Herzlich willkommen zur letzten TAKTIKTAFEL Analyse der Saison 2020/21 nach der Niederlage unseres TSV 1860 München in Ingolstadt.
Mit 1:3 Toren musste sich der TSV 1860 in einem Spiel geschlagen geben, das die abgezocktere, aber definitiv nicht die bessere Mannschaft aus Ingolstadt letztendlich um ein Tor zu hoch gewonnen hat. Zu hoch deshalb, weil die Löwen mehrmals klare Chancen liegen ließen und nicht, weil Ingolstadt ein Tor zu wenig geschossen hätte (dazu weiter unten mehr).
Die Spielsysteme von Ingolstadt und dem TSV 1860
Beginnen wir mit dem Wesentlichen. Wie erwartet, brachte der Trainer des FCI die klassische 4-4-2 flach Formation. Löwendompteur Köllner, wie immer, das variable 4-1-4-1. Wein war in dieser Formation als defensiver Mittelfeldspieler vorgesehen und Dressel wurde als Box-to-Box Spieler eingesetzt. Gegen den Ball verschob sich das Mittelfeld zunächst zu einem 4-2-3-1. Bei Ballbesitz im letzten Drittel sahen wir bei den Löwen zu Beginn ein 4-1-3-2 mit Lex als Hängender Spitze.
Mit der Roten Karte für Torhüter Hiller, über deren Berechtigung man sicherlich diskutieren kann, änderte sich das System des TSV 1860 München zunächst auf 4-4-1 flach gegen den Ball und 4-1-2-2 bei eigenem Ballbesitz. Wein rückte für Willsch, der für den neu ins Spiel kommenden Ersatztorhüter Kretschmar vom Platz ging, auf die rechte Außenverteidiger-Position. Somit waren die beiden Achter Neudecker und Dressel nun gleichermaßen für die Aufgaben im defensiven Mittelfeld wie auch für die kreativen Momente im Spiel nach vorn zuständig. In Halbzeit zwei stellte Michael Köllner in der 66. Minute dann mit der Hereinnahme von Lang und Tallig für Lex und Dressel auf 3-4-2 bei eigenem Ballbesitz und weiterhin 4-4-1 gegen den Ball um. Köllner ließ Lang als Rechtsverteidiger in der Viererkette spielen, Wein rückte wieder in die zentrale Position vor der Abwehr und Steinhart pendelte zwischen Mittelfeld und Abwehrreihe.
Schiedsrichter Aytekin im Fokus
Um dieses Spiel aufzuarbeiten, müssen wir aber zunächst bei der Leistung des Unparteiischen beginnen.
Wo Deniz Aytekin wohl richtig lag war, so gern ich hier etwas anderes schreiben möchte, war bei der roten Karte. Wer es noch einmal überprüfen will, schaut sich die Highlights von Magenta TV nochmal an und hält die Partie beim Zeitmarker 0:57 an. Dort ist zu erkennen, dass Hiller Kaya am linken Knöchel trifft. Wie stark der Kontakt im Endeffekt ist, ändert leider nichts an der Regelwidrigkeit. Unser Mann vor Ort hat eine Nachricht geschickt, wo er erklärt, er hätte den Kontakt wohl gehört. Und in den TV Bildern ist auch zu sehen, dass sich Kaya den linken Fuß hält und nicht den rechten. Hier lag der Herr Aytekin, auch wenn die Entscheidung überhart war, also leider richtig.
Ein klares Handspiel von Erdmann im eigenen Strafraum hat er übersehen bzw. konnte er nicht sehen. Es versperrte ihm Neudecker die Sicht. Auch der Linienrichter, hatte keine freie Sicht auf das Handspiel von Dennis Erdmann. Ihm stehen Lex und Kutschke vor der Linse.
Foul an Steinhart vor dem 2:0 für Ingolstadt
Die spielentscheidende Szene war allerdings das meiner Meinung nach gelbwürdige Foul an Phillipp Steinhart vor dem 2:0 für den FCI, das Deniz Aytekin nicht ahndete. Ingolstadts Konter über Stendera konnte von den Löwen nicht gestoppt werden. Bei dieser Szene kann man im ersten Moment der Meinung sein, Steinhart würde hier seinen Gegenspieler foulen. Tatsächlich hält aber Franke sein gestrecktes Bein über Steinharts Fuß und nimmt damit klar eine Verletzung des Gegenspielers in Kauf. Dass hier kein Pfiff erfolgt, ist vor allem deshalb schwach vom Schiedsrichter, weil er ja in unmittelbarer Nähe stand und dieses Vergehen hätte sehen müssen. Einige weitere Szenen, vor allem Abseitsentscheidungen, wurden vom Trio in schwarz auch fehlerhaft ausgelegt. Übrigens zu Ungunsten beider Mannschaften. Man könnte nun sagen: “Wenigstens hat das Schiedsrichtergespann in beide Richtungen fehlerhaft agiert.” Das wäre aber zu viel des Guten. Wer spielentscheidende Fehlentscheidungen trifft, sollte dafür geradestehen müssen.
Der Fehler Aytekins vor dem 0:2 aus Löwensicht ist für mich nicht entschuldbar. Einerseits war es ein wie man so schön sagt psychologisch ungünstiger Moment, so kurz vor dem Halbzeitpfiff das zweite Gegentor zu fangen und andererseits hätte man mit einen Freistoß in durchaus aussichtsreicher Position, wenn Aytekin pfeift, selbst einen Treffer erzielen können.
Hätte hätte Fahrradkette. Das Spiel ist vorüber. Schiedsrichter werden leider weiterhin für solche Entscheidungen nicht bestraft werden.
Die statistischen Zahlen zum Spiel
TSV 1860 | FC Ingolstadt |
|
Ballbesitz | 49% | 51% |
Passgenauigkeit | 79% | 82% |
Defensive Zweikampfquote | 59% | 60% |
Schüsse | 10 | 20 |
davon aufs Tor | 3 | 9 |
PPDA* | 18,67 | 8,61 |
*(zugelassene Pässe pro Defensivaktion) |
Das Spiel
Wir haben eine trotz – oder vielleicht gerade wegen der 80 minütigen Unterzahl der Löwen – sehr schwungvolle Partie gesehen, in der die Löwen bis zum bitteren Ende nie aufsteckten und bis in die letzten Minuten des Spiels alles versuchten, um für sich selbst und für uns Fans den Traum vom Aufstieg in die zweite Liga doch noch zu verwirklichen.
Nach einer durchaus spritzigen Anfangsphase der Löwen mit mehr oder weniger guten Möglichkeiten durch Lex und Mölders kam der TSV 1860 München zwischen dem Platzverweis und dem Halbzeitpfiff zu nur einer, allerdings durchaus beachtlichen, Torchance. Stefan Lex setzte das Leder in der 21. Minute rechts neben den Kasten.
Für Ingolstadt verhält es sich genau umgekehrt. Nur einmal kamen die Ingolstädter vor der zehnten Minute durch Kaya zum Abschluss. Dieser Versuch wurde jedoch geblockt und ist deshalb nicht weiter erwähnenswert.
Den Vorteil mit einem Mann mehr auf dem Spielfeld zu stehen, wusste der FCI dann sehr gut in Torgefahr und auch in zählbare Erfolge umzusetzen. Mehr als einmal musste Ersatztorhüter Tom Kretzschmar rettend eingreifen, um die Löwen gegen die Schanzer im Spiel zu halten. Nichtsdestotrotz schlug das Leder zweimal im Kasten der Löwen ein.
Kämpfende Löwen in Halbzeit zwei erzielen leider nur ein Tor
In der zweiten Halbzeit fing sich der TSV 1860 München allerdings wieder. Die Sechzger gestalteten das Spiel nicht nur ausgeglichen, sondern dominierten streckenweise die nun stark auf Sicherheit bedachten Ingolstädter. Leider konnten die Spieler von Coach Michael Köllner diese Überlegenheit nicht in genug Torchancen ummünzen, um den FCI von der Siegerstaße abzubringen.
Von den sieben Schüssen der Löwen in Halbzeit zwei ging nur einer tatsächlich nicht in Richtung Gehäuse. Die drei geblockten Schüsse gehen bekanntermaßen als nicht aufs Tor gebracht in die Statistik ein. Die Richtung hätte jedoch bei all diesen Versuchen gestimmt.
Ingolstadt spielte allerdings in der zweiten Halbzeit immer noch gut genug, um selbst Gelegenheiten für ein drittes Tor und damit die endgültige Entscheidung herauszuspielen. Das Schussverhältnis aus dem Spiel heraus in der zweiten Halbzeit sieht die Gastgeber um einen Zähler besser. Also haben wir auch hier einen klaren Beweis dafür, dass die Partie in der zweiten Halbzeit klar auf Augenhöhe geführt wurde.
Die spielentscheidenden Situationen
Sowohl der Angriff, dem die Rote Karte entsprang, als auch der Angriff zum vorentscheidenden 2:0 für Ingolstadt waren Umschaltmomente, in denen die Spieler des TSV 1860 München nicht gut genug auf die clever agierenden Schanzer aufgepasst hatten. Beim 2:0 muss man jedoch sagen, dass zuvor wie oben bereits erwähnt, eine klare Fehlentscheidung zu Ungunsten des TSV 1860 München vorliegt. Nach langen Bällen entwischen einmal Kaya, einmal Stendera und nutzen den entstehenden Eins gegen Eins-Vorteil mit dem Torhüter im jeweils bestmöglichen Sinne aus.
Die Tore
Das 1:0 durch Kutschke
Während einer längeren Ballbesitzphase von Ingolstadt, die nur durch eher schlechte Befreiungsversuche der Löwen unterbrochen wird, kommt der rechte Verteidiger Heinloth an der Außenlinie 25m vor der Grundlinie in der Spielfeldhälfte des TSV 1860 nach Zuspiel von Krauße unbedrängt in Ballbesitz. Seine punktgenaue Flanke ins Zentrum verwandelt Kutschke per Kopf zum 1:0. Die Verteidiger der Sechzger im Strafraumzentrum hatten gegen den 1.94 Meter großen Stürmer des FCI keine Chance im Luftduell.
Um diesen Angriff zu verteidigen, hätte ein Spieler in weiß-blau Heinloths Flanke verhindern müssen. Sowohl Lex als auch Steinhart hätten eingreifen können. Steinhart wäre in der besseren Position gewesen, Heinloth anzugehen. Er musste aber auf Stendera aufpassen, der auf ein Zuspiel lauerte, weil Dressel der Situation ebenfalls hinterherlief. So wäre es also in diesem Moment vermutlich Lex Aufgabe gewesen, Heinloth zu bearbeiten und die Flanke zu verhindern.
Das 2:0 nach Foul an Steinhart
Nach einer Ecke der Löwen von Neudecker bekommen die Hausherren den Ball zunächst nicht vernünftig geklärt, sodass bei einem nicht gerade punktgenauen Zuspiel von Dressel auf Steinhart, dieser und Franke versuchen, am Strafraum der Ingolstädter gleichzeitig zum Ball zu gehen. Franke trifft dabei Steinhart mit dem gestreckten Bein auf dem Spann.
Der Ball gelangt in der Folge zu Kaya, der sofort die Gelegenheit erkennt und Krauße mit einem Pass bedient und auf die Reise in Richtung Löwentor schickt. Die wegen der Ecke zuvor weit aufgerückten Abwehrspieler des TSV 1860 München reagieren leider nicht schnell genug und müssen so der kompletten Situation hinterherlaufen. Lex, der als einzige Absicherung weiter hinten steht, sieht Krauße schnell auf sich zulaufen. Er steht nun vor dem Dilemma entscheiden zu müssen, ob er Krauße oder Stendera aufnehmen soll. Genau im richtigen Moment, als Stendera Lex überholt und somit die Abseitslinie überläuft, spielt Krauße ihn an. Stendera hat nur noch Torwart Kretzschmar vor sich und netzt im Fallen aus etwa zwölf Metern zum 2:0 ein. Wie oben bereits erwähnt, ist es meiner Meinung nach ein Fehler vom Mann in Schwarz Aytekin hier weiterspielen zu lassen.
Der späte Anschlusstreffer für die Löwen
Einen langgezogenen Eckstoß von Wein über den langen Pfosten hinaus in der 81. Minute bringt Biankadi von der Grundlinie wieder nach innen. Erdmann, der vor dem Tor des FCI lauert, um abzustauben, trifft zum 2:1. Wenn diese Eckball Variante so gewollt war, dann ist das ein genialer, sehr schwer zu verteidigender und einstudierter Standardspielzug.
Das 3:1
Einen berechtigten Elfmeter nach einem Foul von Steinhart an Eckert-Ayensa versenkt Gaus im linken Eck. Tom Kretzschmar, der Sekunden zuvor bereits einen Elfmeter von Eckert-Ayensa gehalten hatte, entscheidet sich für die falsche Ecke und ist bei diesem Schuss chancenlos.
Fazit zum Sieg von Ingolstadt gegen den TSV 1860 München
Nach einer langen Saison verlieren die Löwen ihr Endspiel unter widrigsten Umständen in Unterzahl mit 3:1. Die Szene, die zur Kontersituation vor dem Platzverweis für Hiller führt, wird mich vermutlich noch einige Nächte im Traum heimsuchen. Egal. Haben wir verdient verloren? Dem Spielverlauf nach und der Statistik vertrauend sieht es wohl so aus. Man darf aber nicht außer acht lassen, dass zumindest die Situation vor dem 2:0 für Ingolstadt gegen den TSV 1860 eine gravierende Fehlentscheidung war. Ich bin daher der Meinung, die Sechzger hätten aufgrund des gelieferten Kampfes und der Moral, die sie an den Tag gelegt haben zumindest einen Punkt verdient gehabt.
Wenn der Verein Vierter wird und die Mannschaft nach dem Spiel in Giesing so gefeiert wird, als hätte sie gerade den Aufstieg eingetütet, macht mich das extrem stolz zu dieser Gemeinschaft positiv verrückter Fans zu gehören. Was unser Trainer Michael Köllner mit seiner Mannschaft geleistet hat, verdient allerhöchsten Respekt. Jeder Spieler beim TSV 1860 München ist, seit dem Eintreffen des besten Trainers, den die Löwen seit ich ins Stadion gehe je hatten, besser geworden. Manche ein bisschen, manche gewaltig und andere irgendwo dazwischen. Speziell die Spieler, die schon in der letzten Saison für den TSV 1860 München aufgelaufen sind, haben in dieser Saison großteils einen riesigen Sprung nach vorn gemacht. Kein einziger Stammspieler hat in der vergangenen Saison seinen Marktwert verschlechtert.
Mir bleibt jetzt nur noch übrig allen Lesern der TAKTIKTAFEL eine schöne Sommerpause zu wünschen. Kommende Saison sehen wir uns dann hoffentlich wieder im Stadion.
was ich wirklich schön fand, wie anerkennend sich MK über deine Taktiktafel geäussert hat! qualitativ einfach klasse
Das war natürlich ein toller Moment für mich. Diese Anerkennung von höchst möglicher Stelle spornt natürlich an.
Servus Bernd! nach vielen “Taktiktafel” und einer supertollen Saison unserer Löwen ein großes MERCI für deine Arbeit;ich hab richtig viel Fachwissen dazugewonnen, freu mich auf die kommende Runde
bleib gesund und genieß den Sommer
Vielen Dank für Dein Lob. Jetzt muss der arg windige Frühling sich nur noch zu einem vernünftigen Sommer entwickeln, dann steht dem nichts im Weg.