Wie kürzlich bekanntgegeben wurde, absolviert der TSV 1860 demnächst ein Testspiel gegen Newcastle United, das aufgrund der geschäftlichen Beziehung zum Staat Saudi-Arabien in der Kritik steht. Unser Leser Stefan hat auf seinen Groundhopping Touren nicht nur Saudi-Arabien bereist, sondern auch Nordkorea. Wie er das angestellt hat, warum und vor allem auch, was er dort erlebt habt, erzählt er Euch im heutigen Artikel unserer Groundhopping-Reihe.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Es ist Mai 2018. Am Tag nach dem Relegationsspiel des TSV 1860 München sitzen wir im Auto auf dem Weg zu einem anderen Relegationsspiel in Luxemburg, als Leo auf der Rücksitzbank einen folgenschweren Satz sagte:

“Ich hab da einen Bericht gesehen: Die einzige Chance, in Nordkorea ein Fußballspiel zu sehen, ist wenn man am Marathon mitläuft!”

Betretenes Schweigen und fragende Gesichter im Auto …

Offizielle Athleten des TSV 1860 München e.V.

11 Monate, dutzende Anträge, hunderte Diskussionen und tausende Mails später sind wir zu acht am Bahnhof in Peking und warten auf einen Zug, der uns mit einmal Umsteigen in der Grenzstadt Dandong nach Pyongyang bringen sollte, der Hauptstadt von Nordkorea.

Mit dem Berliner Reiseunternehmer „Pyongyang Travel“ haben wir sehr fähige Partner gefunden, die uns bei diesem Vorhaben unterstützen. Weitere Unterstützung bekamen wir von der Turnabteilung des TSV München von 1860 e.V., die uns nicht nur zu offiziellen Athleten des Vereins erklärten, sondern auch in der Vorbereitung auf den Lauf halfen.

Groundhopping Nordkorea
Die Reisegruppe 1860/H96 auf dem Weg nach Nordkorea

Kim, Che und ein ehrgeiziges Ziel

Den genauen organisatorischen Ablauf erfuhren wir erst beim Eintreffen am Bahnhof in Pyongyang, als uns unsere beiden Bewacher, Kim und Che, abholten. Die beiden ausgebildeten Touristenführer sollten uns in den kommenden sechs Tagen nicht mehr aus den Augen lassen. Nach zwei schlaflosen Nächten im Flugzeug und der Bahn sollte schon am nächsten Morgen um 8 Uhr früh der Halbmarathon stattfinden, zu dem wir uns angemeldet hatten. Während wir (die drei Löwenfans in der Runde) also ohne Bewacher – und nur mit einer GoPro bewaffnet – durch die Innenstadt joggen, dürfen die anderen (fünf Leute von Hannover 96) im Stadion Fußball ansehen. So war das nicht geplant, das könnte den Länderpunkt in Gefahr bringen.

Aber wann hat man schonmal die Chance, für Sechzig München am Marathon in Nordkorea teilzunehmen? Ehre siegte also über Ehrgeiz. Und vor allem sollte das zweite Spiel knapp 90 Minuten nach Beginn des Halbmarathons starten – und zwar im selben Stadion in dem auch die Finalrunde absolviert wird. Wenn ich also meine geplante Halbmarathonzeit von 2 Stunden und 15 Minuten schaffe, dann kann ich die zweite Halbzeit des Spiels noch miterleben. Ab jetzt zählt also “Ehre und Ehrgeiz”, auch wenn manche Mitglieder der Groundhopper-Polizei darüber die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.

Groundhopping Nordkorea
Sightseeing in der Hauptstadt Pyongyang

Wichtig: An die Regeln halten!

Nordkorea ist für europäische Touristen kein gefährliches Land. Touristen, die sich ins Land verirren, haben üblicherweise nichts zu befürchten (auf Otto Warmbier gehe ich vielleicht später noch ein), da man die ganze Zeit die Bewacher an seiner Seite hat. Auch ist es nicht kompliziert, an ein Visum zu gelangen. Im Gegenteil: Nordkorea freut ich über Touristen, da diese Devisen ins Land bringen.

Man muss nur bereit sein, sich an die Regeln zu halten. Die wichtigste Regel heißt: Die Bewacher entscheiden, was man macht. Und sie lassen einen auch nicht aus den Augen. Einmal alleine über die Hauptstraße flanieren, um ein Bier zu trinken? Keine Chance! Davon abgesehen, dass es am Straßenrand keine Kneipen gibt: Ihr dürft nicht flanieren. Außer der Bewacher erlaubt es und bleibt bei euch.

Groundhopping Nordkorea
Die Propaganda-Maschine läuft auf Hochtouren

Im Laufschritt durch Pyongyang

Das bedeutet auch: Der internationale Marathon, der seit 2013 auch für Amateure geöffnet ist, ist die einzige Chance, die Hauptstadt zu Fuß in eigener Geschwindigkeit zu durchqueren. An diesem Tag fahren keine Autos und die Bewohner sind angehalten, den Touristen vom Straßenrand zuzujubeln.

Knapp 1.000 Touristen nehmen jährlich am Marathon teil und ich kann nur sagen, dass es ein unglaubliches Gefühl ist, durch diese Stadt zu laufen. Da ich wie erwähnt eine GoPro mit auf den Weg genommen habe, kann ich euch sogar noch ein Video präsentieren.

Groundhopping Nordkorea
Die erfolgreichen Sportler des TSV 1860 München e.V.

Groundhopping in Nordkorea

Leichtmetallministerium – Fischereiministerium 0:2
7. April 2019 – Kim-Il-Sung-Stadion Pyongyang/Nordkorea

Pünktlich nach 2 Stunden, 13 Minuten und 25 Minuten erreichte ich nach 21,0975 km wieder das Kim-Il-Sung-Stadion, das mit knapp 50.000 Zuschauern restlos gefüllt war, und drehte dort meine Ehrenrunde. Die erste Halbzeit des Spiels zwischen dem Fischereiministerium und dem Leichtmetallministerium lief noch, ich hatte also alles richtig gemacht. Gratulation an Leo von den Schlagerfaschisten, der seinen Halbmarathon unter 2 Stunden lief, sowie an Blue-Lions-Plessi, der sich erstmals im Leben überhaupt 10 Kilometer am Stück aus eigenem Antrieb fortbewegte. Ich ziehe meinen Hut!

So, nun soll der ganze Beitrag nun mal ein Groundhopper-Bericht werden, sodass ich auch auf die Wesentlichkeiten des Fußballspiels eingehe: Wie schon erwähnt, war das Stadion mit fast 50.000 Leuten voll besetzt, wobei jedoch die wenigsten freiwillig hier zu sein schienen. Fangruppen waren auch keine auszumachen und Anfeuerung in einem Stil, wie wir sie gewohnt sind, ohnehin nicht.

Groundhopping Nordkorea
Leichtmetallindustrieministerium gegen Fischereiministerium

Blau schlägt Weiß mit 2:0

Vielmehr war der Besuch im Stadion wohl der Lohn für die verdiente Arbeit der vergangenen Wochen und eine schöne Ablenkung für die Bevölkerung. Ähnlich wie in unseren Ultrablöcken standen auch hier vor jedem Block Vorsänger und animierten die Besucher dazu, die verteilten Klatschpappen herzunehmen. Und die Mitmachquote der durchgehend schwarz gekleideten, sitzenden Besucher war 100 %. Perfekt organisiert, das Ganze. Ob Renitenz möglicherweise direkt ins Gulag führt? Ich mag es mir nicht ausmalen, vielleicht hatten die Leute sogar wirklich Spaß an der Ablenkung vom Arbeitsalltag.

Das Fußballspiel zwischen den Weißen vom Leichtmetallindustrieministerium und den Blauen vom Fischereiministerium endete übrigens 2:0 für die Seefahrer, die ab sofort meine Lieblingsmannschaft in Nordkorea sind.

Groundhopping Nordkorea
50.000 Zuschauer begrüßten die Läufer und sahen das Fußballspiel

Ein Stadion mit 150.000 Plätzen

Insgesamt blieben wir 6 Tage in diesem eigentümlichen Land und bekamen allerhand Sehenswürdigkeiten vorgeführt. Neben einem Besuch in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea durften wir auch in die Philharmonie, den Staatszirkus, eine “Local Bar für Touristen” und in allerhand Bildungsinstitute. Auch der Besuch eines Kriegsschiffs, das in den 60er-Jahren von den Amerikanern gekapert wurde, stand auf dem Programm.

Zudem durften wir ein Fußballinternat besuchen und mit den Schülern ein Trainingsspiel abhalten, sowie auf den Rasen des “Mayday-Stadion”, mit 150.000 Plätzen das größte Fußballstadion der Welt. Jeder Besuch in jeder Sehenswürdigkeit war eine Geschichte für sich und wer sich dafür interessiert, darf mich gerne mal privat anschreiben. Für wen Bilder mehr sagen als Worte, dem empfehle ich noch dieses Video, in dem wir unsere Aufnahmen mit der Action Cam zusammengeschnitten haben.

Groundhopping Nordkorea
Hier passen gar 150.000 Zuschauer rein!

Eine Erfahrung fürs Leben

Eine Woche unter ständiger Beobachtung haben eine Menge Eindrücke bei uns hinterlassen. Für alles, was wir über politische Zusammenarbeit, nationale Eitelkeiten, Atomwaffen und Landesgrenzen auf dieser Reise gelernt haben, ist in einem Fußballblog viel zu wenig Platz. Und auch wenn Nordkorea kein typisches Reiseland ist, so bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, da sie in gewissem Maße auch meinen Blick auf manches verändert hat.

Fußballtechnisch ist Nordkorea natürlich nicht das Gelbe vom Ei. Der Höhepunkt dieser Reise waren nicht die Ultragruppen, die Architektonik des Stadions oder der Bierpreis. Die gesamte Reise war der Höhepunkt und eine sehr intensive Erfahrung.

Die Geschichte von Otto Warmbier habe ich jetzt ganz vergessen zu erzählen. Aber das könnt ihr auch selber googlen…

Groundhopping Nordkorea
Der Personenkult wird in Nordkorea ganz groß geschrieben – und gebaut…

Groundhopping auf sechzger.de

In den letzten Monaten erschienen bereits einige Groundhopping-Artikel auf sechzger.de. Hier eine kurze Übersicht:

Groundhopping Rumänien
Groundhopping Mazedonien bzw. Nordmazedonien
Groundhopping Armenien
Groundhopping Thailand
Groundhopping Ukraine
Groundhopping Kuba
Groundhopping Montenegro
Groundhopping Indien
Groundhopping Kirgisistan
Groundhopping Saudi-Arabien
Groundhopping Antarktis (Südgeorgien)
Groundhopping Kolumbien
Groundhopping Indonesien
Groundhopping Laos
Groundhopping Georgien
Groundhopping Sansibar
Groundhopping Moldawien/Transnistrien

5 1 vote
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
2 Comments
Newest
Oldest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Stepanek

Könntet Ihr bitte zu den Bildern auch noch die Namen der Personen schreiben, die man dort sieht (Bildunterschrift)? So könnte man auch mal Gesichter zu den Namen “abspeichern”, von denen man ständig liest.

Nicht jeder 60er-Fan kennt jeden 60er-Fan, vielen herzlichen Dank.

Kraiburger

Einer der drei bin ich, falls dir das weiterhilft!