Kommentar von Stefan Kranzberg
1:4 in Elversberg. 0:1 in Illertissen. Ein spielerisch wenig überzeugendes 1:1 bei Borussia Dortmund II. Und natürlich das 1:2 zuletzt gegen den FC Ingolstadt 04. Immer wieder hieß es, die Mannschaft müsse und werde nun eine Trotzreaktion zeigen. Bleibt die Frage: Braucht es denn eigentlich unbedingt einen Wachrüttler?
Braucht es unbedingt einen Wachrüttler?
Klar, jeder hat mal einen “bad day at the office”, manchmal auch mehrere hintereinander. Das gestehe ich auch jedem zu und das ist für mich auch in Ordnung, solange der Einsatz passt und man als Zuschauer das Gefühl hat, dass alles probiert wird, um das Ruder rumzureißen. Was mich allerdings regelmäßig wurmt, sind Standardfloskeln. Tim Rieder hat gestern in der AZ genau so eine platziert:
“Das kannst schon als Wachrüttler sehen. (…) Du musst jetzt von Spiel zu Spiel schauen und deine Aufgaben erledigen.”
Tut mir leid, wenn ich da jetzt einen unserer Spieler angreifen muss und es dann auch noch einen trifft, bei dem es in Sachen Einsatz in der Regel wenig zu beanstanden gibt. Aber: Braucht es unbedingt einen Wachrüttler, um aufzuwachen und 100 Prozent für den Erfolg zu geben?
90 Prozent sind nicht genug
Rieder konstatiert, mit 90 Prozent “bestehst du nicht in dieser Liga”. Wow, welche Erkenntnis! Ernsthaft? Woher kommt denn diese Überheblichkeit zu glauben, dass man die Liga so im Vorbeigehen dominieren könnte? Ließ man sich beim TSV 1860 wirklich so sehr vom Top-Saisonstart blenden? Rieder weiter:
“Wir müssen wieder an unsere 100, 120 Prozent kommen, damit du dann auch zurecht an der Spitze stehst.”
Um das zu kapieren, braucht es wirklich einen Wachrüttler? Wie gesagt: Ich gestehe auch Profisportlern den ein oder anderen schlechten Tag zu. Aber woran liegt es denn, dass man mittlerweile seit Wochen nicht in der Lage ist, sein eigenes Potential abzurufen?
Auf der Suche nach Ursachen
Liegt es an mangelnder Fitness? Das wäre verwunderlich, denn gerade in der Schlussphase der Spiele vermochten die Löwen zu Beginn der Saison nochmal zuzulegen und Punkte zu sichern. Ein mentales Problem? Ein taktisches?
Was auch immer es ist: Wachrüttler gab es nun wirklich genug, Tabellenplatz hin oder her!
Titelbild: Black ice (Pexels)
Was soll er auch erzählen, der Rieder. Es liegt nicht am fehlenden Willen oder Einsatz. Beides ist vorhanden. Die Wahrheit ist einfach, die gegnerischen Trainer coachen Köllner immer öfter aus. Das war sowohl gegen Elversberg wie gegen Ingolstadt der Fall und eigentlich auch in Dortmund. In Illertissen hat Köllner es ebenfalls mit den falschen Werkzeugen probiert. Seine gewählte Taktik spielte dem Gegner in die Karten. Es war zum Beispiel vollkommen klar, wie Illertissen im Pokal spielen würde und trotzdem hatte der TSV 1860 keine funktionierende Antwort darauf und dem Gegner sogar noch den Raum für das von ihm bevorzugte Spiel angeboten. Bei aller Sympathie für Köllner, aber sowas ist einfach vercoacht.
Ich denke auch, dass Vieles, Entscheidendes nicht am Kader, an der Einstellung, Mentalität, Willen…der Spieler liegt, sondern am Coachen, also wie Köllner das Team einstellt, vorbereitet u. spielen lässt u. das speziell zugeschnitten auf den jeweiligen Gegner. Dazu kommt natürlich mit der Taktik noch die Aufstellung, Auswechslungen u. Spielerpositionierungen. Irgendwie wissen unsere Gegner immer besser mit unserem Spiel umzugehen, wie sie uns auflaufen lassen können, uns ausrechnen u. ein Bein stellen können. Herr Köllner ist jetzt stärker denn je gefragt, effektiv Wesentliches zu verändern u. letztendlich zu verbessern. Bin gespannt, ob es am Sa. in Osnabrück u. danach im Sechzger gegen Wiesbaden besser u. erfolgreicher funktioniert, was Köllner so zusammenbringt.
Dass man allgemein keine 120 Prozent für den Verein gibt ist schon ein Armutszeugnis. Wenn man das Löwen Trikot überstreift und endlich den nächsten Step, sprich Aufstieg gehen möchte MUSS in jedem Spiel 120 Prozent gegeben werden. Klar gibt es schlechte Tage, aber jeden Spieltag alles für das Ziel zu geben sollte das Mindeste sein.
Ich will weder Floskeln noch zig Phrasen in den PKs hören, sondern Leistung auf dem Platz. Das zählt.
Du solltest dich nicht über Floskeln und Phrasen beschweren.
Inhaltsreicher Kommentar.
Auf so Interviews mit Fußballern und ihren merkwürdigen Prozentrechnungen würde ich jetzt nicht so viel geben. Ich habe oft genug an Spielen teilgenommen, wo es danach hieß, dass wir nicht richtig gekämpft hätten, während wir einfach nur taktisch und spielerisch unterlegen waren und deshalb nicht richtig ins Spiel kamen.
Es sind in den letzten Tagen, gerade von Bernd, genug kluge Analysen zu unseren Fehlern im Spiel und Spielaufbau gemacht worden, dass man da nicht mehr viel Weiteres dazu sagen bzw. schreiben muss. Michael Köllner ist gefragt in den nächsten Tagen und Wochen. Wir brauchen wieder eine etwas anderes Ausrichtung. Das ist alles.
Ansonsten will jeder Löwenspieler nur sein Bestes geben, das war bei uns eigentlich noch nie das Problem. Und das sehe ich bei dieser Generation auch nicht anders. Die sind charakterlich alle einwandfrei.
Sehe ich generell ja auch so, dass die Mannschaft charakterlich einwandfrei ist. Aber warum stellt man dann als Spieler die Theorie auf, man habe eben keine 100 Prozent gegeben bzw. erreicht? Zur Besänftigung?
Wie geschrieben: Schlechte Tage seien verziehen, aber diese Ausflucht in solche hohlen Phrasen nervt mich. Das Spiel gegen Ingolstadt war ja nicht der erste Schuss vor den Bug, nach den vorherigen schwachen Leistungen war von einer Trotzreaktion wenig zu sehen.
Selbst der Heimsieg gegen Aue kann darüber nicht hinwegtäuschen, da der Gegner einfach extrem verunsichert und harmlos war.
Ich sehe das bei Rieder eher als eine Art Ohnmachtsgefühl: Du wurschtelst und rackerst und irgendwie reichts plötzlich trotzdem nicht. Das ist doch oft so, auch in ganz anderen Situationen des Lebens. Das hat der Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick mal mit “mehr desselben” und der Geschichte des verlorenen Schlüssels umschrieben. Wenn etwas mal auf eine bestimmte Art geklappt hat, halten Menschen gerne an dem Schema fest, obwohl die Ursachen inzwischen ganz andere sein können. Rieder, und da bin ich mir sicher, kämpft immer zu 100 Prozent, aber plötzlich klappt es nicht mehr. Also, sieht er die Schuld in einem plötzlich fehlendem Einsatz von ihm und dem seiner Kameraden. Denn vorher war er ja mit diesem Einsatz erfolgreich. Folglich fordert er also wieder mehr Einsatz, weil das etwas ist, was er kennt und wo er vorher seine Erfolge verortet hat.
Aber das muss nicht heißen, dass seine Begründung der wahre Grund für den Misserfolg ist. Deswegen ist das auch für mich keine hohle Phrase von ihm, sondern er glaubt das wirklich. Und ich habe auch den Verdacht, dass Köllner ganz gerne noch an Dingen fest hält, deren Grundlagen sich aber inzwischen geändert haben. Aber im Gegensatz zu Rieder muss er jetzt der Sache wirklich auf den Grund gehen, das ist sein Job. Und das zeichnet, ganz nebenbei, auch gute Trainer aus: dass sie flexibel auf Misserfolge reagieren können.
Top analysiert!
Klingt sinnvoll.
genau so isses !
Sehr gut eingeschätzt! Würde ich so unterschreiben. Die flexible Anpassung u. Veränderung von Taktik u. Spielweise speziell auf jeweilige Gegner u. natürlich auch dann, wenn bisherige erfolgreiche Taktikabläufe nicht mehr erfolgreich sind, weil sich die Gegner besser darauf einstellen u. unsere Taktik ausrechnen können, ist die Kunst, die nicht so sehr viele Trainer beherrschen, die aber gute u. ausgezeichnete Trainer drauf haben müssen, um als solche zu gelten. Ich hoffe sehr, das Köllner zu diesen Trainern zählt.
Grandiose Analyse!
Ich finde auch, dass es wirklich an Köllner liegt, die Mannschaft in die Erfolgsspur zurück zu bringen und sein System entsprechend anzupassen. Außerdem scheinen mir die Spieler verunsichert, weil sie sich viel zu sklavisch an ihre Positionen halten und dadurch die Variabilität und die Überraschungsefffekte im Offensivspiel verloren gegangen sind.
Super zusammengefasst.
Einen Wachrüttler in Form von leistungsberechtigten/”gerechten” Niederlagen brauchts nicht, sondern von Anfang bis Ende Klarheit bei Allen mit entsprechendem Einsatz von Allen, dass man nur mit kontinuierlich-konstant guten bis sehr guten Leistungen über die gesamte Saison das Ziel Aufstieg erreicht u. nicht mit phasenweisem Vollgas u. daneben mit durchschnittlichem, schwächerem Engagement u. Einsatz.
Denn die Konkurrenz ist hart u. schläft nicht. Da sind einige Teams nicht schlechter als wir bzw. werden besser u. stärker u. rücken uns gehörig auf den Pelz. Wenn wir die Zügel im Training schleifen lassen, nicht mit ganzer Kraft zu Werke gehen, Köllner sich verzockt, manches in unserem Spiel nicht gut zusammenpasst u. es auch an der nötigen Mentalität, Einsatzbereitschaft, am Kampf-u. Siegeswillen fehlt, werden wir unweigerlich nach unten abfallen, dann, wenn sich der Negativtrend seit der Elversbergniederlage u. wie zuletzt gegen Ingolstadt weiter fortsetzen sollte, was wir natürlich nicht hoffen wollen.
Es ist für mich ganz klar ein taktisches Problem. Die 8er müssen zu hoch stehen, die Mitte ist verweist und wir sind abhängig von unseren Flügelspielern. Es kommen nicht mal Seitenverlagerungen zu stande, die für ein flügellastiges Spiel essentiell sind. Daraus ergeben sich Folgeproblematiken, wie die Leistungen der Außenverteidiger, bescheidene Leistungen von wer auch immer in der Mitte spielt, bescheidene Passquoten und eine nicht vorhandene Spielkontrolle.
Das ist auch keine Thematik der Formation, sondern der der Spielidee vom Coach.
Einen schlechten Tag hat sicher jeder mal. Andererseits: Was wäre denn so ein Wachrüttler in einem Bürojob? Eine Abmahnung? Ist es dann nicht eigentlich schon zu spät?
Der Wachrütteler hätte schon die Niederlage in Elversberg sein müssen, da wurden der Mannschaft die Grenzen aufgezeigt. Wahrscheinlich überschätzen sie sich selber, da brauchte es scheinbar dann das Spiel gegen Ingolstadt, bis die Spieler endlich aufwachen