“Richtig gut geschlafen und der Kopf tut trotzdem weh…”, so lautet die erste Zeile eines phänomenalen Fangesangs aus der Szene der Chemiker aus Leipzig, die mich unweigerlich an die eigene Verfassung des vergangenen Wochenendes erinnerte. Als feststand, dass das Spiel unserer Löwen in Dresden auf einen Freitagabend terminiert ist, kam mir diese für Auswärtsfahrer eher ungünstige Ansetzung nicht ungelegen. Da ich ein gewisses Faible für die mit Traditionsvereinen vollgepackte Regionalliga Nordost nicht leugnen kann, ging der Blick direkt auf deren Spielplan in der Hoffnung, die ein oder andere interessante Partie zu erspähen und somit den Aufenthalt im Osten auf das Wochenende auszuweiten. Gesagt, getan.

Gnädiger Spielplan für Groundhopper

Tatsächlich meinte es der Spieltagsgott gut mit seinen Jüngern und bot ihnen zwei überaus passable Paarungen, die mit dem Auswärtsspiel in Dresden gut kombinierbar gewesen wären. Für den Samstag wurde sich BFC Dynamo – Lok Leipzig (Spoiler: Vorhaben gescheitert, Erläuterung folgend) im Kalender angestrichen, für den Sonntag noch die Partie Chemie Leipzig – FSV Zwickau.

Die verflixte irische Versitzgrube a.k.a Irish Pub

Bewaffnet mit diesem Plan ging es also voller Vorfreude nach Dresden. Da es in diesem Bericht jedoch nicht um unser Auswärtsspiel gegen Dynamo gehen soll, erfolgt ein kurzer Zeitsprung, um nicht zu sehr abzuschweifen: nach dem Löwenspiel kurz noch den Magen beim Bahnhofsasiaten verrenkt, ging es darauf mehr oder weniger zielstrebig in den Irish Pub. Es kam, wie es kommen musste und die Niederlage wurde mithilfe der besten Medizin – reichlich Leckerbierchen und Whisky – verdaut. Zurück im Hotel ließen ebendiese Zaubertränke uns dann auch zu später Stunde auf magische Weiße in den Tiefschlaf sinken…

Zeche fordert Tribut: BFC Dynamo – Lok verpennt

Das unzauberhafte Erwachen am nächsten Morgen muss wohl hier nicht weiter erläutert werden. Es kristallisierte sich jedoch schnell heraus, dass eine Fahrt nach Berlin und die avisierte Partie des BFC Dynamo gegen Lok Leipzig aufgrund der toxischen Dosis wohl nicht realisierbar sein wird, so entschieden wir uns den Tag in Dresden zu verweilen. Der Samstag schließlich begann mit einem obligatorischen Sightseeing Touri Programm in der Altstadt. Mit kleinen, müden Äuglein wurden die barocken Prachtgebäude bewundert und entlang der Elbbrücken geschlendert. Es dauerte nicht lang, und diese kleine Wanderung zeigte seine Wirkung: nach der Kultur kommt die Kneipe, die durstigen Lebensgeister waren geweckt. Und da der Löwe nicht frisst, was er nicht kennt, machten wir uns am Nachmittag auf den Weg in denselben Irish Pub der vergangenen Nacht. Das Highlight war unzweifelhaft der Schalke Fan am Tisch neben uns, der beim Verfolgen des kuriose 3 – 3 seiner S04er gegen Paderborn unter starken Herzrhythmusstörungen leiden musste. We feel your pain!

Sonntagmittag: Chemie gegen Zwickau im Alfred-Kunze-Sportpark

Nach dem stadionfreien Samstag war die Vorfreude umso größer auf Chemie gegen Zwickau. Wir waren bereits beim Hinspiel in der Zwickauer GGZ Arena, was die beiden Szenen da über 90 Minuten akustisch und optisch abgerissen haben, ließ bereits mit den Ohren schlackern und war einer der Gründe, das Rückspiel wenn irgend möglich mitzunehmen. 

Die Partie war für 13:00 Uhr angesetzt, wir machten uns gegen 11.00 Uhr mit der Straßenbahn in Richtung Leipzig Leutzsch. Rund um den Hauptbahnhof waren bereits einige Chemie- und Eintracht Frankfurt Schals unterwegs, die bekanntlich ja eine enge Fanfreundschaft pflegen. Da die Partie als erhöhtes Risikospiel eingestuft wurde, war außerdem bereits massive Polizeipräsenz anwesend. In der Vergangenheit hat es zwischen den beiden Fanlagern ordentlich gescheppert, daher die Einschätzung seitens der Staatsmacht auch nachvollziehbar. Dass direkt vor der Kurve mit einem Wasserwerfer patrouilliert wurde und das komplette Spiel über eine Polizeidrohne über dem Spiel kreiste, mag der ein oder andere dann doch als hysterisch empfinden.

Leipzig Leutzsch: Heimat der BSG Chemie

In Leutzsch angekommen, war dann auch direkt die Kreuzung zum Stadion gesperrt und der komplett in schwarz gekleidete Zwickauer Mob an uns vorbei eskortiert. Überraschenderweise kam es hierbei weder von den wartenden Chemikern, noch den Zwickauern zu Pöbeleien. Nachdem alle Zwickauer vorbei und die Straße wieder freigegeben war, führte uns ein kleiner aber feiner Spaziergang durchs Viertel zum Alfred-Kunze-Sportpark.

Dort angelangt, ging es nach kurzer Stärkung am Bierstand zügig hinein, vorbei an den trotz angekündigter harter Kontrollen entspannten Security. Im Stadion dann einem Platz am Dammsitz auf Höhe der Mittellinie eingenommen und die ersten Eindrücke auf sich wirken lassen. Und was soll man sagen, der Alfred Kunze Sportpark ist halt dann auch genau das, was Fussballromantiker sich unter einem echten Fussballstadion vorstellen. Kein unnötiges Schnickschnack, alles ein bisschen abgerockt, knatterige Lautsprecher und Leute, die Bock auf ehrlichen Fussball haben. Das Stadion war mit ca. 5000 Leuten (davon um die 1000 Gästefans) dann auch gut gefüllt und beide Ränge spürbar motiviert.

Starker Auftritt beider Kurven

Blick auf die Heimkurve

Die Heimkurve um die Diablos Leutzsch und Skins positionierte sich an ihrem Platz hinterm Tor im Norddamm. Die unüberdachte Kurve ist in einen Unter- und Oberrang geteilt und weiß optisch durchaus zu Gefallen, gerade durch das mittige ‘HALTET DIE BSG IN EHREN DAMIT SIE NIEMALS UNTERGEHT’ Banner. Die Kurve machte dann circa 20 Minuten vor Anpfiff mit durchaus brachialen B! S! G! Schlachtrufen zum ersten Mal akustisch auf sich aufmerksam. Der Leutzscher Block wusste dann auch über die gesamte Spielzeit zu überzeugen mit durchgehendem Support unter teilweisem Einbezug der Sitzplätze, kleineren Pyroeinlagen und einem Spruchband zu Ehren des 125 Jährigen Bestehens der SG Eintracht Frankfurt.

voller Gästeblock in Partylaune

Auf der anderen Seite präsentierte sich ein proppenvoller Gästeblock um Red Kaos auch von seiner besten Seite. Der gesamte Mob war zu Beginn der Partie noch in schwarz gekleidet, im Laufe der Partie wurden gesammelt die Jacken gelüftet und der Block in weiß und rot gehüllt. Dazu 90 Minuten Dauersupport mit fast hundertprozentiger Mitmachquote, große Schwenker mit jeweils einem großem Buchstaben (V – O – R – A – N & K – A – O – S), Rauch und Pyro. 

Von beiden Rängen insgesamt eine mehr als beachtliche Leistung, von der einige Profivereine sicher nur Träumen können.

 

Erste Halbzeit: viel Kampf, Chemie mit leichten Vorteilen

Beide Mannschaften hauten von Anpfiff weg alles rein, wobei die Gastgeber mit einer kontrollierten Offensive die Partie leicht dominierten. Sie versuchten es immer wieder mit Fernschüssen auf dem schwierigen Boden, keiner davon wurde für den Gästekeeper aber wirklich brenzlig. Zwickau konnte vor der Pause nur wenige offensive Akzente setzen, da die BSG-Defensive die FSV Angreifer größtenteils unter Kontrolle hatte. Die beste Chance auf Zwickauer Seite bot sich Veron Dobruna, der eine Flanke von Martens von rechts knapp verfehlte (11.). In der gefährlichsten Aktion auf Chemie Seite traf Philipp Wendt kurz vor der Halbzeit nur die Latte mit einem Flanken-Torschuss. So ging es mit einem verdienten Unentschieden in die Halbzeit.

Zweite Halbzeit: mehr Kampf und Tore

Nach der Halbzeitpause übernahm der Drittliga-Absteiger aus Zwickau von Beginn an das Ruder. Kurz nach Wiederanpfiff haute FSV Stürmer Marc-Philipp Zimmermann den Ball nach einer sauberen Kombination knapp drüber, Minuten später scheiterte Dobruna an dem starken BSG-Schlussmann Bellot. Spätestens danach spielten beide Teams offensiv ausgerichtet. In der 63. Minute erhielt der FSV einen meiner Meinung nach lächerlichen Foulelfmeter. Den Elfer verwandelte Herrmann dennoch, obwohl Chemie-Torwart Bellot noch seine Finger an den Ball bekam.

Fast im Gegenzug jedoch der Ausgleich durch einen effektiv gespielten Konter: Chemiker Surek schob einen flachen Pass von Hilßner ins Tor. Anschließend presste die BSG, doch die Zwickauer verteidigten geschickt. Die spielentscheidende Szene zugunsten des FSV kam durch einen groben Schnitzer in der Leipziger Abwehr zustande. Voigt eroberte den Ball nach eine Fehlpass, blieb vorm Kasten cool und schob zum 1:2 in der 87. Minute ein. Die BSG drängte die letzten Minuten vehement auf den Ausgleich, und kam auch nochmal zu Chancen. Am Ende brachte der FSV aber den Sieg mit cleverer Spielweise über die Zeit. 

Da bekanntlich Bilder mehr als tausend Worte sagen, hier eine ausführliche Zusammenfassung der Partie:

Kurzweilige BlaBlaCar Heimfahrt

Nach dem Spiel ging es dann auch zügig Richtung zurück in Richtung Innenstadt. Von dort aus hatten wir eine Mitfahrgelegenheit über die Plattform BlaBlaCar organisieren können. Mit unserem ostdeutsch-polnischer Fahrer, der vor Kurzem nach Bayern gezogen ist, betrieben wir kurzerhand interkulturelle Völkerverständigung per Playlist: anhand wertvoller Kulturgüter wie Gerhard Polt und BOBR KURWA, die für gute Unterhaltung während der gesamten Fahrt sorgte. Nach einem gelungenem Fussball Wochenende im Osten verging so die Heimfahrt von Leipzig ins geliebte Bayern wie im Flug.

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Magic

Damals, beim Pokalspiel 1994, hat das ganze Stadion “nur ein Leutzscher ist ein Deutscher” gebrüllt, gibt’s den Schlachtruf noch?

Joerg

Ich wusste nicht, dass man an einen einfach dümmlichen Spruch so herangehen kann, puh, Kopfschmerzen

anteater

Nein, die Zeiten sind vorbei. In Probstheida allerdings nicht, aber das reimt sich nicht auf “Deutscher”. Manch etwas fragwürdigen Gesang gibt es allerdings auch noch im AKS zu hören.