Heute Nachmittag empfängt der TSV 1860 den FSV Zwickau im Grünwalder Stadion. Für Trainer Michael Köllner könnte es unter Umständen der letzte Auftritt an der Seitenlinie der Löwen sein. Im Interview erklärt uns Sportpsychologe Prof. Dr. René Paasch, wie Trainer und Spieler in der Regel mit solchen Situationen umgehen und äußert sich auch zur öffentlichen Kritik Köllners an einigen Spielern seines Kaders.
Sportpsychologe Prof. Dr. René Paasch im Interview
sechzger.de: Nach den unerfreulichen Ergebnissen an den vergangenen Spieltagen kann Trainer Michael Köllner heute wohl nur ein überzeugender Sieg retten. Wie geht man als Trainer mit so einer Sitaution um, wenn man so auf die Performance seiner Mannschaft angewiesen ist?
Prof. Dr. Paasch: Es ist und bleibt natürlich immer eine große Herausforderung für einen Trainer, wenn man angewiesen ist auf die Leistungsfähigkeit der Mannschaft. Da man nicht gänzlich Dinge verändern kann und auch nicht sollte, sondern man auch an bestehenden Strukturen festhalten sollte, ist es besonders wichtig, dass der Trainer sehr viel spricht. Das heißt, dass er mit seinem Staff sehr viel spricht, aber auch mit den Spielern. Dass er ihnen gut zuspricht, aber auch sehr viel zuhört und es nicht immer wieder so benennt, dass, wenn Ihr jetzt nicht funktioniert, dann werde ich meinen Posten verlieren. Also alles, was möglicherweise mit seiner Kündigung zu tun haben könnte, sollte er nicht thematisieren. Er sollte stattdessen Fenster öffnen, die die Spieler zu einer gewissen Leistungsfähigkeit führen können.
“Der Einflussbereich des Trainers ist nicht mehr sehr groß”
Da arbeiten wir mit inneren und äußeren Bildern, d.h. positiv besetzte Bilder, wo man sich selbst wiederfindet, aber auch das Team. Dann ist es wichtig, nicht alles nach einer möglichen Niederlage, einem Punkt oder drei Punkten auszurichten, sondern in Ruhe weiterzumachen. Weil: Der Einflussbereichdes Trainers ist – auch wenn das von außen nicht so scheint – nicht mehr sehr groß. Auch die Spieler werden natürlich diese besondere Situation im Kopf haben.
Ich weiß natürlich auch nicht, wie die Spieler zum Trainer stehen, das kann man von außen nicht sehen. Aber dennoch ist es für einen Trainer ganz wichtig, die Ruhe zu bewahren und genauso weiterzuarbeiten, als wenn im Grunde das Spiel nichts Besonderes wäre, sondern wie jedes andere Spiel auch. (…) Man sollte an Strukturen, die gut funktioniert haben, festhalten und ganz, ganz viel mit der Mannschaft und dem Funktionsteam sprechen und vor allem das ganze Negative und mögliche Konsequenzen von der Mannschaft – aber auch von sich selbst – weghalten und auf das Beste hoffen. Aber: Wenn irgendwann auch die Mannschaft nicht mehr hinter dem Trainer steht, dann ist das natürlich ganz besonders schwierig.
Spieler wollen auf dem Platz funktionieren
sechzger.de: Aus anderer Perspektive: Belastet es eine Mannschaft, wenn sie quasi für das Schicksal ihres Trainers verantwortlich ist?
Prof. Dr. Paasch: Diese Frage ist aus meiner Sicht ganz besonders spannend, denn ich bin davon überzeugt, dass Spieler mit der ein oder anderen Aussage des Vereins über den Trainer – sei es intern oder öffentlich – Probleme haben können. Das betrifft vor allem die Spieler, die zum Trainer stehen und sich auch wünschen würden, dass er weiterhin bleibt. Kann sein, dass sie besonders viel Druck bei sich aufbauen und dass das dann funktioniert und sie sind richtig gut. Oder aber sie setzen sich zu sehr unter Druck, weil sie funktionieren wollen und das geht dann nach hinten los.
sechzger.de: Kann eine Mannschaft eigentlich bewusst “gegen den Trainer” spielen?
Prof. Dr. Paasch: Ja, das gibt es und das sieht man auch immer wieder. Aber ich glaube nicht – und das muss man nochmal unterstreichen -, dass Spieler auf den Platz gehen und nicht funktionieren wollen. Aber wir sind ja nicht nur rein rational, wir können also nicht alles steuern im Leben. Viele Dinge laufen auch unbewusst, also über Autopilot, und die können wir dann nicht willentlich steuern. Und da kann es dann dazu kommen, dass unbewusst so eine Gegenreaktion entsteht und man sich dann an der einen Stelle zurücknimmt. Aber ich glaube nicht, dass ein Spieler auf den Platz geht und denkt: “Heute bin ich mal schlecht, weil ich den Trainer loswerden will.”
Es hat sich ja auch viel gewandelt und die Spieler wissen, dass es um Vertragsverlängerungen, um ihr eigenes Gesicht, ihre eigene Identität und vielleicht auch um weitere Optionen geht. Deswegen will sich auch keiner nachsagen lassen, dass er möglicherweise irgendwas manipulieren wollte. (…) Am Ende des Tages geht es ja auch darum, Geld zu verdienen – Punktprämie, Einsatzprämie und so weiter.
Intern keine Kommunikation auf Augenhöhe?
sechzger.de: Michael Köllner hat in den vergangenen Wochen in den Medien einige unglückliche Aussagen getroffen und einzelne Spieler direkt angesprochen. So hat er Jesper Verlaat als “in der 2. Liga gescheitert” bezeichnet und bei jungen Spielern wie Erik Tallig oder U19-Nationalspieler Marius Wörl die Drittligatauglichkeit in Frage gestellt. Wie kommt sowas bei den jeweiligen Spielern an? Und kann sich sowas negativ auf den restlichen Kader auswirken?
Prof. Dr. Paasch: Auch sehr spannend. Da bin ich natürlich extrem hellhörig, wenn ich im Kontext von Leistungsfußball tätig sein darf. (…) Wenn ein Trainer öffentlich über seine Spieler spricht, dann können wir davon ausgehen, dass sie intern sehr wohl nicht auf Augenhöhe miteinander sprechen. Das heißt: Das Verhältnis ist möglicherweise ein bisschen zerrüttet und dass der Trainer vielleicht aufgrund seiner Hilflosigkeit, was die Leistngsfähigkeit angeht, dann das Mittel benutzt, um die Öffentlichkeit einzusetzen, damit dann Spieler darauf reagieren, nämlich mit Leistungsfähigkeit.
Wir wissen aber, dass solche Aussagen ganz oft aber auch sehr persönlich genommen werden von den Spielern und sie dann genau das Gegenteil tun. Dass sie dann aller Welt zeigen wollen: So geht der mit mir nicht um! Wenn er Probleme hat, dann hätte er das auch auf Augenhöhe klären können. Dass er dabei aber die Öffentlichkeit einsetzt, zeigt, dass er derzeit vielleicht keine gute Kommunikation mit der Mannschaft hat und das auch ein bisschen der Hilferuf ist oder auch der Weckruf, dass die Spieler doch bitte auch zu funktionieren haben.
Öffentliche Kritik zeugt von Kommunikations- und Führungsschwäche
Aus der Erfahrung heraus muss ich aber auch sagen: Wenn ein Trainer bereit ist, das zu tun, dann wird er natürlich die Spieler, die er angesprochen hat, leider verlieren. Es sei denn, er hat danach nochmal klärende Gespräche geführt und hat das aus der Welt geräumt. Aber ich stelle es mir gerade ein bisschen schwierig vor. Das zeigt aber auch, dass der Trainer jetzt natürlich alle Register zieht, aber er sollte sich selbst nicht aus der Verantwortung nehmen. Das finde ich ganz besonders wichtig, denn es sind nunmal die Spieler, die die Leistung bringen, aber der Trainer ist derjenige, welcher das Ganze lenkt und leitet. Und er ist auch maßgeblich dafür, ob sich die Spieler wohlfühlen – und das ist auch seine Aufgabe.
Um es nochmal zu unterstreichen: Die Spieler öffentlich zu kritisieren, ist für mich kommunikationsschwach und auch führungsschwach. Zudem zeigt es auch, dass er an der einen oder anderen Stelle nicht den Zugriff hat und die Jungs vielleicht nicht mehr ganz so hinter ihm stehen und er deswegen dann vielleicht auch die Öffentlichkeit nutzt, um eine Veränderung herbeizuführen.
Das ist nur eine Vermutung, aber man muss deutlich sagen: Trainer, egal in welcher Sportart, die Spieler oder Mannschaften kritisieren, haben intern definitiv Schwierigkeiten, was die Mannschaftsführung und die Kommunikation angeht.
Sportpsychologe Prof. Dr. René Paasch im Portrait
Prof. Dr. René Paasch ist Psychologe/Sportpsychologe. Er wohnt und arbeitet im Ruhrgebiet. René bietet sportpsychologische Beratung und Betreuung im Breiten- und Spitzensport sowie Coaching im betrieblichen Umfeld und Gesundheitsförderung an. Mit seiner UEFA B-Lizenz, mehrjähriger Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Profi- und Amateurvereinen und zahlreichen Betreuungen von Kickern ist er einer der Fußballexperten im Netzwerk Die Sportpsychologen.
sechzger.de hatte den Sportpsychologen bereits im Juni ausführlich interviewt:
Teil I
Teil II
Teil III
Teil IV
Teil V
Teil VI
Ja, diese Aussagen bestätigen meine Sorgen um die Persönlichkeitsstruktur von Michael Köllner. Manchmal denke ich, der Mann leidet unter der abgewandelten Form eines Napoleon-Komplexes. Sicherlich in seinem Fall nicht bezogen auf seine Körpergröße, aber dass der Mann unter einer bestimmten Form von Geltungssucht leidet, die auf starke Komplexe hinweisen, ist für mich evident. Dazu zählt auch sein merkwürdiger Drang, bei zumeist völlig unpassenden Gelegenheiten seinen gesellschaftspolitischen Senf absondern zu müssen. Da fehlt ihm, wie in so vielen anderen Bereichen einfach eine tiefer gehende Bildung. Dasselbe trifft natürlich auch auf seine Ausbildung als Trainer zu. Im Prinzip kann Michael Köllner, der ein gelernter Zahnarzthelfer ist und nur bei ganz unterklassigen Vereinen gekickt hat, mehr oder weniger nur auf Theorie zurückgreifen, die er sich als Autodidakt erworben hat. Das merkt man auch ganz stark an seiner Art Fußball spielen zu lassen: Es wird ein bestimmtes System vorgegeben, an dem sich die Spieler zu orientieren haben und er vorgibt. Deswegen fallen auch viele gute Spieler schnell durch den Gitterrost, weil sie sich nicht an sein System anpassen können. Da fehlt ihm die Flexibilität und Intuition eines ehemaligen guten Fußballers, der ganz instinktiv das Spiel nach den Stärken der Spieler ausrichtet, ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen. In diesem Zusammenhang gehört auch sein Drang immer mehr sein zu wollen als ein Trainer. Ich glaube, er versorgt bis heute die Spieler mit moralischen Geschichten, deren Weisheiten letztlich auf Glückskeks-Niveau zusammen dampfen und zumindest unter den intelligenteren sicherlich für Stirnrunzeln sorgen. Da können in so einer Gemengelage schnell Enttäuschungen entstehen, die sich dann in unbedachten öffentlichen Äußerungen bei ihm entladen.
Und noch ein letzter Punkt: Je kritischer die Löwenfans im Laufe der Jahre sein Tun bewerteten, desto zickiger wurde er in der Öffentlichkeit. Gerade er, der von der Verehrung und Liebe des Vereins abhängig ist wie kein Zweiter, kann mit so einem Liebesentzug seinerseits nur durch Liebesentzug reagieren. Vielleicht findet man hier auch Ansätze einer Erklärung hierfür, warum er sich zunehmend der Investoren-Seite zuwandte. In der Welt eines Hasan Ismaiks gibt es nur Feiern oder Feuern. Da muss er keine Angst haben, dass da fein ziselierte Kritik an seinen Aufstellungen oder Spieltaktik kommt, sondern hier bestimmen andere Werte das Geschehen. Natürlich aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Denn letztlich bleibt Hasan Ismaik Geschäftsmann und sucht nach Wertsteigerungen für sein Investment. Diese Liebe wird also auch nicht von Dauer sein, wenn der Erfolg ausbleibt. Auch da sollte sich Michael Köllner keinen falschen Illusionen hingeben.
Der Psychodoc sieht aus wie ein Bruder von Schweinsteiger. Warum Köllner seinen bewährten Pfad, der ihn 2 Jahre lang sauber geführt, verlassen hat, ist mir ein psychologisches Rätsel. Ohne jede Not. Rückblickend muss man sagen, dass der von Köllner beschimpfte sechzger.de Kommentator Schrader im Sommer ein gutes Gespür hatte. Köllner fing an abzudriften und sechzger.de hat Umstand und Zeitpunkt benannt. Leider lagen sie richtig.
Sehr interessante Perspektive, ich als Psychologie Student kann hier sehr viel mitnehmen, danke!