Die Offensive im System von Michael Köllner

Bei Ballbesitz wird in der Offensive im System von Michael Köllner sehr stark auf den einzelnen Positionen verschoben. Ein gutes taktisches Verständnis für die sich entwickelnden Spielsituationen ist hier bei allen sich an der Offensive beteiligenden Spielern gefragt.

Je nachdem wie der Angriff aufgebaut werden soll, schiebt mindestens einer der beiden Außenverteidiger mit nach vorne. Das führt in der Frühphase eines Angriffs zu einem Sechsermittelfeld. Bei richtiger Raumaufteilung (Laufwegen) kann immer eine Überzahl geschaffen werden. Die weiteren Verschiebungen sind eine Folge des Aufrückens des/der Außenverteidiger/s.

Angriffsaufbau über einen Flügel

Wird über einen Flügel angegriffen, rückt dort der Mittelfeld-Außenspieler vom Flügel auf die Halbposition nach innen. Das ermöglicht dem nach vorne drängenden Außenverteidiger das Hinterlaufen. Der Box-to-Box Mittelfeldspieler reiht sich in der Zentrale hinter oder neben dem nach innen rückenden Flügelspieler ein. Der vertikale Spielmacher schiebt sich halbzentral oder zentral hinter den Zielspieler. Der Flügelspieler auf der schwachen (ballfernen) Seite bleibt auf seinem Flügel, um bei zu starker Verdichtung in Ballnähe einen Seitenwechsel zu ermöglichen. Der defensive Mittelfeldmann bleibt ohne Ball tief, aber vor der Defensivlinie. Das sorgt für Absicherung oder ermöglicht bei einer Unterbrechung im Spiel nach vorne einen Rückpass.

Wenn das letzte Drittel vor dem gegnerischen Tor erreicht ist, folgen weitere Verschiebungen, die dann stark vom ballführenden Spieler abhängen.

Das Vorgehen im letzten Drittel

Geht der Außenverteidiger mit Ball nach vorne, so bleibt der Millelfeldflügelspieler als inverser Außenspieler auf der Halbposition leicht hinter dem Angriff zurück. Er kann dabei als Anspielstation dienen, falls sich der nach vorne drängende Verteidiger nicht durchsetzen kann und um gleichzeitig im Falle eines Ballverlustes abzusichern.

Sowohl der Box-to-Box Spieler als auch der vertikale Spielmacher rücken weiter ins Zentrum und auf einer Linie mit dem nach innen gezogenen Außenmittelfeldspieler nach vorne. Sie bleiben aber hinter dem Ball, um mögliche Abpraller zu verwerten oder bei Ballverlust sofort abzusichern. Der Außenspieler von der anderen Seite rückt als zweiter Stürmer vorne mit ein. Das nimmt defensiven Druck der Abwehrreihe vom Zielspieler. Gegebenenfalls kann der Außenspieler sogar selbst ein Tor zu erzielen.

Bringt der Mittelfeldflügelspieler den Ball ins letzte Drittel, bleibt der Außenverteidiger auf seiner Seite weiter zurückgezogen. Er wird sich in dem Fall selten direkt am weiteren Angriff beteiligen. In dem Fall schiebt sich der zentrale Mittelfeldspieler als hängende Spitze hinter den Zielspieler und der Flügelspieler auf der schwachen Seite rückt in die Halbzentrale. Damit obliegt die Abnahme von Abprallern und Absicherung bei Ballverlust dem Box-to-Box Spieler und dem nach innen gerückten Flügelspieler auf der schwachen Seite. So entsteht bei einem Angriff über die Flügel aus dem 4-1-4-1 im Idealfall ein 3-5-2 (genauer: 3-1-4-2). Dabei rückt entweder einer der beiden Mittelfeldaußen (Flügelstürmer/Raumdeuter) oder der vertikale Spielmacher als zweite Spitze (hängende Spitze) in den Sturm mit auf.

Aus einer Flanke entsteht ein 3-4-3

Eine weitere Variante von Angriffen über den Flügel in der Offensive bei Michael Köllner ist eine frühe, lange Flanke von außen ins Zentrum auf den Zielspieler. Dieser legt dann den Ball auf einen zentralen Mittelfeldspieler zurück. In der Folge entwickelt sich dann meist ein schneller, zentraler Angriff, bei dem die beiden Mittelfeldfügel gleichzeitig nach vorne schieben sowie nach innen ziehen. Aus dem 4-1-4-1 entsteht so mit Hilfe der beiden Außenverteidiger ein 3-4-3. Der Box-to-Box Mittelfeldspieler wird dann eher auf Absicherung und Unterstützung achten. Bevor man bei möglichen Kontern hinten zu offen steht, dringt man selbst lieber nicht zu weit in Richtung gegnerischer Box vor.

Angriffe über das Zentrum

Angriffe, die über die Mitte aufgebaut werden, haben ein etwas anderes Schema im Offensive-System bei Michael Köllner. Auch hier gibt es mehrere Varianten.

Wenn die Innenverteidiger oder der defensive Mittelfeldspieler den Aufbau in der Frühphase eines Angriffs durchs Zentrum übernehmen, versuchen die Löwen mit Hilfe von gut gestaffelten Passdreiecken die gegnerische Deckung im Mittelfeld auseinanderzuziehen und so Räume für einen der beiden zentral agierenden Mittelfeldspieler zu schaffen. Schnelle Pässe über mehrere Stationen sollen die verteidigenden Spieler aus ihrer Position bringen. Das schafft Platz, in dem dann Überzahl generiert werden kann. Die einzelnen Möglichkeiten sind hier sehr vielfältig. Die wichtigste Rolle bei diesen Angriffsversuchen fällt jedoch dem defensiven Mittelfeldspieler zu. Dieser muss anhand der Staffelung der Gegenspieler früh im Angriff entscheiden, ob dieser über die linke oder rechte Zentrale geführt werden soll. Eine weitere Möglichkeit ist der lange Ball auf den Zielspieler, der das Spielgerät dann bis zum Nachrücken vom Rest der Offensive verarbeitet und halten soll. Das ist manchmal eine ebenfalls lohnende Möglichkeit.

Sobald der Ball jedoch auf der Reise in Richtung gegnerischen Strafraum ist, bleibt der defensive Mittelfeldspieler auch bei diesen Situationen zurückhängend. Im Fall des Falles kann er im Verbund mit den beiden Innenverteidigern absichern. Denn auch bei Spielaufbau über die Mitte wird sich im System von Michael Köllner mindestens ein Außenverteidiger mit in die Offensive einschalten, um Überzahl im Mittelfeld garantieren zu können.

Die Optionen für den zentralen Mittelfeldspieler

Bekommt dann im Spiel über die Zentrale einer der beiden zentralen Mittelfeldspieler das runde Leder, muss er wichtige Entscheidungen treffen. Pass zum Mitspieler, progressiver Lauf oder langer Ball?

Der Pass als Mittel der Wahl

Bleibt das Spiel im Mittelfeld zentral und kurz, schieben die Mittelfeldaußen auf den Flügeln bis zur Defensivlinie des Gegners vor und leicht nach innen, um Räume für Pässe auf die vorrückenden Außenverteidiger zu schaffen. Die Außenverteidiger schieben aber auch mit nach vorne, um den defensiven Druck des Gegners aus der Zentrale auf den Flügel sowie ins vordere Drittel, wo die Mittelfeldflügelspieler zu Außenstürmern werden, zu verlagern. Der Gegner könnte andernfalls die Flügel im Mittelfeld unbewacht lassen. Ist der Ball schließlich im letzten Drittel angekommen, begeben sich beide Mittelfeldaußen als Stürmer auf die Halbpositionen vor oder in die Box. Auch hier wird das 4-1-4-1 in der Offensive zu einem 3-4-3.

Der progressive Lauf

Lautet die Entscheidung progressiver Lauf, wird der Ballführende bei Überspielen des direkten Gegenspielers in der Zentrale einen weiteren Gegenspieler auf sich ziehen. Dadurch entstehen wieder Räume für seine Kollegen. Kommt dann im richtigen Moment der richtige Pass auf einen Mitspieler, wird meist eine Situation geschaffen, in der mindestens zwei gegnerische Spieler der Situation hinterherlaufen. Auch hier wird meist ein 3-4-3 aus den 4-1-4-1 der Löwen.

Flanke auf den Zielspieler

Entscheidet sich der Spieleröffner für den langen Ball auf den Zielspieler oder wird der Angriff durch die Mitte in den vorab beschriebenen Situationen von einer im Zentrum kompakt stehenden Mannschaft auf einen Flügel gezwungen, geht es weiter wie im Abschnitt “Angriffsaufbau über einen Flügel” erklärt wird.

Dies sind nur die grundsätzlichen taktischen Ansätze wie der TSV 1860 München sein Spiel gestaltet. Mit jedem Ballkontakt und jeder Bewegung – offensiv oder defensiv – kommen Abspielvarianten hinzu, die nicht planbar sind, sofern man nicht mit der Gabe der Hellsicht beschenkt wurde. Deshalb ist es heutzutage sehr wichtig, dass alle Spieler taktisch bestens geschult sind. In allen heute gespielten Systemen und deren verschiedenen Varianten, sind Verschiebungen auf den Positionen essenziell. Bezeichnungen wie Box-to-Box Spieler, falsche Neun, Raumdeuter oder Schattenstürmer sind eine Folge dieser Entwicklung im modernen Fußball.

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