Herzlich Willkommen zur TAKTIKTAFEL Analyse des Spiels unseres TSV 1860 München beim konkurrierenden Projekt von der Heinrich-Wieland-Straße im Leichtathletikstadion am Oberwiesenfeld.

Es traf der Tabellenachte auf den Vierten. Die von Andreas Pummer und Serdar Dayat trainierte Mannschaft wurde vom Trainergespann für mich ziemlich unerwartet im 4-4-2 (flach) System aufs Feld geschickt. Der TSV 1860 startete wie gewohnt im variablen 4-1-4-1, das sich auch gegen Türkgücü situationsbedingt oft stark verschob, sodass in Pressingsituationen gegen den Ball entweder ein 4-2-1-3 oder ein breites 4-2-2-2 zu sehen war.

Die statistischen Werte des Spiels

TSV 1860 Türkgücü
Ballbesitz 46% 54%
Passgenauigkeit 77% 82%
Defensive Zweikampfquote 64% 56%
Schüsse 18 12
davon aufs Tor 6 2
PPDA* 10,96 9,38
*(zugelassene Pässe pro Defensivaktion)

 

Greilinger mit guter Leistung

Der gelbgesperrte Phillipp Steinhart wurde überraschenderweise durch den auf der Position des linken Verteidigers nicht geschulten Fabian Greilinger ersetzt, der bis auf wenige Situationen den Laden auf der linken Defensivseite gut im Griff hatte. Die Situationen, in denen ihm der Gegenspieler entkam, wurden gut von anderen zentraler spielenden Mannschaftskameraden aufgefangen. Für ein Debüt auf einer ungewohnten Defensivposition war das trotz sieben verlorener Defensivzweikämpfe mit insgesamt 26 Balleroberungen eine sehr gute Leistung. Greilinger ackerte und kämpfte, sein Stellungsspiel gegen den Ball war sehr gut. Die Angriffsbemühungen der Gastgeber waren zunächst linkslastig, um eine vermeintliche Schwäche der Löwen auf dieser Position auszunutzen. Sie verschoben sich bald zusätzlich ins Zentrum und nach rechts, wo speziell der junge von Bielefeld ausgeliehene Ex-Löwe Noël Niemann für die Mannschaft aus dem östlich an Giesing grenzenden Stadtviertel zu Beginn der Partie gute Szenen hatte.

Die Feldüberlegeneheit zu Beginn des Spiels konnten die Spieler der Nachbarn aber kaum in gute Gelegenheiten, Ballkontakte in der Box oder Torschüsse ummünzen. Das hohe Pressing der Hausherren war in vorderster Front eher auf Angriffssteuerung und auf der zweiten Linie auf Ballgewinn ausgelegt. Pummer/Dayat hatten da aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

So reagierten die Löwen auf die Spielweise des Gegners

Das vertikale Spiel der Löwen, das zunächst die Konsequenz daraus war, wurde äußerst präzise umgesetzt und sorgte auch in der Anfangsphase für mehrere knifflige Situationen. Diese konnten von den in rot gekleideten Gegnern meist erst in der letzten Reihe geklärt werden. Zwei besonders vielversprechende Situationen, wo beide Male Merveille Biankadi in Szene gesetzt werden sollte (einmal durch ein steiles Zuspiel von Mölders, ein anderes mal durch ein Zuspiel von Lex) hätten mit etwas mehr Glück beim letzten Pass freie Bahn für die Nummer 19 der Löwen bedeutet, um alleine aufs Tor zuzulaufen.

Biankadi hat mit 78% Passgenauigkeit (nur 7 Fehlpässe) und 6 Schussvorlagen übrigens ein Topspiel abgeliefert. Zudem hat er alle seine Defensivzweikämpfe gewonnen. Einzig im eins gegen eins offensiv war etwas Luft nach oben. Bei Ballverlusten zwischen den Boxen schalteten die Spieler des TSV 1860 sofort auf ein äußerst aggressives Mittelfeldpressing um. Erik Tallig und der wieder sehr giftige Richy Neudecker hatten 26 Balleroberungen im mittleren Drittel des Spielfeldes zu verzeichnen. Dennis Dressel, der sich einschaltete, wenn seine beiden Vorderleute überspielt wurden, kommt allein auf 24 Balleroberungen und verlor keinen defensiven Zweikampf.

Beide Spieler (Tallig und Neudecker) fielen mir sowohl beim Stellungsspiel als auch im Zweikampfverhalten positiv auf.

Bei hohen Ballverlusten pressten die Löwen variabel und nicht auf vorderster Linie gegen das Positionsspiel der Gastgeber. Mölders und Biankadi waren immer die ersten, die auf gleicher Höhe agierend versuchten, Angriffe der Gegner in eine gewisse Richtung zu zwingen. Gelang das erfolgreich, rückte ein dritter Spieler aus dem Mittelfeld nach vorne, um dann einen langen Ball zu provozieren. Besonders der Kampf um die zweiten Bälle in solchen Situationen wurde von Michael Köllners Mannschaft dominiert. Schafften es die Spieler des Projekts vom Ostpark die erste Pressinglinie zu überspielen, gab es wie oben beschrieben auf Ballgewinn ausgerichtetes Pressing im Mittelfeld.

Viel Platz für den TSV 1860 im Spiel nach vorne

Je mehr Zeit verging, desto weniger gut kam der Gegner der Sechzger mit dieser taktischen Herangehensweise im Defensivspiel des TSV 1860 München zurecht.

Es entwickelten sich also zunehmend mehr Umschaltsituationen im Mittelfeld, aus denen Michael Köllners Spieler schnelle präzise Angriffe nach vorn entwickeln konnten. Ein ums andere Mal scheiterten die Löwen zunächst jedoch. Das lag an der wenigstens in und um die Box herum, zunächst noch gut verteidigenden gegnerischen Defensive, am wie immer gut aufgelegten Torhüter Vollath oder auch an der eigenen fehlenden Präzision beim Abschluss.

Die zweite Halbzeit begann wie die erste mit Vorteilen für die Heimmannschaft. Der TSV 1860 München verteidigte aber auch in dieser Phase absolut souverän und abgeklärt. Kurz vor dem verdienten Treffer zum 0:1 durch Richard Neudecker für die Sechzger kam der TSV 1860 München selbst auch wieder besser ins Spiel. Das Tor entwickelte sich aus einem gut ausgespielten Umschaltmoment, in dem alle für die Löwen an der Situation Beteiligten glänzten.

Im weiteren Verlauf musste die Mannschaft des gastgebenden Vereins, die nun dem Rückstand hinterherlief, nach vorne noch etwas mehr Risiko gehen. So entstanden mehr Räume für den TSV 1860 München, die aufgrund der im letzten Drittel vor dem Tor eklatanten Unzulänglichkeiten im Angriff des Projekts, ein ums andere mal zu guten Konterchancen und auch zu Abschlüssen der Sechzger führten. Die Erfolglosigkeit beim Verwerten dieser Konter ist das einzige, was man im Spiel der Löwen momentan bemängeln kann. Schon gegen Verl gab es Situationen, in denen es leichter war, den Ball ins Tor zu schießen als daran vorbei. Sei’s drum. Mit dem 0:2 durch Semi Belkahia war der Sprichwörtliche “Kas bissn”.

Die Tore des TSV 1860 München

Das 0:1

Ein Pass auf Maier wird vom wieder überragend spielenden Belkahia in halbrechter Position etwa zehn Meter vor dem Strafraum der Löwen abgefangen. Belkahia marschiert unbedrängt mit dem Ball am Fuß in Richtung gegnerischer Spielfeldhälfte und dringt mit langen Schritten dort ein. Es entsteht eine vier gegen vier Situation. In dem Moment, als der ballnäheste Gegenspieler Tempo rausnimmt, um Belkahia möglicherweise zu stellen, passt dieser nicht 100% präzise auf den zentral zehn Meter vor der Box der Gastgeber positionierten Biankadi. Biankadi kann das Leder jedoch verarbeiten und, obwohl Barry hier versucht zu stören, präzise zu Mölders spielen. Der Stürmer bekommt in halbrechter Position im Strafraum der Heimmannschaft auf Höhe des Fünfmeterraums den Ball.

Mölders hat leider Probleme, die Kugel nach der Ballannahme zu kontrollieren und verliert das Spielgerät wieder. Sorge und Sijaric stehen sich aber derart im Weg, dass der Ball den beiden in Richtung der rechten Strafraumgrenze verspringt. Die entstehende Verwirrung nutzt Mölders aus, erreicht den Ball vor den Gegnern und bedient Neudecker. Dieser bekommt an der Strafraumkante in halbrechter Position das Leder, verarbeitet es schnell und geht noch einen Schritt, um dem herannahenden Sijaric zu entkommen. Aus fünfzehn Metern schließt er ins linke Eck ab, Vollath im Tor war hier chancenlos. Wenn man die Szene genau betrachtet, sieht man, dass sich Lex in Mittelstürmerposition vor dem Tor minimal aus der Flugbahn des Balles bewegt, der ihn sonst wohl getroffen hätte. Alle Beteiligten haben bei diesem Angriff optimal gespielt.

Das 0:2

Nach einem durch Wein getretenen Eckstoß von der rechten Seite legt Tosun beim Versuch, den Ball aus der Gefahrenzone zu köpfen, den Ball auf Mölders ab. Aus etwa zwölf Metern zwingt Mölders Vollath per Flachschuss zu einer Parade. Der abgewehrte Ball fällt Belkahia vor die Füße, der dieses Geschenk dankend annimmt und zum 2:0 aus Löwensicht einnetzt. Der am Boden liegende Keeper des Perlacher Projekts ist ohne Chance, den Ball zu halten. Belkahia entwickelt sich langsam aber sicher zu einer Wunderwaffe bei Standardsituationen.

Fazit zum Sieg des TSV 1860 München

In einem durchaus fairen Spiel haben sich beide Mannschaften nicht viel geschenkt. Man merkt sehr stark, wie abhängig der Aufsteiger von den Spielern Sararer und Sliskovic ist. Speziell bei den Abschlüssen in der Box war das Heimteam den Löwen klar unterlegen. 11:5 gewinnen die Sechzger diesen Vergleich. Nun hat der TSV 1860 München diese Partie verdient und souverän gewonnen. Über die gesamte Spielzeit hindurch ließen die Sechzger nur zwei Schüsse der Hausherren aufs Tor zu. Es war daher besonders gegen den Ball wieder ein Genuss, die Löwen zu beobachten. Die gewohnte Giftigkeit gepaart mit ebenfalls wieder gutem Stellungsspiel und diesmal bei Ballbesitz auffallend hoher Präzision in Umschaltmomenten im vertikalen Spiel nach vorne zeichnete die Löwen an diesem Spieltag aus. Zudem haben die Löwen den vierten Tabellenplatz abgesichert und rücken immer näher an die Aufstiegsplätze heran. Zwei Punkte trennen die Mannschaft noch vom Relegationsrang.

Der Verein aus Perlach steuert hingegen auf schwere Zeiten zu. Seit Serdar Dayat als Trainer verpflichtet wurde, konnte die Elf von der Heinrich-Wieland-Straße nur ein Ligaspiel gewinnen und insgesamt vier Punkte holen. Das Trainerduo Pummer/Dayat sieht somit einer ungewissen Zukunft entgegen. Wie lange sich Hasan Kivran, Investor und Präsident dieses Vereins, diese Erfolglosigkeit noch mitansehen wird, ist sicherlich spannend. Sollte der Verein doch – wenn man die Aussagen von ihm und seinem Geschäftsführer als Maßstab nimmt – in ganz anderen Gefilden der Tabelle seine Kreise ziehen. Bei noch achtzehn zu vergebenden Punkten hat der Gegner vom Samstag mit 43 Punkten nun 9 Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz. Im Vorjahr hatte der bestplatzierte Absteiger 44 Punkte. Das wird sicher noch spannend.

Zu guter Letzt möchte ich mich noch bei Sascha Mölders für sein tolles Interview beim BR bedanken. Sascha hat das ausgesprochen, was viele Sechzgerfans denken.

 

Datenquelle: wyscout

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