Verliebt in Liga 3 – das ist der Slogan des SC Verl, der seit dieser Saison in der 3.Liga spielt und sich bestens eingelebt hat. Aktuell liegen die Ostwestfalen auf einem starken 6.Platz. Damit hätten wohl die Wenigsten gerechnet. Die Spielweise begeisterte viele Löwenfans am Samstag. Es entstand ein offener Schlagabtausch mit dem glücklicheren Ende für die Löwen.
Doch nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz zeigt der Aufsteiger, dass er das Herz am rechten Fleck trägt. Das zeigen zwei Aktionen aus dieser Saison eindrucksvoll.
SC wer oder was?
Als der Gegner vom 1.FC Lok Leipzig für die Relegation zur 3.Liga im vergangenen Sommer feststand, fragte sich zunächst einmal so ziemlich jeder außerhalb vom Westen Deutschlands, wer denn dieser SC Verl wäre. Die meisten drückten dem Verein aus Leipzig die Daumen; teilweise einfach nur, weil sie mit dem Sportclub aus dem Kreis Gütersloh nichts anfangen konnten. Doch all jene wurden eines Besseren belehrt: mit der Auswärtstorregel reichte den Ostwestfalen im Ausweichstadion in Bielefeld ein 1:1-Unentschieden zum Aufstieg, nachdem man sich in Leipzig mit einem 2:2 trennte.
Der nominell Zweite der Regionalliga West (Rödinghausen verzichtete) steigt ohne Sieg in die 3.Liga auf. Da liegt es nahe, wer keine Chance haben wird in der 3.Liga: der SC Verl. Bei liga3-online beispielsweise tippten 77% der Leser und somit mit deutlichem Abstand vor dem nächsten Verein, dem VfB Lübeck, dass der Sportclub direkt wieder den Gang in die Regionalliga antreten muss. Auf dem Papier stand der Absteiger Nummer 1 bereits fest.
Es kam ganz anders
Wir schreiben mittlerweile den 31.Spieltag. Zum zweiten Mal traf der TSV 1860 München am vergangenen Samstag in der Saison 2020/21 auf den Aufsteiger SC Verl. Im Vorfeld beider Partien belegten die Ostwestfalen den 6.Platz in der Tabelle der 3.Liga. Überhaupt ist Rang 13 die schlechteste Platzierung der Verler in ihrer Premieren-Saison in der neuformierten 3.Liga (mehr zur Historie im Vorbericht vom Hinspiel). Dieser 13.Platz resultierte aus einem 1:1 gegen Wehen Wiesbaden am 1.Spieltag. Danach pendelte man sich im oberen Mittelfeld ein und bezog kurzzeitig sogar den Platz an der Sonne. Ein 4:2 gegen den Halleschen FC am 14.Spieltag bedeutete Platz 1. Vom Absteiger Nummer 1 konnte zu diesem – und auch keinem anderen Zeitpunkt die Rede sein.
Offensives Feuerwerk vom SC Verl
Seit April 2017 leitet Guerion Capretti die Geschicke im Kreis Gütersloh. Der 39-Jährige Deutsch-Italiener ist offensichtlich ein Fan einer offensiven Herangehensweise. In einem 4-3-3 lässt er seine Mannen spielen. Mit dem Motto “Man muss immer nur ein Tor mehr machen als der Gegner” fährt der Sportclub Punkte um Punkte ein. Mit 57 erzielten Toren führt man diese Kategorie gemeinsam mit dem TSV 1860 München an. Hinten jedoch steht man dagegen nicht besonders sattelfest. Bereits 49 Mal mussten die Ostwestfalen das Leder aus dem eigenen Tor holen – nur zwei Teams haben mehr Tore kassiert.
Während die eigenen Fans die vielen kassierten Gegentreffer bemängeln dürften, erfreut sich der Fußballfan an der erfrischenden Spielweise des Aufsteigers. Der SC Verl ist mit seinem attraktiven Fußball eine absolute Bereicherung für die 3.Liga. Neben dem Platz beweisen die Verantwortlichen mit zwei Aktionen, dass der Sportclub auch hier ganz weit vorne mitspielen kann.
Schalübergabe durch den Fanbeauftragten
Beim Hinspiel im November reiste, wie eigentlich immer, Prinz Eisenherz den Löwen hinterher. Im Paderborner Exil erkundigte sich dann Thorsten Nöthling, seines Zeichens Stadionsprecher und Fanbeauftragter, ob der Allesfahrer des TSV 1860 München auch heute anzutreffen sei. Ein Einlass war aufgrund der behördlichen Vorgaben nicht möglich, doch Nöthling ließ es sich nicht nehmen und überreichte “Eisi” einen Schal des SC Verl. Eine feine Geste, über die sich der Löwenfan sichtlich freute.
Ramadama mit dem SC Verl
Die zweite Geschichte ereignete sich beim Rückspiel im Sechzgerstadion, die auch schon von den Groundhoppers 1860 auf Facebook aufgegriffen wurde. Während 2019 die Löwenfans noch zu einem “Ramadama” rund um das Grünwalder Stadion aufriefen, war dies auf der Haupttribüne am Samstag nicht mehr notwendig. Nach Schlusspfiff räumte ein Betreuer des SC Verl den Tribünenbereich auf, der von den Ersatzspielern als Bank benutzt worden war. Bananenschalen oder Wasserflaschen – alles wurde fein säuberlich aufgesammelt und entsorgt. Nicht nur die Ordner des TSV 1860 waren sichtlich angetan von dieser Aktion.
Das wohl bekannteste Beispiel einer vergleichbaren Situation lieferte die Nationalmannschaft Japans bei der WM 2018 in Russland. Nach dem Ausscheiden im Achtelfinale hinterließen diese ihre Kabine mit einem Danke-Schild und stubenrein. Dafür erhielten sie viel Anerkennung aus der gesamten Welt.
Der SC Verl hat aus unserer Sicht mindestens genauso viel Ansehen verdient. Den sympathischen Ostwestfalen kann man nur alles Gute im Saisonendspurt wünschen. Verliebt in Liga 3 – und wir jetzt auch ein bisschen in den SC Verl.