und Feiertagen…

Hier würde ich gerne auch auf das Thema “Anmeldung” zu sprechen kommen. Ohne die Hilfe einer türkischsprachigen Person aus meinem Umfeld hätte ich das nie geschafft. Um das Zitat zu erwähnen, welches meines Erachtens nach nicht allzu abwegig ist: “Selbst in Fort Knox einzudringen ist leichter!”

Wie dem auch sei: Nach etlichen Emails, Angabe diverser Daten wie Passnummer, Konfession und Steuernummer, war es dann geschafft. Meine Reisebegleitung, gleichzeitig ein Familienmitglied, und meine Wenigkeit hatten nun endlich die gewünschten Accounts!

„Antalyaspor – Akdeniz´in Gururu“ —> „Antalyaspor – Stolz der Mittelmeerküste“  

Antalya liegt an der Mittelmeerküste der Türkei und beherbergt einen türkischen Erstligisten namens Antalyaspor. Dieser Verein, welcher in den Farben Weiß und Rot aufläuft, präsentiert sich durch einen Skorpion. Dieser ist auch vor dem Stadion als Statue zu finden.

Um die Effizienz der Reise auszuschöpfen, erfolgte als allererstes nach Ankunft der routinemäßige Besuch der Familie in Antalya und Umkreis. Diese informierte uns auch gleich darüber, einen Insiderparkplatz in der Nähe des Stadions zu kennen, welcher die Anreise um einiges erleichterte.

Am 4. Januar war es dann soweit. Vor dem Stadion trafen wir auf einige deutsche Groundhopper, die allerdings nicht mit dem Kartenkauf und der Anmeldung auf “PASSO” zurechtkamen. Nach vielen Bemühungen konnten wir hier leider so kurzfristig den deutschen Freunden nicht helfen und mussten ohne sie das Stadion betreten.

Bratwurst, Bier und strenge Kontrollen? Nein.

Die Security am Eingang war alles andere als gründlich, was ich bei dem geringen Andrang an Besuchern nicht ganz nachvollziehen konnte. Dafür gab es jedoch gefühlt genau so viel Polizisten einer Spezialeinheit (die sogenannte Aufruhr-Polizei) wie Fans im Stadion.

Nun war das Fest angerichtet, Fußballromantik mit Köfte im Fladenbrot, schwarzem Tee und Sonnenblumenkernen. Um das Klischee vollständig zu machen, lief vor Spielbeginn auch noch der Welthit “Simarik” von Tarkan, den auch fast jeder Deutsche kennt. Das Köfte Brot war erstaunlich fein und die Sonnenblumenkerne kamen wohl auch bei allen Fans ziemlich gut an. Kaum einer, der keine Tüte gekauft hatte.

Statt Bier zu trinken, haben die Leute einfach geraucht. Trotz totalem Rauchverbot mit hohen Geldstrafen glich der Corendon Airlines Park (mit rund 32.000 Sitzplätzen) eher einer Kneipe aus den 50er Jahren als einem Fußballstadion, da auch sämtliche Sicherheitskräfte (Security, sowie Polizisten) der Sucht verfallen waren.

Lautstark, temperamentvoll, „interessant“ am Ball.

Es war nun kurz vor 16:00 Uhr in der Türkei. Alle 9.000 Zuschauer schmetterten die türkische Nationalhymne vor sich hin. Unter etlichen türkischen Flaggen und Bannern Atatürks begann das Spiel. Nun rollte der Ball und nahezu jeder der 9.000 Zuschauer schrie Fangesänge in der Lautstärke wie von 30.000 Fans. Ein erstaunlicher Anblick, da sich die Antalyaspor Fangruppen auf jeder Seite des Stadions eingenistet hatten. Jede der vier Seiten besaß auch einen eigenen Capo, welcher sich mit den anderen drei Seiten via Handzeichen über das Spielfeld verständigte und somit ausmachte, welcher Gesang als nächstes an der Reihe war. Auswärtsgruppen vom Istanbuler Club Eyüpspor übrigens ganze 0.

Das Spiel? Witzig zum Ansehen, jedoch keine große Kunst.

Jede Menge Konter, Sticheleien, unnötige Fouls und mehr als fragwürdige Schiedsrichter- Entscheidungen durchzogen die 90 Spielminuten. Endstand: 1:4 für Eyüpspor mit 22 zu 15 Schüssen. Chancenlage und Statistik klar auf der Seite der Rot-Weißen. Jedoch war klar zu erkennen, weshalb Antalyaspor bei 18 Spielen nur 21 Treffer erzielen konnte. Ich war mir auch bei einigen Fans nicht sicher, ob diese nur in das Stadion kamen, um alles und jeden zu beleidigen. Leider auch ein gewohntes Bild von ein paar wenigen “Fans” in Giesing….

Hunger auf mehr? Istanbul, ich komme!

Nichts desto trotz war es ein super spannender Winterausflug, bei dem ich Lust auf eine weitere Reise bekommen habe. Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt, durfte in eine komplett andere Kultur eintauchen und wurde von allen mehr als herzlich empfangen.

Fenerbahçe Istanbul steht nun als nächstes auf dem Reisezettel Türkiye! Dieses Mal vielleicht sogar mit einer kleinen Delegation der “Fettbeidl-Gemeinschaft”.

Köfte, Tee und Sonnenblumenkerne haben nun auch in meinem Kopf ihre Daseinsberechtigung im Fußball.

Groundhopping auf sechzger.de

In den letzten Monaten erschienen bereits einige Groundhopping-Artikel auf sechzger.de. Hier eine kurze Übersicht:

Groundhopping Rumänien
Groundhopping Mazedonien bzw. Nordmazedonien
Groundhopping Armenien
Groundhopping Thailand I
Groundhopping Thailand II
Groundhopping Ukraine
Groundhopping Kuba
Groundhopping Montenegro
Groundhopping Indien
Groundhopping Kirgisistan
Groundhopping Saudi-Arabien
Groundhopping Antarktis (Südgeorgien)
Groundhopping Kolumbien
Groundhopping Indonesien
Groundhopping Laos
Groundhopping Georgien
Groundhopping Sansibar
Groundhopping Moldawien/Transnistrien
Groundhopping Nordkorea
Groundhopping Bulgarien
Groundhopping Senegal
Groundhopping Gambia
Groundhopping Guinea-Bissau
Groundhopping Frankreich
Groundhopping Kosovo & Nordmazedonien
Groundhopping Bosnien
Groundhopping Taiwan
Groundhopping Tunesien
Groundhopping Algerien

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