In der vergangenen Woche berichteten wir Euch von Folge 3 des überaus hörenswerten Podcasts Inside 1860 der Süddeutschen Zeitung, den man sich bei FYEO anhören kann. Die beiden Redakteure Markus Schäflein und Philipp Schneider entlockten Karl-Heinz Wildmoser junior dabei die bemerkenswerte Aussage: “Wir hatten ja gar keine Mittel für die Arena!” In der vierten Episode der Löwen-Saga geht es um die Rolle der Wildmosers bei der katastrophalen Finanzplanung der Arena. Zudem wird durchleuchtet, ob und inwiefern der ehemalige Geschäftsführer Stefan Ziffzer die Anteile an der Arena zu billig an den FC Bayern verkauft hat.

Erstklassige Kostenstruktur in Liga 2

Die Löwen, die Arena und das Geld – ein Drama in gefühlt unendlich vielen Akten. Und mittendrin natürlich immer wieder Präsident Karl-Heinz Wildmoser sen. und sein Sohn Heinzi, seines Zeichens Geschäftsführer des TSV 1860 und der Stadion GmbH.

Im Jahr 2004 stiegen die Löwen nicht nur aus der Bundesliga ab, auch Wildmoser musste seinen Hut als Präsident des TSV nehmen. Auf ihn folgte Karl Auer, seines Zeichens Wurstfabrikant und seit 1996 Mitglied des Aufsichtsrats. Keine leichte Aufgabe, denn zunächst galt es für den erfolgreichen Geschäftsmann, die Scherben bei den Löwen zusammenzukehren. Sein Dilemma: Nennt er die tatsächliche finanzielle Situation beim Namen, droht der Lizenzentzug. Als Hauptgrund dafür galten reichlich Altlasten, die aus der Ära Wildmoser/Lorant stammten. Die Finanzierung von teuren Spielern auf Pump war an der Tagesordnung. Bestes Beispiel hierfür war Jiayi Shao, für den die Löwen noch Jahre später zahlen mussten.

Die Kostenstruktur des TSV 1860 war weiterhin erstklassig, die Einnahmen in Liga 2 jedoch deutlich geringer. Logische Konsequenz: Der Schuldenberg der Löwen wuchs Jahr für Jahr um mehrere Millionen Euro. Die Option, dass 1860 absteigen könnte, war bei der Planung seitens Wildmosers schlicht nicht berücksichtigt worden.

Verschärfung der finanziellen Probleme

Der TSV 1860 zog also nach dem verpassten Wiederaufstieg als Zweitligist in die Arena ein. Sportlich lief es bei den Heimspielen eher bescheiden. Viel schlimmer jedoch: Die finanziellen Probleme verschärften sich zunehmends, weil man bei den Löwen bei der Planung ja von Erstligaverhältnissen auf der Einnahmenseite ausgegangen war. Als größte Hürde kristallisierten sich dabei die Kosten für den Cateringbereich heraus.

Guter Deal von Wildmoser?

Die beiden Stadioninhaber TSV 1860 und FC Bayern hatten sich das so schon ausgemalt. Besonders durch den Cateringbereich sollten die Kosten für die Arena (340 Millionen Euro) Stück für Stück abgetragen werden. Klingt utopisch, war aber auf den ersten Blick gar nicht so dumm kalkuliert.

Wie hätte das funktionieren sollen? Eigentlich ganz einfach: Die Logen in der Allianz Arena kosteten pro Jahr bis zu 300.000 Euro, das Catering war dabei inkludiert. Der Clou daran war, dass sämtliche Einnahmen daraus direkt in die Stadion GmbH flossen, die damals zu jeweils 50 % den Blauen und den Roten gehörten. In der Arena gibt es 106 Logen, wovon der Nachbar aus der Seitenstraße 102 verkaufte. Oder andersrum: Der TSV hat gerade mal vier Logen an den Mann gebracht.

In der Theorie also eigentlich ein guter Deal für 1860, da der FC Bayern massenhaft Geld generierte, von dem mittels Stadion GmbH vor allem die Löwen profitiert hätten.

Catering als Schuldenfalle

So weit, so gut, doch es gab auch noch die über 3.000 Business Seats, mit denen man im Idealfall pro Saison sechs Millionen Euro hätte erwirtschaften können. Die Einnahmen dieser Business Seats gingen nur zu 50 % in die Stadion GmbH und zwar mit einer Garantiesumme von 3 Millionen Euro pro Saison und Verein.

Und nun zum springenden Punkt, dem Catering an sich. Damit wurde nämlich gar kein Gewinn erlöst, da die VIPs mit dem Erwerb ihrer Karte umsonst schlemmen konnten. Zudem hatte der Caterer der Arena den entsprechenden Bereich mitfinanziert und sich vertraglich zusichern lassen, dass ihm eine bestimmte Menge an Essen pro Heimspiel abgekauft wird. Sowohl der FC Bayern als auch 1860 mussten pro Saison dafür 2 Millionen Euro bezahlen – egal, wieviel dann tatsächlich gegessen wurde.

Wildmoser ohne Plan B

Karl-Heinz Wildmoser junior erinnert sich an die Planungsphase – abgestimmt auf die Bundesliga und ein mögliches internationales Geschäft:

“Wir haben natürlich eine Grundkalkulation gehabt. Die hat vorgesehen, dass wir von den 3.000 Business Seats 2.500 verkaufen. Und diese 2.500 Essen müssen dann halt bei der Firma gebucht werden.”

Als Zweitligist ging diese Rechnung natürlich nicht auf. Im Jahr 2005 verkaufte der TSV gerade mal 410 Business Seats. Die so oft zitierte “Abstiegsversicherung” gab es nicht, ebenso wenig einen Plan B. Die Folge: Man machte mit diesem eigentlich als Goldgrube vorgesehenen Geschäft sogar Minus.

Wir fassen zusammen: Ohne dass der Ball überhaupt rollte, hatte der TSV 1860 durch die von Wildmoser ausgehandelten Arena-Verträge Fixkosten in Höhe von 5 Millionen Euro pro Saison!

Ziffzer verkauft Anteile an Arena

Im April 2006 installiert der neue Präsident Alfred Lehner mit Stefan Ziffzer einen neuen Geschäftsführer, der den TSV 1860 finanziell sanieren soll – eine Herkulesaufgabe. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Er verkaufte die Arena-Anteile an den FC Bayern. Für 50 % der Anteile an der Stadion GmbH zahlt Rot 11,3 Millionen Euro an Blau. Die Lizenz für die folgende Saison war damit zwar gerettet, die Löwen nun aber Mieter in der für die Löwen völlig überdimensionierten Arena. Und das zu einem stolzen Preis: Satte 6 Millionen Euro musste der TSV 1860 pro Saison an die Seitenstraßler abdrücken – und zwar, weil sie immer noch auf den Fixkosten (Business Seats, Catering) saßen, die sie als Miteigentümer gehabt hatten.

Kostenfaktor Logen

Der ehemalige Vizepräsident des TSV 1860, Franz Maget, fasst zusammen:

“Überhaupt die Kosten, dieses Stadion zu bespielen (…), das war für Sechzig nicht darstellbar. Die Logen waren das Hauptproblem. Die Einnahmen der Logen gingen an die Stadion Betriebs GmbH und Sechzig hatte null davon, wenn in der Loge von MAN (…) 50 Leute saßen. Die haben sich das Spiel als Gäste von MAN kostenlos angeschaut. MAN hat an die Stadion Betriebs GmbH gezahlt und Sechzig hatte null. Da hätte Sechzig genauso gut ohne Loge im Grünwalder Stadion spielen können.”

Wir erinnern uns: Genau diese Logen hatte Karl-Heinz Wildmoser jun. doch als das große Geschäft und die große Chance für den TSV 1860 bezeichnet, weil man als Teilhaber der Stadion GmbH vom FC Bayern und deren Kunden profitieren würde. Ein klassisches und sehr, sehr teures Eigentor!

Pflichten aus Arena-Verträgen

Man hatte nun also die Pflichten aus den ursprünglich ausgehandelten Arena-Verträgen an der Backe, sprich Fixkosten in Höhe von 5 Millionen Euro pro Saison und gleichzeitig noch nicht einmal die Möglichkeit, ihre Logen selbst zu vermarkten. Dass die 11,3 Millionen aus dem Verkauf der Arena-Anteile sehr bald verbraucht sein würden, war klar.

Warum ließ sich Ziffzer also auf den Deal ein?

“Reine Freundlichkeit des FC Bayern”

Ziffzer unterschied laut eigener Aussage zwischen “Substanzwert” und “Ertragswert”. Der Substanzwert war dabei die Arena selber, einen Ertragswert hatte sie noch nicht, weil sie noch keine Gewinne abwarf. Man müsse stattdessen noch Schulden abbezahlen, woraus sich hierfür ein “Minuswert” ergab. Die Arena-Anteile waren laut Ziffzer also nichts wert. Er stellte es sogar so dar, dass es eine “reine Freundlichkeit des FC Bayern” sei, wenn sie dafür überhaupt etwas bezahlten. Verhandelt wurde der Kaufpreis erst gar nicht, der Löwen-Geschäftsführer rechnete zusammen mit dem FC Bayern durch, wieviel der TSV 1860 brauchte, um zu überleben.

Ab 2008 gelang es Ziffzer immerhin, die Fixkosten in der Arena von 5 auf 3 Millionen Euro pro Jahr zu senken. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Stefan Ziffzer ist aktuell übrigens beim FC Bayern München angestellt und agiert als Chief Business Officer bei den Basketballern. A Gschmäckle hats halt schon…

Unrühmlicher Abgang

Auch die Rückkaufoption für die Anteile an der Arena veräußerte Ziffzer zwei Jahre später an den FC Bayern – diesmal für 1 Mio. Euro. Die Löwen waren also endgültig draußen. Allerdings nur aus der Stadion GmbH, nicht jedoch aus der viel zu großen Schüssel mit all ihren Kosten. Der große Gewinner war der Nachbar aus der Seitenstraße.

Ziffzer hingegen verabschiedete sich im Mai 2008 unrühmlich vom TSV 1860. Auf einer Pressekonferenz nach dem Heimspiel der Löwen gegen den VfL Osnabrück am 11. Mai 2008 äußerte sich der Geschäftsführer wenig schmeichelhaft über Präsident Albrecht von Linde, mit dem er wiederholt aneinander geriet:

„Der Fisch stinkt vom Kopf her, und das ist bei uns der Präsident (…) Dieser Präsident ist eine Schande für den Verein.“

Im Anschluss sprach von Linde in der VIP-Lounge der Arena die fristlose Kündigung von Stefan Ziffzer aus. Auch Maget bescheinigt dem ehemaligen Geschäftsführer in der Retrospektive eine “ausbaufähige Sozialkompetenz”.

Inside 1860

Unser Tipp: Legt Euch FYEO zu und verfolgt “Inside 1860” – und zahlreiche weitere Podcasts! Das 14-tägige Probeabo ist kostenlos, anschließend kostet das komplette Angebot des Portals 4,99 €/Monat.

Beitragsbild: pixabay.com

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Sechzgerflore

KHW hätte damals anders gehandelt, wäre er noch als Präsident am Ruder gewesen. (https://www.tz.de/sport/1860-muenchen/tsv-1860-loewen-interview-wildmoser-olympiastadion-tz-710100.html)

Auch wenn viele das hier nicht lesen wollen, wusste KHW, dass er die AA mit 60 so gut wie nie voll hätte auslasten können. (“Im dritten Rang bleibts Liacht aus”)
Selbst im Falle eines Abstieges hätte er alles dafür getan, so schnell wie möglich wieder hochzukommen, weil ihm klar war, welch finanzielle Folgen ein längerer Verbleib in Liga 2 gehabt hätte.

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/karl-heinz-wildmoser-im-portraet-patron-aus-hinterbruehl-1.938290-0

Wenn, dann sollte man die Schuld bei seinen Nachfolgern und v.a.dem ach so großzügigen FCBayern suchen. Die haben KHW nämlich erst mithilfe der Politik (WM2006) in diese missliche Lage gebracht und ihn dann auch noch über den Tisch gezogen.
(https://www.sueddeutsche.de/muenchen/karl-heinz-wildmoser-im-portraet-patron-aus-hinterbruehl-1.938290-3)

United Sixties

Die Schuldfrage ist mehr als eindeutig und die haben Wildmosers mit dem damaligen sog. Aufsichtsrat zu verantworten. Auch alle Präsidien und AR nach 2005 bis 2011 haben für Ihre Verantwortung und Beschönigungen an die Delegiertenversammlungen als höchstes Vereinsgremium zum wirtschaftlichen Desaster weiter beigetragen und sind entsprechend abgewählt oder Dank neuer Satzung nicht bestätigt worden. In Zukunft hilft wohl nur ein klarer Schuldenschnitt in dieser kgaA und dazu braucht es die Bereitschaft und Vernunft des Mehrheitsgesellschafter und aller Verantwortlichen in e.V. und GF KGaA.
Sportlich läuft es seit 2017 mit viel mehr Vernunftplanung in eine bessere Richtung zurück in den lukrativeren DFL-Bereich und mit der Stadt für einen ligaunabhängigen zeitgemäßen Ausbau unseres Sechzgerstadion. Wir Mitglieder auf der MV müssen nur weiter achtsam bleiben.

andreas de Biasio

okay danke Stefan.
Stefan jetzt habe ich mal eine Frage zur Vergangenheit:
Du hast gerade geschrieben, dass eine Rückkehr ins gws damals nach Verkauf der Anteile auf Grund der damals bestehenden Verträge nicht möglich war. im Sommer 2017 haben diese Verträge aber doch auch noch Gültigkeit gehabt, oder nicht?

Markus Drees

Nicht ganz richtig, Stefan. Die Verträge galten in allen Ligen. Es war aber allen Beteiligten klar, dass für Regionalliga kein Finanzierungsmodell klappen würde. Daher einigte man sich auf Vertragsauflösung im Juni 2017. .

Markus Drees

Der “Gag” war nur, dass die Kondition für die oberen drei Spielklassen definiert waren. Für alles tiefer galt: siehe 3. Liga

Sechzigcore

Was mir hier aber schon fehlt ist, dass durch den abkauf der Anteile uns auch ca. 170 Mio. Verbindlichkeiten fürs Abbezahlen der Arenaanteile weggefallen sind oder nicht?
Der beste Weg wäre damals nur gewesen, gleich ins GWS zu ziehen oder ging das nicht?

andreas de Biasio

nur die erste Ausgabe ist kostenlos?