Nachdem unser Leser Stefan zuletzt bereits über seine Reise nach Senegal, führte ihn sein Hobby Groundhopping als nächstes in den Nachbarstaat Gambia. Auch dort besuchte er ein Match und lernte Land und Leute kennen. Viel Spaß beim Lesen und mit den Fotos, die er uns dankenswerterweise zur Verfügung stellte.

Entspannung auf Coconut Island

Nächstes Ziel der Reise ist das Mini-Land Gambia. Gerüchten nach wurden die Grenzen in Zeiten der Kolonisierung dadurch gezogen, indem die Briten Kanonenkugeln von ihren Schiffen auf dem Fluss aus abgefeuert haben. Und soweit wie sie schießen konnten, soweit gehörte ihnen das Land mitten im ansonsten französisch kolonisierten Senegal. Während auf der südlichen Seite des Flusses die Touri-Hotspots liegen, ist der nördliche Teil teilweise unbewohnt. Da wir noch nicht viel vorhatten und der Spielplan sowieso noch nichts hergab, zogen wir uns drei Tage auf die weitestgehend unbewohnte Coconut Island zurück: Zwei Stunden Strom am Tag, ausreichend Bier und Essen, keine anderen Touristen und wenn man die spärliche Lodge mit Hängematte verlässt, steht man mutterseelenallein an einem fünf Kilometer langen Sandstrand. Könnte verdammt nochmal schlimmer kommen.

Insgesamt fällt uns die Kommunikation auch wieder leichter, da wir nun nicht mehr im französischsprachigen, muslimischen Senegal, sondern im englischsprachigen, muslimischen Gambia sind. Die Ethnie der Wolof ist hier jedoch vorherrschend, sodass den Bewohnern egal ist, welche Sprache ihre Regierung vorgibt. Nach drei Tagen voll Verzehr vieler lokaler Kräuter hatten wir dann aber schon wieder genug Entspannung und verließen die Insel per Schiff in Richtung Touri-Region Banjul/Bakau/Serekunda.

Groundhopping Gambia

Falls sich irgendwer die Frage stellt, ob schonmal ein Spieler aus Gambia bei 1860 spielte: Wir konnten keinen identifizieren. Die regelmäßigen Pub-Quiz-Teilnehmer wissen aber bereits, dass wir eine ganz andere Mission hatten. Im Jahr 1980 hat Sechzig München eine Testspielreise mit zwei Spielen nach Gambia unternommen, von der heute aber nicht viel mehr als die Aufstellungen und die Torschützen bekannt sind. Da in keiner alten Vereins- oder Stadionzeitung die Testspielreise erwähnt wird und auch die mittlerweile ergrauten Allesfahrer damals nicht dabei waren, gibt es über diese Auftritte nahezu keine Infos. Wir versuchen das zu ändern und – nehmen die Antwort vorweg – scheitern! Unser Vorhaben “Groundhopping Gambia” verlief hingegen deutlich erfolgreicher…

Gambia Armed Forces FC – Greater Tomorrow FC 2:1
Gambia Football League, 25.03.2023, Bakau Mini Stadium

Erste Liga in Gambia klingt nach einem wahren Traum. Und schon der erste Blick ins weite Rund verrät: Es ist ein Traum. Nämlich ein Traum, der mit allem zu tun hat, aber definitiv nichts mit der Hochglanzwelt der deutschen ersten Liga, von dem hier so viele träumen. Bei einem Eintrittspreis von umgerechnet 20 Cent bekommen wir präsentiert: nichts! Außer einem kleinen Verhau, in dem man sich für umgerechnet 50 Cent mehr einen eigenen Stuhl mieten kann. Den Stuhl kann man sich dann an den Spielfeldrand stellen oder ihn auf das Dach des nicht fertig gestellten (und wahrscheinlich auch in ferner Zukunft nicht fertiggestellten) Funktionsgebäudes tragen. Spieler und Schiedsrichter ziehen sich in dieser heruntergekommenen Ruine um, während vier Bleichgesichter ihre Samt-Sessel über zwölf wacklige, bröckelnde Betonstufen in die pralle Mittagshitze schleppen. Nachdem wir unseren Platz auf dem Dach der Spieler eingenommen haben, können wir auch durch die Löcher hindurch ihre Mannschaftsansprachen anhören – und natürlich kein Wort verstehen.

Gambia Armed Forces, der Militärsportverein, ist klarer Favorit und tritt äußerst herrisch und dominant mit einem klaren Spielsystem auf. Der Trainer wirkt wie ein General. Greater Tomorrow hingegen lässt den Ball auf dem Sandplatz laufen, entwickelt viel Spaß am Spiel und schießt überraschend in Halbzeit 1 auch den Führungstreffer, was den Herrn General zu einer üblen Schimpftirade bewegt. Durch Intervention der anwesenden drei Polizisten (bei insgesamt etwa 20 Zuschauern, davor wir 4 Weißgesichter) lässt er sich jedoch beruhigen. Die Halbzeitansprache ist dafür mehr als deutlich und seeeeehr laut. Der General scheißt seine Spieler regelrecht zusammen. Es ist nicht schwer, das mitzubekommen, denn der einzige Schattenplatz am ganzen Ground ist der einen Meter vor der Heimkabine. Die Gäste hingegen nutzen die Spielpause für ihr notwendiges Gebet Richtung Mekka und wirken deutlich entspannter, als ich Spieler beider Mannschaften wenig später am einzigen Plumpsklo des Stadions antreffe.

Dennoch hat die Halbzeitansprache etwas bewirkt, denn die GAF drehen das Spiel und gehen mit 2:1 als Sieger vom Platz. Ich habe etwas viel Respekt vor dem General, sodass ich mich entscheide, ihn nicht auf die Testspielreise von 1860 München im Jahr 1980 anzusprechen. Er hätte es vielleicht wissen können, alle anderen Anwesenden, die ich ansprach, hatten jedenfalls keinen blassen Schimmer, was ich von ihnen wollte. Ein Highlight war natürlich auch noch die Ziegenkolonie, die während des Spiel dachte, sie könnte etwa von den spärlichen Resten des Rasens haben.

Es bleibt ein Mysterium!

Wir verbringen noch einen weiteren Tag in der Region und besuchen dabei eine Farm, in der man Krokodile streicheln kann, und das Nationalstadion. Dieses ist aufgrund von “Renovierungsarbeiten” derzeit gesperrt. Deshalb wird uns auch das Fotografieren verboten, da die Bewacher Angst davor haben, die FIFA könnte erfahren, dass ihr Geld gar nicht für Renovierungsarbeiten verwendet wird. Wobei mir das ja egal ist, ich habe eine andere Mission und ernte erneut inhaltslose Blicke. Auch im Landesmuseum, wo ich zumindest erfahre, dass das Nationalstadion erst 1982 erbaut wurde, erfahre ich nichts über die Spielorte der Testspielreise von 1860 München. Es bleibt ein Mysterium! Aber wir hatten unseren Spaß.

Groundhopping auf sechzger.de

In den letzten Monaten erschienen bereits einige Groundhopping-Artikel auf sechzger.de. Hier eine kurze Übersicht:

Groundhopping Rumänien
Groundhopping Mazedonien bzw. Nordmazedonien
Groundhopping Armenien
Groundhopping Thailand
Groundhopping Ukraine
Groundhopping Kuba
Groundhopping Montenegro
Groundhopping Indien
Groundhopping Kirgisistan
Groundhopping Saudi-Arabien
Groundhopping Antarktis (Südgeorgien)
Groundhopping Kolumbien
Groundhopping Indonesien
Groundhopping Laos
Groundhopping Georgien
Groundhopping Sansibar
Groundhopping Moldawien/Transnistrien
Groundhopping Nordkorea
Groundhopping Bulgarien
Groundhopping Senegal

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Kraiburger