In Teil 4 unserer Reihe wurde Gerhard Schnell zum Schriftführer der ARGE gewählt. Zeitgleich schrieb er mit zahlreichen Fake-Accounts zahlreiche Leserbriefe und Emails, um seiner Position Nachdruck zu verleihen und seine Frau Jutta Schnell (Fanbeauftragte beim TSV 1860) zu unterstützen, indem er ihre vermeintlichen Konkurrenten diskreditierte. Aber das war erst der Anfang…

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit der ARGE

Erstmals trat zu diesem Zeitpunkt auch Manfred Riedl in Erscheinung. Der Sportreporter und Schiedsrichter kam wie die Schnells aus Neuburg an der Donau und trat als „Presse- und Öffentlichkeitsverantwortlicher“ der ARGE in Erscheinung. Mit ihm wurden die Briefe an die Geschäftsführung deutlich rauer. Als die Geschäftsleitung zu einem Gespräch aufgefordert wird, droht er:

„Sollte dieses Gespräch von Vereinsseite in dieser Woche nicht mehr zustande kommen, wird die ARGE sofort Maßnahmen ergreifen, die das Verhältnis zwischen Verein und seiner größten organisierten Fangruppierung für die kommenden Jahre sehr negativ belasten könnte.“

Gezielt wird dabei gegen die Ultras geschossen. Im Schreiben an die Geschäftsführung werden diese von Riedl als „Gruppe hirnloser Chaoten“ dargestellt.

PRO1860 als neue Zielscheibe der ARGE

Im Februar 2006 gründete sich schließlich die Fanvereinigung PRO1860. Damit war neben der aktiven Fanszene ein weiterer Gegner gefunden. Die ARGE sah ihre Felle davonschwimmen, zumal die Argumente objektiv betrachtet vermehrt auf Seiten der Opposition waren. Die finanzielle Situation des TSV 1860 München wurde immer bedrohlicher, die Allianz Arena erwies sich als größter Fehler in der Geschichte des TSV 1860 München. Die ARGE als Verfechter der Arena und Gegner eines Verbleibs im Grünwalder Stadion sah sich plötzlich in die Ecke gedrängt. Schnell wurde gegen PRO1860 geschossen. Siegbert Stemmer schreibt im Namen der ARGE im Mai 2006 an die Geschäftsstelle und stellt dabei unmissverständliche Forderungen:

„Distanzieren Sie sich von diesem Mob!“ – „Verwehren Sie dieser Splittergruppe […] den Zutritt in die Allianz Arena“ – „Unterbinden Sie die Machenschaften des Fanprojekts München“ – „Brechen Sie jeden Kontakt zur Pseudo-Vereinigung PRO1860 sofort ab“.

Der „Löwenbomber“ wird zweiter Fanbeauftragter

Zu hinterfragen wäre an dieser Stelle grundsätzlich die Rolle der Fanbeauftragten, die per se eine vermittelnde Aufgabe zu erfüllen hätte und im Sinne des Vereins grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre, die zerstrittenen Parteien an einen Tisch zu holen, um eine Einigung zu erwirken. Stattdessen musste allerdings der Verein reagieren und entschied sich 2006, einen weiteren Fanbeauftragten einzustellen, der sich hauptsächlich um die Belange der aktiven Fanszene kümmern sollte. Axel Dubelowski, der „Löwenbomber“, war ein Mann von der Basis, ein „Fanbeauftragter für die Fans“. Keine Frage, Jutta und Gerhard Schnell gefiel diese Personalentscheidung überhaupt nicht. So scheint es kaum verwunderlich, dass Dubelowski zu Beginn seiner Amtszeit mit mehreren haltlosen Vorwürfen konfrontiert wurde. Dutzende E-Mails wurden an Präsidium und Geschäftsführung geschickt. Inhalt: Heftige Beschwerden gegen Dubelowski. So stünde der Fanbeauftragte „bei den Spielen betrunken von der Zugfahrt am Bierstand im Stadion, als sich um die Krawallos zu kümmern“. Es sei „unverständlich, wie so jemand Fanbeauftragter werden könnte“ und der Verein sollte umgehend „die Reißleine ziehen und den Dubelowski in die Wüste schicken“.

Die E-Mails hören erst auf, als feststeht, dass sich die Arbeitsbereiche der beiden Fanbeauftragten praktisch nicht überschneiden. Jeder hatte den anderen in Ruhe seine Arbeit machen lassen, man nahm sich gegenseitig nichts weg. Als Dubelowski für Schnell keine Bedrohung mehr darstellte, stoppten die Beschwerde-Mails.

Der TSV 1860 schöpft Verdacht

Einen Effekt hatte das Ganze allerdings doch: In der Geschäftsstelle wurde man auf die seltsamen E-Mails aufmerksam. Dass es sich um Fake-Mails handeln musste, war schnell durchschaubar. Der Inhalt sowie die Rechtschreibung waren sich sehr ähnlich, die Absender waren beim TSV 1860 München gänzlich unbekannt. Franz Hintersteiner, Elfriede Maurer, Siegfried Sprenzel oder Alfons Piller waren frei erfundene Personen, die – wie schon die Absender der Mails aus dem Dezember 2001 – nicht existierten. Selten wurde auf Nachfrage seitens der Geschäftsstelle geantwortet. Bei der Bitte um ein Telefonat wurde der Mailverkehr ohnehin im Keim erstickt. Auf die Idee, mit Hilfe der IP-Adresse nach dem wahren Empfänger zu forschen, kamen die Mitarbeiter damals allerdings (noch) nicht.

Gerhard Schnell wird Vorsitzender der ARGE

Siegbert Stemmer trat alsbald als Vorsitzender der ARGE zurück. Manfred Riedl folgte auf Stemmer, war aufgrund seiner offensiven und damit selbst ARGE-Hardlinern zu deutlichen Herangehensweise allerdings als Vorsitzender nicht haltbar. Im Juli 2008 wurde dann Gerhard Schnell offiziell Erster Vorsitzender der ARGE. Der Komplett-Umsturz war vollzogen, die Fanbetreuung praktisch zu 100% in den Händen der Familie Schnell. Mit Jutta als Fanbeauftragter und ihrem Mann Gerhard als ARGE-Vorstand sollte die „Ära Schnell“ weitergeführt werden. Und tatsächlich schienen die alten Streitigkeiten relativ rasch Vergangenheit. Die ARGE machte weiterhin „ihr Ding“, hinterfragt wurde relativ wenig. Auf der Geschäftsstelle war man froh, dass die leidigen Störfeuer beendet waren und wieder Ruhe eingekehrt war.

PRO1860 auf dem Vormarsch

Im Verein wiederum sah das anders aus. Mit zunehmender Zeit wurde die Fanorganisation PRO1860 größer und wuchs nicht nur personell, sondern auch organisatorisch. Längst war die Delegiertenwahl beim TSV 1860 ein Machtkampf zwischen der ARGE auf der einen und PRO1860 auf der anderen Seite. 2010, als Robert Reisinger – heute Präsident der Löwen – im Ballhausforum in Unterschleißheim zum Fußball-Abteilungsleiter gewählt wurde (sein Kontrahent war im Übrigen Thomas Hirschberger), hatte die ARGE noch knapp die Mehrheit der Delegierten im Verein auf ihrer Seite. Es sollte das letzte Mal bleiben. Schon die nächste Delegiertenversammlung wurde durch PRO1860 bestimmt, die ARGE verlor auch vereinspolitisch an Zustimmung.

Aufbau des Feindbildes der „bösen KGaA“

Dies mag durchaus auch daran gelegen haben, dass sich die ARGE verstärkt gegen die KGaA, die ungeliebte „Profi-Firma“ der Löwen, stemmte. So schreibt Gerhard Schnell beispielsweise im Vorwort des ARGE-Magazins:

„Es ist hier auch der Verein bzw. die KGaA gefordert, Barrieren, die von einigen Mitarbeitern des TSV in der Vergangenheit aufgebaut wurden und noch vorhanden sind, wieder abzubauen“.

Um welche „Barrieren“ es sich dabei handelt, wird mit keinem Wort erwähnt. Allerdings finden sich solche und ähnliche Aussagen von Schnell regelmäßig in diversen Protokollen und wurden bei etlichen Versammlungen getätigt. Stellt sich die Frage, welchen Grund die KGaA haben sollte, seinen Fanclub-Dachverband zu beschneiden. Dass das Handeln der ARGE auf Seiten der KGaA zunehmend hinterfragt wurde, ist nachvollziehbar. Die Gräben zwischen der Profi-Abteilung und dem Fanclub-Dachverband wurden immer tiefer.

Wie gehts weiter?

Unter Geschäftsführer Markus Rejek wurde die ARGE kritisch hinterfragt – selbstverständlich zum Missfallen von Gerhard Schnell, da auch die Position seiner Frau Jutta als Fanbeauftragte gefährdet schien…

Überblick

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Sechzgerflore

Zweifelsohne sehr interessant. Stellt sich nur die Frage woher dieser Blog diese detaillierte Details hat…

Siggi

Die Serie liest sich ein bisschen, wie ein Fortsetzungskrimi…
Ich bin jedes mal schon neugierig auf die nächste Folge :-).

Walter Rädler

Ich war in München mit meinem Fan-Club in der ARGE in der Gruppe 1. Unser Vorsitzender war Christian Poschet, ich habe eine sehr hohe Meinung von ihm. Hier waren viele nette Leute dabei, es wurden Pro-Leute zu den Treffen eingeladen, es war ein guter Haufen. Wir hatten keinerlei Berührungsängste zu anderen Gruppierungen, Tickets interessierten uns nicht, wir hatten ja Dauerkarten und der Transport zu den Spielen war immer sehr einfach.
Peinlich war immer das Prozedere bei den überregionalen ARGE-Treffen, der Geschäftsführer erhielt immer einen Riesenapplaus, als er die 50 5 Euro-Tickets (Sitzplätze) für einen Fan-Clubs, die zweimal im Jahr möglich waren, bestätigte. Das war allen Fanclubs sehr wichtig.

Ich hoffe, dass diese Vorgänge, von denen wir keine Ahnung hatten, geklärt werden, zuvor darf sich die ARGE nicht auflösen.

Stefan Kranzberg

Über die Auflösung der ARGE entscheidet sie ja bald selber.

Ich persönlich würde eine baldige Auflösung begrüßen, da sie aufgrund des Mitgliederbeschlusses bei der MV des TSV 1860 e.V. faktisch ja ohnehin keine operative Zukunft hat. Aber das ist nur meine Meinung

Wie hinsichtlich der Entlastung von Herr Schnell vorzugehen ist, darf natürlich auch jeder für sich entscheiden.

Dernitzky Oskar

Antwort gibt es am 19.11.21

Arik

Die ARGE muss unabhängig von der Aufklärung schnellstmöglich aufgelöst werden. Sonst geht das Desaster weiter. Eine Weiterführung wird nicht einmal annähernd bei der Aufklärung helfen. Man kann einen Verein auflösen ohne eine Entlastung aktueller oder bereits geschiedener Vorstände.

Friedl

Vielen Dank für die sehr informative Serie.