Krankheit überwunden, langes Wochenende und bei den Löwen gehts um nichts mehr – die besten Voraussetzungen also, um sich mal wieder auf Tour zu begeben. Ziel meiner Reise sollte Sofia sein, um meiner Leidenschaft Groundhopping endlich den Länderpunkt Bulgarien hinzuzufügen.

Wenn das Fernweh zuschlägt…

Eigentlich war die Reise ja bereits für den Februar angedacht und Nordmazedonien als Destination auserkoren. Dann kam aber eine Lungenentzündung dazwischen und beim neuen Datum spielten tatsächlich alle sechs Erst- und Zweitligisten aus Skopje auswärts. Gut, dann halt woanders hin. Die Wahl fiel schließlich auf Sofia, die Hauptstadt Bulgariens und Heimat zahlreicher bekannter Vereine.

Bereits im Vorfeld bemühte ich mich um ein Ticket für das Spitzenspiel der bulgarischen Liga zwischen Tabellenführer CSKA Sofia und Ludogorets Rasgrad, seines Zeichens Serienmeister und erster Verfolger der Hauptstädter. Doch dazu später mehr…

Auftakt mit U19 und U17

Die Anreise erfolgte bereits am Freitag von Memmingen aus, doch leider zu spät, um noch rechtzeitig zum kleinen Derby zwischen Septemvri und Slavia in Sofia anzukommen. Nach einem sehr unterhaltsamen Abend mit einem in Sofia lebenden Bekannten machte ich am nächsten Morgen zu Fuß auf den Weg Richtung nördlicher Stadtrand, wo Lokomotiv Sofia beheimatet ist.

Nach 1 1/2 Stunden Fußmarsch kam ich am Lokomotiv Stadion an und was soll ich sagen? Ein Traum! Was für ein geiler alter Kasten! Und das Beste: Da ich so früh dran war, standen alle Tore offen und ich konnte von der Laufbahn aus Fotos von den Tribünen schießen.

Vor dem Erstligaspiel standen jedoch noch zwei Jugendkicks auf dem benachbarten Kunstrasen auf dem Programm. Zunächst besiegte die U19 von Loko den Lokalrivalen Konkordia Sofia mit 10:1. Anschließend zog im U17-Duell Pobeda 1945 gegen RD Sport mit 1:6 den Kürzeren.

Groundhopping Bulgarien bei Loko

Dann aber war Erstligafußball angesagt und Mittelfeldteam Lokomotiv Sofia empfing den Tabellenvorletzten FK Hebar 1918. Eigentlich eine klare Angelegenheit und spätestens nach dem 1:0 der Gastgeber schien der Weg zum Heimsieg geebnet. Dabei hatte Loko die Rechnung aber ohne die Gäste gemacht, die kurz vor der Pause ausglichen und am Ende gar mit 4:1 als Sieger vom Platz gingen. Die rund 50 mitgereisten Fans aus der ca. 120 km entfernten Stadt Pasardschik wussten gar nicht, wie ihnen geschieht und feierten das seltene Erfolgserlebnis ausgelassen.

Den äußerst gelungenen Samstag ließ ich mit einem hervorragenden Abendessen in der Innenstadt ausklingen und verzog mich relativ früh ins Bett. Die Nacht davor war doch recht kurz und bierig gewesen…

Groundspotting im Vasil Levski Stadion

Sonntag, Highlight-Tag! Der Fokus lag zunächst aber gar nicht auf Fußball, sondern auf der Free Walking Tour, auf der die Teilnehmer in rund 2 1/2 Stunden diverse Sehenswürdigkeiten besuchen konnten und einige interessante Geschichten zu Land und Leuten zu hören bekamen. Kann ich jedem nur empfehlen! Nach einer ordentlichen Stärkung und einem Abstecher in einen Craft Beer Store führte mich der Weg ins Vasil Levski Stadion, in dem sowohl die Nationalmannschaft, als auch Septemvri und Levski Sofia ihre Heimspiele austragen.

Fast befürchtete ich, an diesem Tag mangels Fußballspiel vor verschlossenen Türen zu stehen, doch ich hatte Glück. Dank einer Leichtathletikveranstaltung für Kinder war das Stadion geöffnet und ich konnte sogar bis zum Spielfeld. Modern ist in dem Bunker quasi gar nix. Wer das Grünwalder Stadion als Ruine bezeichnet, der bekommt in Bulgarien vermutlich Dauer-Schnappatmung.

Plattenbau und schneebedeckte Berge bei Akademik

Nach einer kurzen Pause auf der Tribüne ging es per Pedes zum ersten Spiel des Tages: Akademik – Sofia Sport, 4. bulgarische Liga. Sportlich hielt das genau das, was es versprach. Wahnsinn, was für ein Gebolze… Aber was für ein unfassbares Stadion! 8.000 Menschen passen da theoretisch rein, zu diesem Spiel kamen ca. 60 und die Tribüne ist seit Jahren (vermutlich aus gutem Grund) gesperrt. Spielfeld, Plattenbau, schneebedeckte Berge – ein traumhaftes Panorama!

Auf dem Platz setzten sich die Gastgeber nach Pausenrückstand und in Unterzahl noch mit 2:1 durch, was die paar Ultras tatsächlich noch zu einer Pyro-Einlage bewegte. Wobei: Wenn man ganz ehrlich ist, ist selbst für die Jungs Akademik nur der Zweitverein. Das Herz schlägt für CSKA und genau dahin verabschiedeten sich mit Abpfiff wohl drei Viertel der Zuschauer, darunter auch etliche deutsche Groundhopper.

Nächster Halt: Spitzenspiel

Per Taxi wurde nun also das Balgarska-Armija-Stadion angesteuert, in dem das Spitzenspiel der bulgarischen Liga auf dem Programm stand. Tabellenführer CSKA Sofia empfing Ludogorets Rasgrad, das vor der Partie nur einen Zähler hinter den Tabellenpitze lag.

Der erst 2001 gegründete Verein wurde seit der Saison 2011/12 elf Mal in Folge bulgarischer Meister und zieht in Fankreisen so ziemlich alle Antipathien auf sich. Von Beginn an umkreisen Manipulationsvorwürfe die Grün-Weißen und auch in der laufenden Spielzeit soll es bereits Unregelmäßigkeiten gegeben haben.

Robert, schaff die Pyro ab!

Bereits vor dem Anpfiff gab es eine Choreographie des CSKA-Anhangs, der auch akustisch ordentlich Gas gab. Auf dem Platz hingegen enttäuschten beide Teams vor ausverkauftem Haus (15.000 Zuschauer) und so ging es torlos in die Halbzeitpause.

Nach dem Seitenwechsel folgte die erste Pyroshow von CSKA, die eine zehnminütige Unterbrechung zur Folge hatte. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass Robert Reisinger auch Präsident von CSKA Sofia ist. Wie dem auch sei: Robert, schaff die Pyro ab!

Kaum wurde wieder gespielt, war auch schon wieder Schluss. Diesmal hagelte es bei einer Ecke der Gäste Feuerzeuge, Münzen und (volle) Plastikflaschen aus dem CSKA-Block in Richtung Gegner und Linienrichter. Die Konsequenz: Ludogorets verzog sich in die Kabine und auch das Schiedrichtergespann gönnte sich eine Auszeit in den Katakomben.

CSKA verliert gegen Ludogorets

Ob es nochmal weitergehen würde? Beim Stand von 0:0 wäre ein Abbruch und eine Niederlage am grünen Tisch für CSKA natürlich katastrophal gewesen. Nach 20 Minuten Pause wurde die Partie dann aber doch wieder angepfiffen und nur kurze Zeit später gingen die Gäste etwas überraschend mit 1:0 in Führung. Erstmals machten sich auch die rund 70 mitgereisten Fans bemerkbar. 70 Auswärtsfans des Serienmeisters und das beim Duell Erster gegen Zweiter – ein Armutszeugnis!

Leider fiel CSKA in der Folge auf dem Rasen nicht mehr viel ein, nur auf den Rängen blieb es interesant. Wie gerne hätte ich einen ekstatischen Torjubel miterlebt, so aber blieb es beim 0:1, was für die Hauptstädter den Verlust der Tabellenführung bedeutete.

Viel zu spät kam ich auch an diesem Abend wieder ins Bett, nach gut vier Stunden war die Nacht wieder vorbei und am Flughafen traf ich noch auf die Spieler des israelischen Clubs Hapoel Beer Sheva, die tags zuvor in Sofia die Balkan International Basketball League gewonnen hatten.

Groundhopping auf sechzger.de

In den letzten Monaten erschienen bereits einige Groundhopping-Artikel auf sechzger.de. Hier eine kurze Übersicht:

Groundhopping Rumänien
Groundhopping Mazedonien bzw. Nordmazedonien
Groundhopping Armenien
Groundhopping Thailand
Groundhopping Ukraine
Groundhopping Kuba
Groundhopping Montenegro
Groundhopping Indien
Groundhopping Kirgisistan
Groundhopping Saudi-Arabien
Groundhopping Antarktis (Südgeorgien)
Groundhopping Kolumbien
Groundhopping Indonesien
Groundhopping Laos
Groundhopping Georgien
Groundhopping Sansibar
Groundhopping Moldawien/Transnistrien
Groundhopping Nordkorea

Sofia – so viel mehr als nur Fußball

Natürlich möchte ich Euch auch ein paar Bilder aus Sofia fernab des Fußballs präsentieren. Solltet Ihr mal ein paar freie Tage haben, dann setzt Euch in den Flieger und ab dafür. Mit Englisch kommt Ihr vor Ort übrigens bestens über die Runden und auch mit Deutsch seid Ihr nicht komplett verloren.

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Ackermeister TSV

Einfach nur genial dieser Satz! Zeigt einmal mehr wie weit der Horizont dieser Leute reicht 🤡

Lauser

Hat jemand Tipps für Griechenland oder gar Volos oder weiß einen vernünftigen Link?

Benjisson

Und ich dachte immer: Robert schaff den Hasi ab aber so kann ich mich irren…^^

Pablo

Gehört zum Fußball dazu

Kraiburger

Da fällt mir ein, dass ich auch noch einen (drei) Berichte schuldig bin …