Groundhopping in Sansibar – da muss man auch erstmal drauf kommen! Für unseren Leser Stefan – ohnehin Weltreisender in Sachen Fußball – war es während seines Trips nach Ostafrika die letzte Möglichkeit, doch noch ein Match zu sehen. Dafür wurde er mit reichlich Aufmerksamkeit belohnt…
Holpriger Start in Ostafrika
Seit 3 Wochen bin ich mit meiner Partnerin in Ostafrika unterwegs. Wir haben die Gorillas in den Bergen von Bwindi besucht, waren an den schrecklichen Orten des Genozids in Kigali, und haben vergeblich nach den Baumlöwen in der Steppe von Ishasha gesucht. Ein Spielbesuch ist uns leider bislang verwehrt gewesen.
Mal wurde kurzfristig ein ganzer Spieltag abgesagt, ein anderes Mal wurde einfach Heimrecht getauscht oder alles um einen Tag verschoben, sodass wir den Spielort nicht erreichen konnten. Als wir uns am Strand von Sansibar erholten, hatten wir endlich Glück.
Halbautonomer Teil Tansanias
Da die Insel Sansibar zwar halbautonomer Teil Tansanias ist, ist der Fußballverband kein Mitglied der FIFA, jedoch vom afrikanischen Verband CAF und vom Verband unabhängiger Staaten CONIFA.
Jeweils zu Jahresbeginn lädt der Verband dann andere afrikanische Teams zum “Unabhängigkeitscup”, dem Mapinduzi Cup in die Hauptstadt Stone Town ein, darunter die Serienmeister aus Uganda (Uganda Revenue Authority F.C.) oder Tansania (Young Africans F.C.), die diesmal im Halbfinale aufeinandertreffen sollten.
Freddie Mercury: der berühmteste Sohn der Insel
Mit dem klapprigen Bus der Einheimischen sind wir für wenige Cent morgens von unserer Strandhütte im Osten der Insel in die Hauptstadt gefahren und haben uns erstmal schön treiben lassen. Inspiriert wurde der Baustil einerseits von indischen und arabischen Einwanderern, was man an den prunkvoll verzierten Türen in der Innenstadt ablesen kann. Andererseits hat man – ähnlich wie in Ostdeutschland – viel Plattenbau hochgezogen, um Wohnraum zu schaffen. So entsteht eine tolle Mischung aus arabisch-sozialistischen Baustilen zwischen unzähligen Palmen.
Berühmtester Sohn von Stone Town ist der Sänger Farrokh Bulsara, der als Freddie Mercury mit Queen Weltruhm erlangte, und dessen Hymne „We are the Champions“ auch beim Aufstieg des TSV 1860 München in die 2. Bundesliga 1993 im Stadion gespielt wurde. Vom 17. bis 19 Jahrhundert war Sansibar außerdem das Zentrum des afrikanischen Sklavenhandels, viele Denkmäler in der Stadt erinnern daran.
Groundhopping in Sansibar
10.01.2018
Mapinduzi Cup Zanzibar
Halbfinale
URA FC (Uganda) – Yanga SC (Tanzania) 5:4 (0:0) i.E.
Ammani Stadium Zanzibar City
10.000 Zuschauer
Im Vorfeld hatten wir über Facebook Kontakt zu einem Funktionär aufgenommen, der uns mit allerhand Infos über die Ansetzungen, Ticketsituationen und Anreise versorgte. Zudem holte uns Charlie etwa eine Stunde vor Anpfiff hinter der Haupttribüne ab und brachte uns in den spärlich besetzten VIP-Bereich. Dort stellte er uns Badru vor, einen ehemaligen Nationaltrainer Tansanias. Da Badru seinen Trainerschein in den 70er-Jahren in Deutschland machte, hatte er allerhand Erinnerungen über Müller und Rummenigge zu erzählen.
Zum Spiel wurden wir dann als Ehrengäste zu den mit Stoff überzogenen Stühlen auf der Ehrenloge begleitet und durften hinter dem Präsidenten von Sansibar und seiner Gattin Platz nehmen. Wären wir bis zum Finale geblieben, hätte ich womöglich noch den Pokal übergeben dürfen, allerdings hätte ich mir dann was anderes angezogen als heute: Flip Flops und ein ungewaschenes T-Shirt.
Sympathien sind klar verteilt
Die Young Africans Yanga kommen aus Daressalam, nur etwa zwei Bootsstunden von hier entfernt, und haben als Lokalmatador den größeren Zuspruch hinter sich. Dementsprechend hielten es viele der 10.000 Besucher mit ihnen, darunter auch ein weißgekleideter Schamane. Aus der 1.000 Kilometer entfernten Hauptstadt Ugandas war hingegen nur ein einziger Fan angereist, der allerdings mit zwei Fahnen und Vuvuzelas ordentlich auf sich aufmerksam machte. Mit dem Yanga S.C. teilt sich der TSV 1860 München übrigens einen Trainer: 1981/82 machte der 2019 verstorbene berühmte Rudi Gutendorf hier Halt – einige Jahre, nachdem er uns „Exoten von Giesing“ trainiert hatte.
Das Turnier war ein Freundschaftswettbewerb mit Prestigecharakter, ein Verletzungsrisiko wollte daher keines der Teams eingehen. Besondere spielerische Auffälligkeiten blieben mir somit nicht in Erinnerung. Aber da es sich um ein Halbfinale handelte, musste ein Sieger ausgespielt werden und mir wurde ein 0:0 erspart. Dennoch dauerte es quälend lange 7 Elfmeter, bis URA mit 5:4 als Sieger feststand und im Finale auf Azam F.C., den Lokalrivalen von Yanga aus Daresslam, traf. Wir verabschiedeten uns aus Stone Town und fuhren mit dem Taxi zurück an unseren Strand und relaxten dort noch ein paar Tage.
Beliebtes Ziel während Corona
Während des zweiten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2021 war Sansibar übrigens ein begehrtes Reiseziel (auch zum Groundhopping), da der Virus dort konsequent ignoriert wird. Das Turnier wurde ebenfalls abgehalten, jedoch nur mit sehr regionalen Teilnehmern, und nicht wenige deutsche Groundhopper, die ihrer Leidenschaft in Europa nicht nachgehen konnten, waren vor Ort. Aber keiner hat es auf die Ehrenloge hinter den Präsidenten geschafft…
Groundhopping auf sechzger.de
In den letzten Monaten erschienen bereits einige Groundhopping-Artikel auf sechzger.de. Hier eine kurze Übersicht:
Groundhopping Rumänien
Groundhopping Mazedonien bzw. Nordmazedonien
Groundhopping Armenien
Groundhopping Thailand
Groundhopping Ukraine
Groundhopping Kuba
Groundhopping Montenegro
Groundhopping Indien
Groundhopping Kirgisistan
Groundhopping Saudi-Arabien
Groundhopping Antarktis (Südgeorgien)
Groundhopping Kolumbien
Groundhopping Indonesien
Groundhopping Laos
Groundhopping Georgien
Toller Bericht, äußerst lesenswert. Danke dafür.