Vier neue Spieler konnte Michael Köllner im Kader der Löwen begrüßen. Welche Möglichkeiten offenbaren die Neuzugänge dem System des TSV 1860 München in der kommenden Saison?

Vorletzte Saison spielten die Löwen unter Michel Köllner hauptsächlich mit einem 4-4-2-Raute System, letzte Saison ausnahmslos das flexible 4-1-4-1. Was kommt vom System her nun auf die Löwenfans zu? Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Der Trainer kann, was das System angeht, dank der Neuzugänge sozusagen aus dem Vollen schöpfen.

Wo wurde generell verstärkt?

Mit Nathan Wicht, der aus der eigenen Jugend zu den Profis stieß, ist ein defensivstarker zentraler Mittelfeldspieler hochgezogen worden.

Yannick Deichmann ist ein Spieler, der sich auf allen Positionen im Mittelfeldzentrum wohlfühlt, der aber durchaus auch auf dem Flügel eingesetzt werden könnte. Deichmann hat sowohl offensiv als auch defensiv große Stärken. Er begann seine Karriere im defensiven Mittelfeld und rückte im Lauf der Jahre immer weiter nach vorne.

Marcel Bär, der bei Braunschweig hauptsächlich auf der Außenposition rechts zum Einsatz kam, sehe ich aufgrund seiner statistischen Werte eher im Sturmzentrum. Dort hat er eine brutal gute Quote von einem Scorerpunkt in jedem zweiten Spiel.

Kevin Goden kann jede Position auf der rechten Außenbahn bekleiden und ist eine blitzschnelle Allzweckwaffe, die offensiv wie auch defensiv begeistern kann.

Weitere Spieler, die den Kader der Löwen zum Trainingsauftakt verstärkten, aber noch keine Profiverträge in der Tasche haben, sind Alexander Freitag (LV), Julian Bell (RV/IV) und Marius Wörl (ZM).

Welche Möglichkeiten im System eröffnen diese Neuzugänge?

Gehen wir von den Idealpositionen der Feldspieler des TSV 1860 München aus, hat Michael Köllner nun drei Innenverteidiger, drei linke und drei rechte Verteidiger. Dazu gesellen sich drei defensive, vier zentrale und drei offensive Mittelfeldspieler. Fünf offensive Außenspieler (zwei links, drei rechts), zwei hängende Spitzen und drei Mittelstürmer komplettieren den Kader. Aufgrund der möglichen Nebenpositionen sind die Löwen kommende Saison auf jeder Position mindestens vierfach besetzt.

Welche Spieler welche Positionen im Detail spielen können, kann man wunderbar auf transfermarkt.de nachlesen, darum gehe ich darauf nun nicht weiter ein. Nur so viel sei gesagt: Viele Stimmen in den sozialen Medien und Kommentarspalten rufen nach einem weiteren Innenverteidiger. Abgesehen von den drei Spielern, die diese Position standardmäßig einnehmen können, haben die Löwen mit Wein, Moll, Mannhart, Gresler und Bell vier weitere Spieler, die dort zum Einsatz kommen können. Vor allem Quirin Moll hat vergangene Saison gezeigt, dass er mehr als nur ein Notnagel wäre, sollte sich ein Innenverteidiger verletzen. Damit ist auch auf dieser Position die Breite groß genug, um alle Unkenrufe zu ersticken.

Aus diesen Spielern gilt es nun ein effektives System zu formen. Da Marcel Bär meiner Meinung nach eher als zweite Sturmspitze verpflichtet wurde, gehe ich stark davon aus, das Michael Köllner kommende Saison auf ein System mit Doppelspitze setzen wird.  Derlei Systeme gäbe es viele. Da wären 4-4-2 Raute oder flach, 4-1-3-2, 4-3-2-1, 4-2-2-2, 5-3-2 respektive 3-5-2, 5-2-1-2, 4-1-3-2, 3-4-1-2, 3-2-3-2 und 3-1-4-2. Auch Systeme mit drei Spitzen wären denkbar, sind aber aufgrund dessen, mit welchen Spielern sich die Löwen verstärkt haben, in meinen Augen eher unwahrscheinlich.

Systeme mit Dreierkette

Beschäftigen wir uns zuerst einmal mit den Systemen mit Dreierkette in der Innenverteidigung. Wer die Spiele der Europameisterschaft verfolgt, sieht, dass diese Systeme bei vielen Teams momentan der sogenannte “heiße Scheiß” zu sein scheinen. Defensiv verschiebt sich ein System mit Dreierkette in den meisten Fällen zu einer Fünferkette. Es ergeben sich dabei natürlich Varianten. Entweder man spielt mit offensiven Flügelverteidigern oder defensiven Mittelfeldaußenspielern oder aber einer Kombination aus beidem, so wie die Sechzger das im Heimspiel gegen Unterhaching auf den Platz gebracht hatten, als Biankadi rechts und Steinhart links gegen den Ball die Außen der Fünferkette gaben.

Man kann gegen den Ball, falls man mit Dreierkette in der Innenverteidigung agiert, auch auf eine einseitig gependelte Viererkette zurückgreifen. Die Löwen haben das in der letzten Saison aus dem 4-1-4-1 heraus in der Offensive öfter gezeigt. Defensiv funktioniert das natürlich auch.

Auch eine situationsabhängig beidseitig gependelte Viererkette ist bei Systemen mit Dreierkette möglich. Die erfordert allerdings immer höchste Konzentration bei den Außenspielern. Ich will an dieser Stelle aber nicht zu tief ins Detail gehen. Das kann man immer noch machen, wenn sich im Lauf der Vorbereitung das System, mit dem die Löwen agieren wollen, tatsächlich herauskristallisiert. Wie defensiv zu Werke gegangen wird, ist natürlich auch in hohem Maße gegnerabhängig.

Welche Kombinationen lassen Systeme mit Dreierkette und zwei Stürmern beim TSV 1860 offensiv zu?

In den zentralen Mittelfeldpositionen zwischen den Boxen finden wir Platz für drei Spieler. Mindestens einer dieser drei wird ein defensiver Mittelfeldspieler sein. Wie vergangene Saison wird wohl auch der sogenannte Box to Box Spieler wieder eine tragende Rolle im System von Michael Köllner spielen. Sowohl defensiv als auch offensiv wird dieser Spieler unterstützend in beide Richtungen agieren. Gegen den Ball ist er dafür zuständig, den defensiven Mittelfeldspieler zu unterstützen und Löcher zuzulaufen, die sich im ballfernen Raum zentral ergeben. Offensiv stellt er eine zusätzliche Anspielstation dar, die im Halbraum der Zentrale als Ballverteiler agieren kann. Der dritte Mann im Zentrum wird entweder offensiv hinter den Spitzen als vorgeschobener Spielmacher bzw. Schattenstürmer agieren, oder aber als zentraler Mittelfeldspieler das Flügelspiel unterstützen. Das ist abhängig von den Flügelspielern.

Womit wir beim nächsten Punkt wären. Vorgeschobene Außenverteidiger? Oder Mittelfeldflügelspieler? Gar eine Kombination aus beidem? Alles ist denkbar, die personellen Möglichkeiten sind vorhanden. Die Varianten vielfältig.

Bei den vielen Möglichkeiten, die die Löwen mit dieser Mannschaft offensiv haben, schwirrt mir ehrlich gesagt der Kopf. Ich weiß nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll bei dieser Masse an verschiedenen Varianten. Deshalb lasse ich diesmal lieber ein paar Bilder sprechen. Dabei setze ich bewusst keine Namen oder Rückennummern auf die Schautafeln, sondern nur das Positionskürzel darunter.

Viererkette? Auch möglich.

Die Gute alte Viererkette, der absolute Klassiker. Mit zwei Stürmern in vorderster Front, also irgendeine Variation des 4-4-2. Auch hier möchte ich ungern schon ins Detail gehen, die meisten Leser werden die Varianten kennen. Daher zeige ich euch auch hier einfach anhand von weiteren Schautafeln, was unser Spielermaterial hergäbe.

Dreiersturm?

Systeme mit drei Stürmern werde ich heute noch nicht behandeln. Ich sehe diese bei der Kaderstruktur als eher unwahrscheinlich an und werde, sofern die Löwen in der Vorbereitung darauf hinarbeiten sollten, das in einem extra Artikel erläutern. Für den Moment gehe ich am stärksten von einer Dreierkette in der Innenverteidigung aus.

Varianten der taktischen Ausrichtung anhand eines Beispiels

Man sieht anhand der obigen Schaubilder, wie viele Möglichkeiten es mit dieser Mannschaft allein systematisch in der kommenden Saison gibt. Die individuelle Aufgabenstellung und die taktische Ausrichtung, die von Spiel zu Spiel anders aussehen wird, bringt noch einmal mehr Variation in jedes einzelne der möglichen Systeme.

Nehmen wir uns nur ein Beispiel heraus, um das zu erläutern, und zwar das 3-1-4-2. Es verschiebt sich defensiv zum 4-2-3-1 und wird im eigenen Verteidigungsdrittel zum 5-3-1-1 oder gar 5-4-1. Das ist immer gegnerabhängig. Wichtig im 3-1-4-2 ist, dass alle Offensivspieler auch akribisch gegen den Ball mitarbeiten. Faulheit im Spiel gegen den Ball wird man bei diesem System teuer bezahlen.

Bei eigenem Ballbesitz ergibt sich aus dem 3-1-4-2 vor dem gegnerischen Strafraum, wenn im Spiel nach vorne alle Spieler ihre Positionen so auf dem Feld etablieren können, wie das System es vorhersieht, ein 3-2-5.

Damit stellt man beispielsweise gegen eine Viererkette Überzahl her. Es wird somit die Struktur des Gegners im defensiven Mittelfeld zerrissen, da der defensive Mittelfeldspieler permanent in der Abwehr aushelfen muss.

Eine Fünferkette wird gezwungen, Mann gegen Mann zu spielen. Eine starke Offensive wird dann ihre individuellen Vorteile ausnutzen.

Bei Ballverlust muss die Mannschaft, die in einer 3-1-4-2 Formation das Spiel angeht, allerdings sehr schnell in der Rückwärtsbewegung agieren. Sonst läuft man, mit sechs mehr oder weniger offensiv ausgerichteten Spielern, die am, im oder vor dem gegnerischen Strafraum zu finden sind, Gefahr, sehr leicht gefährliche Kontersituationen entstehen zu lassen.

Die fünf bei Ballbesitz in vorderster Linie agierenden Spieler werden vom Box to Box Spieler und dem defensiven Mittelfeldspieler leicht versetzt abgesichert, während sie sich mit viel kreativer Freiheit mit allen möglichen Mitteln einen Weg suchen, den Ball gefährlich in die gegnerische Box und ins Tor zu bringen.

Spielerische Diversität der Schlüssel im System des TSV 1860 München

Fliegende Positionswechsel innerhalb des Systems sind bei der Diversität, die das Team des TSV 1860 München durch die Neuzugänge und die ins Team zurückkehrenden Verletzten hat, sehr leicht umzusetzen.

Ein mögliches Szenario für Positionswechsel im Spiel wäre: Ein zentraler Mittelfeldspieler geht in die Spitze, während der rechte Mittelfeldspieler ins offensive Mittelfeld nachrückt, weil einer der Mittelstürmer nach rechts ausgewichen ist.  Ein anderes denkbares Szenario ist der Vorstoß eines linken Flügelspielers in den tiefen Raum auf der Halbposition, der dann durch horizontale Verschiebung der Kette hinter den Mittelstürmern das System kurzzeitig zu einem 3-4-3 werden lässt. Ein kleiner aber feiner Unterschied zum 3-4-3 ist jedoch,  dass der ballferne Außenstürmer keinen langen Weg ins Zentrum gehen muss. Er wurde ja schon als Mittelstürmer oder hängende Spitze aufgestellt.

Das sind nur zwei Varianten, die sich bei dieser Aufstellung ergeben, um den gegnerischen Abwehrriegel zu knacken. Eine davon zielt auf das Stiften von Verwirrung beim Gegner und somit das Verlassen der Defensivposition ab. Die andere ist eine Variante, die Tempo ins Spiel bringt und versucht, das Spiel bzw. den Ball über Schnelligkeit hinter die gegnerische Kette zu bringen.

Es gibt offensiv sowohl in der horizontalen als auch in der vertikalen Bewegung bei dieser Systemvariante mit defensiver Dreierkette in der Innenverteidigung noch sehr viele weitere Variationen, wie man einen Abwehrriegel bespielen kann, um zum Erfolg zu kommen.

Welches System unser Coach Michael Köllner der Mannschaft der TSV 1860 München dann tatsächlich zurechtschneidert, um das zwar nicht ausgesprochene aber möglicherweise angepeilte Ziel Aufstieg anzugehen, werden wir im Verlauf der Vorbereitung sehen. Ich selbst werde zumindest bei einem der Vorbereitungsspiele auch persönlich anwesend sein und Euch dann von meinem Eindruck berichten.

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